Ansichten eines Informatikers

Sind Strompreise hoch oder teuer?

Hadmut
18.1.2022 17:02

Ein Leser schreibt mir:

Sehr geehrter Herr Danisch!

Preise sind nicht teuer oder billig, Preise sind hoch oder niedrig. Das Produkt ist teuer oder billig.

Bezog sich darauf, dass ich gerade in einem Artikel von den „teuersten Strompreisen“ geschrieben hatte.

Eigentlich hat er recht.

Ich würde ihm trotzdem nur im Prinzip zustimmen, aber nicht hier.

Hoch und niedrig sind nur ordnungangaben in Bezug auf andere Preise. Man wird sagen können, dass die Preise in Kalifornien höher sind als in Oklahoma, oder in Frankreich höher als in Georgien.

Teuer und billig sind aber Wertungen in Bezug auf die Gegenleistung, also ob der Preis angemessen ist.

Auch wenn ein Haus in Kalifornien einen höheren Preis als eines in Oklahoma hat, kann trotz des höheren Preises das in Kalifornien billig und das in Oklahoma teuer sein. Es sind einfach unterschiedliche Aussagen, weil die eine sich auf das Verhältnis zu anderen Preisen und die andere sich auf das Verhältnis zur Gegenleistung bezieht (was allerdings auch nicht völlig voneinander zu trennen ist, weil ja ein Zusammenhang besteht).

Hier ging es ja aber nicht um die allgemeinen Preise, sondern speziell um Strompreise.

Ich gebe zu, dass „Deutschland hat die höchsten Strompreise“ sprachlich besser gewesen wäre. Es wäre aber eine andere Aussage gewesen, weil ihr das Missverhältnis zur Gegenleistung fehlt. Zum Vergleich: „Deutschland hat die höchsten Hauspreise“ sagt noch nichts über das Missverhältnis, weil die Häuser hier eben gedämmt sind, Heizung und Keller haben und so weiter, und deshalb mehr kosten als beispielsweise in Portugal, aber man auch mehr bekommt fürs Geld.

Umgekehrt wäre es sprachlich ungünstig gewesen, von den „teuersten Kilowattstunden“ zu sprechen, das wäre sehr holprig.

Am besten wäre sicherlich gewesen, vom „teuersten Strom der Welt“ zu sprechen, worin dann aber wieder die Information fehlt, für wen der Strom so teuer ist. Für die Betreiber (bei geringerer Marge) oder für den Kunden?

Auch wenn ich zugeben muss, dass, so betrachtet, die „teuersten Strompreise“ sprachlich nicht gut waren, und tatsächlich nicht die Preise, sondern das Produkt teuer ist, würde es sprachlich besseren Formulierungen am Wertungsgehalt fehlen. Man müsste dann „die höchsten Strompreise und den teuersten Strom“ schreiben, würde sich damit aber die Rüge des Pleonasmus einfangen.

Allerdings würde ich es begrüßen, wenn man sich mal der Frage zuwendete, warum eigentlich Länder wie Sudan, Libanon, Iran, Libyen, Äthiopien, Kirgistan es schaffen, die Kilowattstunde für weniger als einen Cent anzubieten. Gut, das wird man nicht als Maßstab nehmen können, weil der Strom da nicht überall und nicht dauernd und nicht in Mengen verfügbar ist, aber zumindest die ganzen Abgaben und sowas fallen da wohl nicht an.

Nehmen wir mal Malaysia, und die sind immerhin relativ modern, dann haben die dort einen Strompreis von unter 5 Cent. Ein Siebtel unserer Preise.

Insofern wird man schon fragen können und müssen, ob unsere Strompreise nicht nur hoch, sondern im Vergleich zur Gegenleistung auch teuer sind. Denn unsere Infrastruktur ist nicht etwa gut. Siehe marode Brücken, siehe unfähige Behörden. Es reicht also nicht, die Preise nur als hoch einzustufen, man muss sie auch als unangemessen einstufen.

Oder anders gesagt:

Steuern, Feminismus und Strompreise, das überleben wir nicht. Das ist zuviel.