Ansichten eines Informatikers

Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Dritten Reich und dem Heute

Hadmut
21.9.2019 0:48

Beides führte ins Unheil.

Aber:

Damals spielten Radio und Fernsehen noch eine sehr untergeordnete Rolle. Das meiste war gedruckt – Papier, Bücher, Plakate, Zeitungen, Postkarten usw. – oder fotografiert und als Negativ oder Abzug verkörperlicht oder als Film bei bewegten Bildern, Kinofilme, sogar die Wochenschauen wurden als Kopien verteilt.

Dadurch sind sie

  • Verkörperlicht in einer Weise, die Jahrzehnte, oder demnächst ein Jahrhundert überdauert hat.
  • Verkörperlicht in vielen Kopien, weil die Verbreitung fast nur über verkörperlichte Kopien erfolgte. Eine Ausnahme sind die Radio- und frühen Fernsehsendungen, Reden, Theateraufführungen (sofern nicht aufgenommen), aber diese spielten nur eine vergleichsweise geringe Rolle.
  • Nahezu technikunabhängig auszulesen, man kann Zeitungen, Fotos, Filme unmittelbar mit dem Sinnesorgan Auge wahrnehmen, vielleicht braucht man noch eine Lampe und eine Lupe, eventuell einen Projektor, aber keine gesondere Anleitung oder technische detaillierte Beschreibung.

Man kann das heute in Dokumentationen, Museen, Ausstellungen zeigen. Man kann sich anschauen, was da vor 80, 90 Jahren passiert und schief gegangen ist.

Nun geht es wieder schief, schneller noch sogar, aber man wird nicht nur in der Zukunft nicht mehr nachvollziehen können, was passiert ist, man kann es jetzt schon nicht mehr.

Es ist unglaublich schwierig, einfach mal nur nachzuvollziehen, was letzte, vorletzte Woche in Nachrichtensendungen, Talkshows, Magazinen gesendet wurde. Es ist flüchtig, das Zeitalter des Videorekorders ist längst vorbei, und ein absurd ausgeartetes Urheberrecht gibt dem Urheber ein Aufnahme-, Speicherungs-, Wiedergabemonopol, mit einer historischen Schadenswirkung, derer sich die daran schuldigen Juristen nie bewusst werden.

Die Leute kaufen keine Bücher, keine Zeitungen mehr. Ich wollte mir vor einiger Zeit von einem IKEA-Regalsystem für das Wohnzimmer etwas nachkaufen, die Größe gab es aber nicht mehr. Als ich fragte warum, bekam ich die Antwort, dass sich IKEA eben an den Zeitgeist anpasst. Früher hatte man riesige Schrankwände im Wohnzimmer. Dann waren mal endlose Bücherregale wie Billy oder Ivar angesagt, weil der typische Intellektuelle die Bücher kubikmeterweise stapelte. Aus und vorbei. Die Leute haben nicht mehr viel im Wohnzimmer, im wesentlichen noch einen Fernseher und ein iPad. Dem passt sich IKEA an und schmeißt viele Möbel mit Lagerraum aus dem Programm – in diesem Fall Regale einer bestimmten Höhe. Sehr ärgerlich.

Das führt dazu, dass wir nicht mehr nur gewaltige Probleme haben, noch etwas zu finden, sondern es schlicht nicht haben, weil wir nur die flüchtige Wiedergabe sehen. Ob wir aber eine Sendung dann nochmal in der Mediathek ansehen dürfen, entscheidet der Urheber, und oft sind sie verändert. Und nur selten (offiziell) zum Download. Man darf sie immer wieder streamen, aber nicht runterladen. Urheberrechtsplugins können sogar dafür sorgen, dass die Daten nur im Browser angezeigt werden und ansonsten verschlüsselt bleiben.

Viele Video- und Bildformate sind heute schon so schlecht dokumentiert, dass man kaum herausfinden kann, wie sie funktionieren, geschweige denn die Sicherheitslöcher aus den Bibliotheken machen.

Ich habe vorhin auf eine Sendung von 2007 verlinkt, in der die ARD zum Klima genau das Gegenteil dessen sagte, was sie heute sagt. Ich konnte das aber nur sehen, weil es gestern jemand hochgeladen und mich vorhin eine Leserin darauf angesprochen hat.

Ich kann in Bibliotheken gehen und mir die Zeitungen von vor 100 Jahren anschauen, und zumindest früher war das mal so üblich, dass man das auch machte. Wobei selbst da die Haltbarkeit begrenzt ist. Als ich noch in Karlsruhe wohnte und die Entstehung der Universitätskorruption und die Abläufe während des Dritten Reiches oder danach recherchierte, konnte ich mir zu Büchern gebundene alte Zeitungen und Zeitschriften ansehen.

