Ansichten eines Informatikers

Lynchmob in Emden

Hadmut
30.3.2012 16:08

Kam gerade im Fernsehen: In Emden ist doch ein elfjähriges Mädchen ermordert worden, die Polizei hatte einen 17-jährigen als Verdächtigen festgenommen. Heute haben sie ihn wieder laufen lassen, weil sich herausstellte, daß er es nicht gewesen sein kann. Der Mann ist unschuldig. Nun hat ein Polizist im Fernsehen erklärt, daß sich da gestern abend schon ein Mob vor der Polizeistation versammelt hatte, der forderte, den Mann zu lynchen.

In was für einem Land leben wir eigentlich?

Warum muß man sich mit solchen Leuten ein Gesellschaftssystem teilen? Sind solche Leute besser als ein Kindermörder?

Nachtrag: Siehe auch Süddeutsche

14 Kommentare (RSS-Feed)

Andrea
30.3.2012 17:15
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Ich war ebenfalls schockiert. Die haben sicherlich nicht einmal darüber nachgedacht und außerdem unreflektiert der Information der Medien geglaubt haben, dass der Mörder gefasst wurde.


Hadmut
30.3.2012 17:17
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Seltsamerweise hat sich kein Sekundärlynchmob gefunden, der seinerseits den ersten Lynchmob ob seines Ansinnens, einen Unschuldigen zu ermorden, zu lynchen versucht hätte.


Marion
30.3.2012 20:18
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“In was für einem Land leben wir eigentlich?”

In einem in dem die Menschen offensichtlich das Vertrauen in den Staat, wenn sie es denn jemals hatten, für Gerechtigkeit zu sorgen verloren haben. Was wäre denn passiert wenn er es gewesen wäre? Ein paar Jahre Jugendknast, höchstens, wenn er in der Platte wohnt hätte er wahrscheinlich noch mildernde Umstände wegen seinem Millieu bekommen. Gerecht wäre das nicht.

Dass sie nicht warten bis sich rausstellt ob er schuldig ist haben sie gelernt. Wir werden doch alle immer mehr, obwohl unschuldig, gegängelt. Wenn die Medien, wie Andrea sagt, verbreitet haben dass er der Täter ist haben sie eine große Mitschuld und der Mob hat ihnen anscheinend einfach geglaubt. Generelles Problem, sie schauen nicht wie verlässlich die Information ist.


Hadmut
30.3.2012 20:21
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Klar, weil ein Lynchmob mit Mistgabeln schon immer ein Garant für Gerechtigkeit war. Hat der Ku Klux Klan auch von sich gesagt.


Rudolf S.
31.3.2012 11:12
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@Marion: Sie unterliegen einer polemischen Selbsttäuschung. Nicht “die Medien” haben verbreitet, dass dieser Verdächtige der Täter sei, sondern DIE POLIZEI. Und zwar durch die Art und Weise der Festnahme (warum muss man einen 17-jährigen, der in der Nähe des Tatortes wohnt mit enormem Polizeiaufgebot aus dem Haus treiben?) und durch die teilweise wirklich dämlichen Äußerungen des Polizeisprechers (“kein Alibi => er muss der Täter sein”).

Natürlich verliere ich als Bürger das Vertrauen in diesen Staat, wenn dessen Beamte und andere Amtsträger einen Verdächtigen ZUERST der Öffentlichkeit als TÄTER präsentieren und DANACH erst mit den Ermittlungen beginnen.

Was Ihnen vor lauter lynchlustiger Geiferei vielleicht nicht passt: Wir leben in einem Rechtsstaat. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass Beschuldigte AUCH Rechte genießen und dass diese durch den Staat und seine Behörden gefälligst und unter allen Umständen zu wahren sind.

Auch wenn mir das in Hadmut Danischs Blog eigentlich nicht zusteht: Sie, werte “Marion”, sollten sich schämen!


nadar
31.3.2012 11:25
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Die Behörden scheinen sich in diesem Zusammenhang nicht mit Ruhm bekleckert zu haben: http://www.lawblog.de/index.php/archives/2012/03/30/das-zweite-opfer/ und weiterführender Link.


