Ansichten eines Informatikers

Maßstäbe und Einzelfälle

Hadmut
8.9.2019 13:52

Ein Leser schreibt mir gerade, dass ihm was aufgefallen ist.

In Berlin Innenstadt gab es gestern oder vorgestern einen schweren Unfall. In der Innenstadt raste irgendie ein SUV auf den Fußweg, vier Tote (darunter die Mutter und das Baby/Kleinkind einer Frau), Verletzte, schwierige Rettungsarbeiten, weil das noch irgendwie in eine Baugrube ging und die Feuerwehr die Grube mit Lampen und Wärmebildkamera abgesucht hat um sicherzustellen, dass da nicht noch wer liegt. Die Zeitungsartikel laufen alle irgendwie auf „Nichts genaues weiß man nicht” hinaus, weil die Polizei sich bedeckt hält und auch erst mal herausfinden muss, was passiert ist. Die einen schreiben, es wäre hohe Geschwindigkeit im Spiel gewesen, die anderen, es gäbe keine Zeugen dafür, der dritte meint, es hätte gereicht um einen Laternenmast umzunieten, der vierte schreibt was von einem angeblichen Überschlag, der fünfte spekuliert über einen medizinischen Notfall des Fahrers blubber blubber blubber. Keiner weiß wirklich was. Es will aber auch keiner warten, bis die Polizei sagt, was sie herausgefunden hat.

Es ist eben unklar, was passiert ist.

Aber sofort werden SUV-Verbote gefordert.

Was der Unfall damit zu tun hatte, dass es ein SUV war? Unklar. Worauf die Annahme beruht, dass der Unfall anders verlaufen oder weniger Tote verursacht hätte, wenn es ein Passat, eine E-Klasse, ein 5er gewesen wäre? Oder ein Cabrio? Oder vielleicht ein e-Smart? Ob eine Großmutter mit der kleinen Enkelin bessere Überlebenschancen hätte, wenn sie von einem VW-Bus getroffen wird?

Oder vielleicht von einem mehrere hundert Kilo schwereren und trotzdem stärker beschleunigenden E-Auto? Das dann auch gleich so brennt, dass die Feuerwehr es nicht mal löschen kann? Wenn die Großmutter von der geballten Wucht des bleihaltigen Akku-Packs zermatscht wird?

Bisher nicht ersichtlich. Vielleicht findet sich ja noch was.

Der Leser aber meint: Doppelte Maßstäbe. Kein Mensch redet von einem „Einzelfall”.

Stimmt. Sticht ein Migrant seine Freundin ab, dann wird jeder als Nazi beschimpft, der daraus auf die Allgemeinheit schließt. Dann sind das Einzelfälle, die man nicht verallgemeinern dürfe. Fährt aber einer Leute über den Haufen, und gibt es dann noch die Koinzidenz mit SUVs, wobei nicht mal eine Korrelation belegt ist, denn ein Unfall kann ja immer noch heißen, dass die Käufer teurer Porsche-SUVs damit vorsichtiger fahren als die alter Gebrauchtkarren, geschweige denn eine Kausalität.

Komischerweise hat nach dem Autorennen da am Ku’damm, bei dem einer getötet wurde, auch keiner gefordert, dass Migranten nicht mehr Auto fahren sollen. Obwohl sie ziemlich viele Unfälle verursachen und neulich rauskam, das da mit Fahrprüfungen irgendwas faul läuft, außerdem erstaunlich viele ohne Führerschein rumfahren. So jede zweite oder dritte Nacht gibt es hier die Profilierungsrennen mit heulenden Motoren und quitschenden Reifen auf dem Supermarktparkplatz nebenan, aufgemotzte Edelkarren, AMG-Mercedes und sowas. Aber keine Forderung, dass Migranten von den Straßen verschwinden müssten. Das ist halt wie bei den Soziologen: Korrelationen und Koinzidenzen sind immer dann Kausalitäten, wenn man es politisch gerde braucht, sonst aber nicht.

Schauen wir mal näher hin:

Heftig diskutiert wurde auch die Rolle von Geländewagen im Verkehr. Der „Spiegel“ zitierte am Samstag den zuständigen Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) mit den Worten: „Solche panzerähnlichen Autos gehören nicht in die Stadt.“ Und weiter: „Es sind Klimakiller, auch ohne Unfall bedrohlich, jeder Fahrfehler wird zur Lebensgefahr für Unschuldige.“ Für Zustimmung, aber auch viel Kritik sorgte auch ein Posting der Deutschen Umwelthilfe.

Diese äußerte sich auf Twitter so: „Stadt-Geländewagen töten nicht nur in Berlin!“ In einem weiteren Tweet schrieb die Umwelthilfe: „SUVs haben in unseren Städten nichts zu suchen! 4 Tote, darunter ein Kleinkind, sind die Bilanz eines schrecklichen Raser-Unfalls mit einem Porsche-SUV in Berlin. Und wenn es nach den Autokonzernen geht, soll mehr als jeder zweite Neuwagen ein SUV werden. Wir kämpfen dagegen an!“

Sie mischen das jetzt mit Klima-Themen.

Wie gesagt:

Wie sich Elektroautos auf Fußgänger auswirken, wird gar nicht erst betrachtet.

  • Deutlich höheres Gewicht, als mehr kinetische Energie
  • Deutlich stärkere Beschleunigung, etwa an Ampeln oder auf Kurzstrecken, also potentiell höhere Innenstadt-Geschwindigkeit, auch wegen fehlenden akustischen und Gangschaltungs-Feedback
  • Höhere Dichte und Durchschlagskraft durch schwere Blei- oder Li-Ionen-Akkus, können also eher andere Autos oder Mauern durchschlagen.
  • Crash-Kompatibilität meines Wissens noch nicht so erforscht.
  • Problem der hohen Energiedichte, die sich beim Unfall entladen kann. Kennt Ihr das Video aus einer Tiefgarage in Shanghai, in der ein geparkter Tesla in kürzster Zeit aus dem Nichts zum Vollbrand wird? Wie will man eigentlich Leute noch retten, die nach einem Unfall vor, neben oder unter so einem Auto liegen und das dann so brennt, dass die Leute gleich gegrillt werden?

    Rettungsmaßnahmen sind oft erschwert, verzögert, unmöglich, weil die Karre noch irgendwie unter Strom steht und für die Rettungskräfte Lebensgefahr besteht, oder weil man das Ding nur löschen kann, indem man es in einem Container voller Wasser versenkt.

    Wehe dem, der drunter liegt.

Ob man e-Autos damit überhaupt in die Innenstädte lassen darf, wäre zu diskutieren.

Und ob dieser eine Unfall überhaupt etwas damit zu tun hat, dass das ein SUV war, ist völlig unklar.