Gerate bei Zeitschriften wie dem SPIEGEL etwa der 50er Jahre fiel mir aber immer wieder auf, das das Papier nicht nur vergilbt und brüchig wird, sondern mir nach 15 bis 20 Minuten die Hände anfangen weh zu tun und meine Haut fest und rissig wurde. Da musste ich immer schnell auf die Toilette und mir die Hände gründlich mit Seife waschen, weil das Papier säurehaltig war und mir die Säure die Haut angriff. Aber: Grundsätzlich ging das.

Heute geht es nicht mehr.

Ich käme gar nicht damit nach, alles zu speichern, was ich speichern müsste. Schon jetzt versuche ich, von möglichst allem Sicherheitskopien zu machen, was längst ein Problem der Plattenkapazität und der Sicherheitskopien ist.

Wenn Sendungen überhaupt in den Mediatheken gezeigt werden, dann sind sie manchmal verändert, und nicht selten fehlen schlicht Inhalte, und sie blenden ein, dass ihnen die Rechte für Internet-Veröffentlichungen fehlen.

Es gibt kein öffentlich zugängliches Archiv, in dem ich etwa einfach anschauen könnte, was die Tagesschau vor 15 Jahren sendete – oder gar nach Themen suchen.

Es führt dazu, dass die Lügehemmung drastisch sinkt, weil ARD und ZDF in weiten Grenzen selbst steuern, was nach längerer Zeit noch auffindbar ist. Die haben überhaupt kein Problem damit, heute das Gegenteil von dem zu behaupten, was sie vor 10 Jahren behauptet haben, weil praktisch niemand es systematisch nachprüfen oder suchen kann, hin und wieder hat mal irgendwer zufällig alte VHS-Aufnahmen noch digitalisiert.

Schon jetzt ist es enorm schwierig, ARD und ZDF die Lügen und Propaganda nachzuweisen, weil man erstens nicht an die Archive rankommt und das gar nicht alles speichern kann, und zweitens darin nicht suchen kann. Ich hätte gerne eine Datenbank, die mir beispielsweise alle Tagesschau-Sendungen liefert, in denen sie einen Gender-Pay-Gap behauptet haben, oder alle Ausgaben des heute journals, in denen Feministinnen live in die Sendung geschaltet waren.

Wenn vor 80 Jahren eine Wochenschau kam, dann hatten die Kinos Kopien, und damit gab es gewisse Wahrscheinlichkeiten, dass Exemplare außerhalb des Urhebers überleben.

Das haben wir heute nicht mehr.

Deutschland und Europa werden zugrundegehen. Broken beyond repair, es wird eine große Katastrophe geben, gegen die sich das Dritte Reich wie Kindergeburtstag ausnehmen könnte. Ich bin mir nicht sicher, ob es danach noch Menschen gibt, die Zeit, Muße und Intellekt haben, sich für die Vergangenheit zu interessieren, aber sie werden keine Chance haben, die Vorgänge unserer Zeit auch nur im Ansatz zu verstehen oder nachzuvollziehen. Man kann Fossilien ausgraben, die hundert Millionen Jahre alt sind, und man kann Papyrusrollen und Steinsäulen ausgraben, die vor 2000 oder 4000 Jahren beschriftet wurden. Aber keine Webseiten oder Nachrichtensendungen.

Gelegentlich schreiben mir Leute, dass mein Blog ein Zeitdokument sei, weil es über inzwischen nun 20 Jahren als Webseite und seit 2006 als Blog die Entstehung dokumentiert.

Schön. Ich danke für das Lob. Kann nicht jeder von sich sagen. Nur: Ich weiß nicht, wie Historiker in 100 Jahren das noch sollten lesen können. Wie ich das übermitteln könnte. In Stein meißeln? Und wenn: Wir produzieren so viele Medien, das kann keiner mehr nachlesen. Vielleicht könnten KI-Systeme das interpretieren, aber ich glaube nicht, dass es die in 50 oder 100 Jahren noch geben wird. Einstein wird ein Spruch zugesagt, mit dem er auf die Frage geantwortet habe, mit welchen Waffen der dritte Weltkrieg geführt werde. Er soll gesagt haben, das wisse er nicht, aber der vierte Weltkrieg werde mit Holzkeulen geführt werden.

Es gibt jede Menge Ausstellungen über das Dritte Reich, über Holocaust, über Nazis, Vernichtung, Weltkrieg. Man sieht darin alte Zeitungen, Plakate, Filmaufnahmen, Fotos.

Es wird nie Ausstellungen über political correctness, Gender und die Tagesthemen, das heute journal und den ganzen Kram geben, darüber, wie wir alle manipuliert und getäuscht werden.

Man wird nicht wissen, wie es zur großen Katastrophe kam.