Ansichten eines Informatikers

Die Doppelmoral der Nachrichtenelite

Hadmut
5.11.2016 21:59

Ging mir heute beim Einkaufen so durch den Kopf.

Ich stand vorhin im Supermarkt so in der Kassenschlange, kam am Zeitschriftenregal vorbei, sah die Schlagzeilen und dachte so darüber nach, wie niveaulos und rabulistisch unsere Presse und die Medien so sind, und mit welchen Schwätz-Methoden sie das Publikum täuschen. Ein Gedanke, der sich mir in aktuellem Kontext so durchs Hirn wühlte (ich muss zur Erklärung etwas weiter ausholen):

Seit Pegida und AfD hört und liest man in den Medien immer wieder das „Totschlagargument”, dass die Ossis sich ja über Migranten gar nicht beschweren könnten und dürften, weil es in den „neuen” Bundesländern ja die niedrigste Zahl und Dichte von Migranten gäbe. Ich habe das damals schon im Blog aufgegriffen, weil Rabulistik und Täuschung durch Rede und Pseudoargumente ja so eines meiner Dauerthemen ist. Wie häufig hat man diese Logik in Nachrichtensendung von selbstgefälligen eingebildeten Kommentatorinnen gehört, die sich ach so hämisch über ihr „Gotcha!” freuten, die meinten, medienwirksam jegliche Kritik mit einem Wisch delegitimiert zu haben.

Was für ein dämliches Argument. Symptom, schlimmer, eitriger Ausfluß des Niedergangs und intellektuellen Versagens deutschen Journalismus. Wo könnte man besser sehen, dass Fernsehen nicht mehr von Journalisten, sondern von Politpropagandisten gemacht wird, die sich der Sendestudios (und der hochbezahlten Stellen) bemächtigt haben.

Wieso glauben diese Leute eigentlich, wer im Osten wohnt und anderer Meinung ist als sie selbst, sich nur noch zur eigenen Landespolitik, aber nicht etwa zur Bundes- oder gar Europapolitik äußern darf? Ossis seien zwar – noch – bundes- und europawahlberechtigt, aber wehe, es sagt einer was dazu. Wo kämen wir hin, wenn Meinungsfreiheit etwas mit demokratischer Meinungsbildung zu tun hätte?

Und wie kommen eigentlich alle die Geisteswissenschaftler, diese „Politilogen” und „Soziologen”, die sich für intellektuell überlegen halten, überhaupt auf die Idee, dass es eine Frage der Landes- und nicht der Bundes- oder Europolitik wäre? Warum sollte sich ein Sachse nur zu spezifischen Angelegenheiten von Sachsen äußern dürfen?

Warum ausgerechnet das Bundesland als Grenze und Maßstab? Warum nicht die Stadt oder das eigene Grundstück? Ist immer das die „passende” Grenze, wofür man gerade irgendwelche Zahlen aus irgendeiner Statistik hat, die einem in den Kram passt?

Warum muss jemand überhaupt selbst betroffen sein, um eine Meinungsäußerung legitim äußern zu können?

Wie könnte also ein Grüner sagen, er wollte nicht durch radioaktive Strahlung sterben? Müsste der dann nicht erst mal tot sein, um sich als stark Betroffener zu qualifizieren, bevor er sich dazu äußern darf? Wieso kann man gegen das Abschmelzen des Polareises, die Nashorn-Wilderei in Afrika oder Fukushima sein, wenn man doch immer erst im eigenen Lande betroffen sein soll?

Mir ist das vorhin so aufgefallen, als ich in der Kassenschlange stand und am Zeitschriftenstand die Schlagzeilen zu Trump gesehen habe. Trump ist das Dauerthema, in allen Zeitungen, in allen Nachrichtensendungen.

Warum aber meinen dieselben Leute, die dem Ossi die Meinungsäußerung absprechen, weil er nicht im eigenen Bundesland davon betroffen ist, sie dürften sich kritisch zu Trump äußern? Müssten sie nicht mit derselben Denkweise jede deutsche Kritik an Trump als illegitim zurückweisen, weil Trump ja nicht Präsident des jeweiligen Bundesland wird, in dem der Journalist gerade lebt?

Oder ist es doch eher so, dass die Presse, die Fernsehleute, die Medien völlig willkürlich immer das behaupten, was politisch gerade passt, heute so, morgen anders, was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?

Ich saß kurz darauf im Auto auf dem Heimweg, kommt das nächste Ding dazu.

Radiomoderatoren regen sich fürchtlich darüber auf, wie in den USA Wahlkampf gemacht wird. Trump und Clinton trieben es ganz schlimm, bei einem von beiden sei mindestens jede vierte, bei anderen mindestens jede dritte Social-Media-Äußerung (besonders Twitter) nicht echt, nicht von einem Menschen, sondern von Bots und Agenturen erstellt. Wie übel das doch wäre, wenn man da nichts mehr glauben könne, weil alles nur noch massenhaft von Computern erzeugt und nicht mehr nachprüfbar.

Ach.

Haben nicht dieselben Idioten kürzlich noch #Aufschrei monatelang gefeiert und mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet? Obwohl von vorne bis hinten künstlich durch Bots erzeugt?

Und jetzt bei Trump soll es, obwohl genau das Gleiche, plötzlich bäh und böse sein? Nur weil es der Presse politisch gerade nicht in den Kram passt?

Ist mir vorhin so aufgefallen, wie die ständig mit zweierlei Maß messen, wie die ihre Maßstäbe ständig ändern und verbiegen, wie sie es gerade brauchen, und sich trotzdem für intellektuell und argumentativ überlegen halten.

Da sitzen dann irgendwelche Polit- und Sozioschwätzer, per Quote und Politeinfluss in die Posten und vor die Kameras gekommen, senden per bestehender Infrastruktur an Millionen von Menschen, halten sich in unbeschreiblicher Arroganz für intellektuell überlegen, und doch beruht alles auf dem Universalfehler, Maßstäbe, Anforderungen und Standpunkte ständig und willkürlich zu wechseln, an sich selbst so ganz andere Forderungen zu stellen als an andere?

Und das ist dann die deutsche Nachrichtenelite?