Ansichten eines Informatikers

Medienkritik auf die deutsche und auf die schweizer Art

Hadmut
12.11.2016 18:27

Zum Stand der Einsicht. [Nachtrag]

Die arrogant-überheblich-linke-beleidigte ZEIT sieht mal wieder gar nichts ein, Schuld sind bei denen wie immer die anderen.

Wer kauft sowas?

Deutlich wertvoller wie ziemlich oft in diesem Fall der Schweizer Kommentar der Baseler Zeitung: Ein Beruf schafft sich ab (Deutsche) Journalisten machen gerade alles dafür, dass keiner mehr ihnen glaubt, keiner ihrem Geschreibsel noch einen Cent Wert beimisst.

Wenn dieser Wahlkampf etwas klargemacht hat, dann die Unzuverlässigkeit der Medien.

Auch mir erging es so. Oft, wenn irgendeine Aussage von Trump wieder sämtliche Redaktionen der Ostküste ins Vibrieren gebracht hatte, blieb mir nichts anderes übrig, als das Interview im Original nachzuhören. Fast immer erwies sich, dass Trumps Worte ungenau wiedergegeben wurden, wenn nicht falsch, wenn nicht bösartig überzogen gedeutet. Wenn im Zweifel, wurde stets die ­maximal negative Interpretation gewählt. Kurz, man tat alles, um diesen Mann zu verhindern – und schreckte vor nichts zurück. Kommentare, Meinungen, Bilder, Zitate, Berichte, Reportagen, Fakten: Viel zu viel wurde gebogen, manipuliert, gedreht und gedrückt, bis die Realität so aussah, wie man von vornherein wusste, wie sie auszusehen hatte. Die normative Kraft des Faktischen? Es war die faktische Wirkung des Normativen: Nicht was ist, sondern was sein soll, war plötzlich zu dem geworden, was war.

Wieder das, was ich schon sage: Die sind alle von den Geisteswissenschaften verstrahlt und auf diesem poststrukturalistischen Drogentrip, nicht mehr die Realität anzuerkennen oder zu glauben, dass es überhaupt eine gibt, sondern sich umgekehrt dazu berufen zu fühlen, durch ideologisches Geschreibsel die moralisch geforderte Realität erst zu erschaffen, herbeizureden. Völliger Realitätsverlust.

Nachdem die amerikanischen Medien, besonders die Zeitungen, ohnehin vom Strukturwandel wie von einer Schlammlawine überrollt worden sind, die ihnen Tausende von Lesern entrissen hat, sind sie jetzt im Begriff, von Lava überströmt und verbrannt zu werden. Die Lava der totalen Irrelevanz. Was immer die Journalisten rieten, viele Wähler kümmerten sich nicht darum, was immer sie berichteten, viele Amerikaner hielten es für falsch.

Und da heißt es immer, das böse Internet sei schuld daran, dass die Zeitungen Leser verlören. Nein. Das, was sie schreiben, ist schuld daran.

Warum ist es so weit gekommen, nicht bloss in Amerika, sondern auch in Europa? Denn gerade wir in der Schweiz kennen das: Jahrzehntelang haben sämtliche Journalisten unserer Medien (mit wenigen Ausnahmen, lange auch ich) den EU-Beitritt herbeikommentiert und herbeiberichtet – dazu durchgerungen haben sich die Wähler nie. Niemand glaubte uns Journalisten am Ende, dass ein Beitritt zur Union besser sein sollte für unser Land. Seither gehen viele Journalisten wie an Krücken. Zur EU sagen sie nichts mehr.