Hanz Moser
31.3.2012 15:41
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Wenns nicht selbst wenig rechtsstaatlich wäre müsste man sich eigentlich mit einer Kamera bei so einem Lynchmob positionieren und die Leute Stück für Stück ablichten.
Danach dann die Gesichter minimal mit einem schwarzen Balken versehen, damit sie krimineller aussehen, Namen und Adresse dazu und irgendwo an einen Internetpranger stellen. Lokalpresse wäre noch besser, die wird aber wohl nicht mitspielen. So nach dem Motto “diese Leute rufen zum Mord an Minderjährigen auf und die Polizei tut nichts! Sind unsere Kinder noch sicher? Nehmen Sie es selbst in die Hand klingeln Sie mal bei Ihnen!”

Mit so einem Schema müsste man die Lynchmobs eigentlich gegeneinander aufhetzen können und mit ein bisschen Gück schlägt sich die Mischpoke gegenseitig tot.

Mir gefällt aber auch die Idee in solche Lynchmobs einfach mal mit der Schrotflinte reinzuhalten. Nach deren eigener Logik passt das ja, da sie zum Mord aufgerufen haben und man nicht erst ein Gerichtsverfahren abwarten muss bis bestraft wird und die Todesstrafe wieder Konjunktur hat.

Es ist wirklich schade, dass man Leute nicht wahlweise nach rechtsstaatlichen Gesetzen oder ihrer eigenen Vorstellung von Gerechtigkeit bestrafen kann. Letzteres würde vermutlich wirklich, nach zahlreichen Stockhieben ohne richtiges Verfahren, einigen Leuten den Rechtsstaat spürbar näher bringen.


lothar
31.3.2012 19:07
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Da hätte die Polizei ihre Kameras einsetzen, die Rädelsführer rauspicken und Anzeige erstatten müssen:
§ 111 Öffentliche Aufforderung zu Straftaten
(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) zu einer rechtswidrigen Tat auffordert, wird wie ein Anstifter (§ 26) bestraft.
(2) Bleibt die Aufforderung ohne Erfolg, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Die Strafe darf nicht schwerer sein als die, die für den Fall angedroht ist, daß die Aufforderung Erfolg hat (Absatz 1); § 49 Abs. 1 Nr. 2 ist anzuwenden.


Marion
1.4.2012 14:53
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@Rudolf Wo ist Ihr Problem? Ich sagte: “Wenn die Medien, wie Andrea sagt, verbreitet haben dass er der Täter ist haben sie eine große Mitschuld und der Mob hat ihnen anscheinend einfach geglaubt. Generelles Problem, sie schauen nicht wie verlässlich die Information ist.” Wenn Sie nun richtig stellen dass es die Polizei war, die das sagte und die Medien das, wie es immer ihre Art ist, ohne Prüfung der Wahrheit übernommen und vebreitet haben, nehme ich das zur Kenntnis. Dann ist eben die Polizei schuld und nicht die Medien. Inwieweit veranlasst Sie das zu unzutreffenden Vermutungen dass ich den Lynchmob befürworten würde und zu der unverschämten Anmaßung mich aufzufordern mich zu schämen? Die noch dazu in keiner Weise begründbar ist, zumal Sie im Wesentlichen das selbe sagen wie ich.

“In einem in dem die Menschen offensichtlich das Vertrauen in den Staat, wenn sie es denn jemals hatten, für Gerechtigkeit zu sorgen verloren haben.” Sind meine Worte. Sinngemäß das selbe haben Sie zwischen Ihrem Gift spucken gesagt. Nochmal, wo ist Ihr Problem?

Wieso übersehen denn immer alle dass der Lynchmob nicht aus Spaß auf die Straße geht sondern, wie Andrea sagte, wegen der Medien oder, wie Rudolf sagte, wegen der Polizei. Wenn der Mob einen Kindsmörder lyncht erscheint mir das aber sinvoller als wenn die Polizei unschuldie verhaftet und als schuldige präsentiert, was dann den Mob erstt zur Folge hat.


ziv
2.4.2012 7:25
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Ist doch (leider) eh egal, gelernt hat eh keiner was draus, der 18Jährige war sofort auch ohne Verhandlung genauso schuldig wie es der 17Jährige war am Anfang war. Das ist Schuldig bis das Gegenteil bewiesen ist…

Ich weiß das der neue Verdächtige mittlerweile ein Gestädnis abgelegt hat, doch ich denke man muss bei der Unschuldsvermutung bleiben, denn sonst ist mit Freiheit Feierabend.