Eine vorläufige Erklärung. Die 96 Prozent in Amerika für Hillary Clinton deuten es an: Wir Journalisten sind uns zu einig. Der Wettbewerb der Meinungen und das Ringen um das beste Argument, weltanschauliche Differenzen, und zwar echte, tiefe, die wehtun, wenn man sie anspricht, sowie parteipolitisch geprägte unterschiedliche Empfindlichkeiten – sie kommen fast nicht mehr vor in unserem Milieu. Auf die Schweiz bezogen: Es gibt kaum Journalisten, die SVP ­wählen, ein paar Unverdrossene entscheiden sich für die FDP, fast niemand für die CVP, doch die meisten sympathisieren mit der SP, oft wählen sie lieber die Grünen oder die Grünliberalen, weil das etwas origineller wirkt, aber kurz: Sie stehen fast alle Mitte-links, wenn nicht sogar am linken Rand. Ihre Ansichten gleichen sich wie in einer Sekte. Ohne Prophet beten sie zum gleichen Gott.

Die Folge davon – und das ist das Problem, nicht die inhaltlichen Vorlieben an sich –, man erkennt die Welt nicht mehr, wie sie ist. Wer sich in einer Sekte aufhält, sieht sich dauernd von Gleichgesinnten darin bestätigt, dass zwei plus zwei fünf ergibt. Es sind die Blinden, die andere Blinde danach fragen, ob die Sonne scheint.

Ich habe diesen Feminismus-Gender-Krampf ja schon oft mit Sekten wie Scientology verglichen.

Gewiss, nun mag man einwenden: Donald Trump ist doch objektiv ein Desaster. Mag sein. Aber in jedem Prozess gibt es einen Ankläger und einen Verteidiger, weil schon die Römer davon ausgingen, dass die Wahrheit am besten zu erkennen sei, wenn man die Dinge aus zwei vollkommen entgegengesetzten Richtungen betrachtet. Haben wir je erlebt, dass im Gericht 96 Ankläger auf vier Verteidiger treffen? Würden wir es je für fair, aber auch erkenntnistheoretisch nützlich halten, wenn man dem Ankläger 96 Minuten Redezeit einräumte und dem Verteidiger bloss vier Minuten?

Das kommt bei Politikern, bei Journalisten, und vor allem bei den Geistes„wissenschaftlern”, von denen sie ihre „Ausbildung” bekommen, nicht mehr vor. Deutsche Journalisten sollten sich ihr Lehrgeld wiedergeben lassen.

Ich wiederhole mich: Überall im Westen gibt es immer mehr Leute, denen zum Beispiel das Ausmass der Immigration inzwischen zu viel ist – fast alle Journalisten sind anderer Meinung und berichten mit Vorliebe davon, dass jene, die sich Sorgen machen, von falschen Zahlen ausgehen, falschen Gefühlen aufsitzen, von Hass getrieben, von Vorurteilen geprägt oder mit Dummheit geschlagen sind. Und überhaupt: Immigration ist gut. Wurde nicht die BBC von Ausländern gegründet? Und Nestlé, und Maggi?

Wie in einer Sekte hat das Milieu der Journalisten Wiedererkennungsmeinungen entwickelt, deren Funktion weniger ist, eine interessante Meinung zu sein, sondern eine soziale: Es sind Zeichen der Zugehörigkeit zum Milieu der Journalisten. Journalist ist nicht, wer schreibt und recherchiert, sondern wer daran glaubt, dass Immigration sehr gut ist.

Und das führt zum Kern des Problems.

Man wird diese Presse so nicht mehr reparieren können, sie nicht mehr funktionabel bekommen. Die Leute sind geistig völlig kaputt, irreparabel verbrannt. Man erreicht das nur noch über ganz neue, frische Leute. Woher aber nehmen, wenn auch die journalistische Ausbildung und deren Ausbilder so kaputt sind? Und wie wird man die Leute, die jetzt in den Redaktionen sitzen, jemals wieder los?

Im öffentlich-rechtlichen Dienst des Rundfunks ist das wirklich ein Problem.

Bei der normalen Presse führt der Weg nur über Verlagspleiten. Und da habe ich auch kein Mitleid, die waren schließlich dämlich und verbohrt genug, sich die Idioten als Redakteure einzukaufen, die ihnen die Zeitungen kaputt gemacht haben.

Deshalb die Frage: Wer kauft sowas noch?

Nachtrag: Wisst Ihr, wie man die Symptomatik in einem Wort zusammenfassen kann? „Lügenpresse”