Michael
2.4.2012 7:36
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@Marion “Wenn der Mob einen Kindsmörder lyncht erscheint mir das aber sinvoller als wenn die Polizei unschuldie verhaftet und als schuldige präsentiert, was dann den Mob erstt zur Folge hat.”
Sie vermengen mehrere Dinge:
1. Es ist nicht mit einem Rechtsstaat vereinbar, dass irgendwelche Zusammenrottungen von Leuten Selbstjustiz ausüben. Dabei ist völlig egal, wie sinnvoll das erscheint. Es ist in einem Rechtstaat, wie man in diesem Fall sieht, eben gerade völliger Unsinn!
2. Ob ein Lynchmob aus Spaß oder sonstigen Motiven auf die Strasse geht, ist irrelevant, macht es höchstens noch schlimmer.
3. Selbst bei dauernder Beschallung durch die Medien, durch Live-Pressekonferenzen der Polizei oder sonstiger Leute und auch bei Darlegung aller Beweise in einer solchen Show, gilt ein Verdächtiger nicht als Mörder, solange ihn kein Gericht verurteilt hat und damit die Beweise beurteilt hat. Also ist ein Lynchmob aus Sicht eines Bürgers eines Rechtsstaates nie sinnvoll.
Wie man sah, war genau die falsche Einschätzung von irgendwelchen Aussagen der Polizei und kolpotiert und je nach Gusto durch die Presse gefärbt (die schon gar kein Interesse an Gerechtigkeit undn recht sondern nur am Skandal hat) der Grund, dass irgendwelche ‘wohlmeinenden’ Leute meinten, man muss einen Unschuldigen lynchen.


Rudolf S.
2.4.2012 13:55
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@Marion: Fragen die mit einem provokativen “wo ist Ihr Problem” beginnen, werde ich nicht beantworten. Ich verbitte mir derartige Unterstellungen. Ansonsten hat sich Michael ausführlich geäußert.


Hadmut
2.4.2012 13:59
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Zwischenbemerkung vom Hausmeister:

Solche Phrasen wie „What’s your problem”, „Was ist Dein Problem” oder auch „Wo ist Ihr Problem” kann ich ebenfalls gar nicht leiden, denn sie unterstellen per se, daß eine Abweichende Meinung auf irgendein Problem zurückgehe.


Hadmut
2.4.2012 14:06
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Noch was vom Hausmeister:

Ich breche diese Diskussion hier offiziell ab.

Das Befürworten einer Lynchjustiz halte ich für völlig unerträglich und unvertretbar. Wer sich für eine Lynchjustiz einsetzt, gehört meines Erachtens wegen Anstiftung eingeknastet. Wir sind hier nicht beim Ku-Klux-Klan, sondern in einer Zivilisation. Und wer es charakterlich nicht schafft, sich in ein Soziales Miteinander einzugliedern, in dem es feste Regeln gibt – ob man sie nun gut oder schlecht finden möge – hat meines Erachtens weder in diesem Staat noch in diesem Blog was verloren.

Das ist hier kein allgemeines Forum, sondern meine Webseite. Und eine solche Scheiße wie das Befürworten eines Lynchmobs will ich hier nicht haben. Und ich will bei dieser Gelegenheit zum Ausdruck bringen, wie sehr ich solche Leute verachte, daß ich sie für Abschaum der untersten Kategorie halte, der man eigentlich die Zugehörigkeit zur Gattung „homo sapiens” absprechen muß. Marodierende Horden, die mordend durch die Straßen ziehen, hatten wir im dritten Reich, und ich habe den Verdacht, daß da ähnliche Bevölkerungsschichten wieder dahinter stecken.

Ich dulde so etwas nicht.