Ansichten eines Informatikers

Sharbat Gula

Hadmut
25.11.2021 20:00

Es waren die Augen.

Es gibt in der Fotografie so ein paar Fotos, die es in die Top Hundred oder sogar Top Ten der bekanntesten Fotos geschafft haben.

Viele meinen, das bekannteste und einflussreichste Foto überhaupt sei das von Nick Ut, 1972, mit dem nackten verbrannten Mädchen Phan Thi Kim Phuc im Vietnamkrieg.

Jeder kennt das Schwarzweißfoto aus den Dreißiger Jahren, mit den Arbeitern, die dreckig auf einem Stahlträger zum Frückstücken sitzen, und das in schwindelerregender Wolkenkratzer-Höhe über Manhattan. Gibt’s in jedem Möbelhaus als Druck zu kaufen.

Marilyn Monroe im weißen Kleid über dem Lüftungsauslass.

Tank Man. Der Mann, der sich 1989 in China vor dem Platz des himmlischen Friedens allein vor die Panzer stellte.

Neil Armstrong auf dem Mond.

Der Matrose, der 1945 am Times Square die wildfremde Krankenschwester küsst. (Heute käme er dafür in den Knast und sie zu Oprah Winfrey.)

Der jüdische Junge mit erhobenen Händen im Warschauer Getto.

Che Guevara.

Der DDR-Grenzsoldat, der beim Mauerbau über den Stacheldraht springt und das Gewehr wegwirft.

Die amerikanischen Soldaten, die die Flagge auf Iwo Shima in den Boden stecken.

Eines dieser Fotos ist Afghan Girl, 1984, Steve McCurry.

Eines der wenigen Fotos, die es wegen ihrers fotografischen und weniger wegen des politischen, kulturellen oder zeitgeschichtlichen Inhaltes geschafft haben.

Titelbild des damaligen National Geographic.

Warum eigentlich?

Es waren die Augen. Die Farben. Der Bildaufbau. Das Gesicht. Das Foto, das einen fasst.

Irgendwann haben sie mal herausgefunden, wer sie eigentlich ist. Inzwischen Frau, vom Land zermattet, das Feuer der Augen längst erloschen. Sie wusste gar nicht, dass ihr Portrait eines der bekanntesten Bilder der Welt überhaupt geworden ist.

Ich war 2016 auf einer Fotoausstellung, auf der auch Fotos von Steve McCurry hingen. Und wieder bemerkt, was ich bei so vielen Profifotografen bemerkt habe: Die Fotografieren nicht einfach nur viel besser (manache auch gar nicht besser), sondern vor allem viel. Viel mehr. Der hat eine ganze Sammlung von Kinderportraits, alle dort gemacht, alle sehr ähnlich, alle nach demselben Muster, alle (zumindest die ausgestellten) gut, aber nur eines davon war dieser Knaller. Bei einem hat es genau gepasst, der Bildaufbau, die Haltung, der Schnitt, die Farben, die Augen, der Blick.

Ich selbst fände es jetzt gar nicht mal so ganz besonders herausragend, schon sehr gut, aber jetzt nichts für die Top-Liste der Fotos des 20. Jahrhunderts, aber man kann halt auch nicht bestreiten, dass es diese Wirkung hatte, dass es einfach sehr bekannt wurde.

Was vielleicht auch damit zusammenhängt, dass es den Übergang zwischen der Fotografie der Siebziger und der Neunziger Jahre markiert. In den Neunziger Jahren waren die Magazine Hochglanzmagazine mit endgeilen Topfotos und knallenden Farben. In den siebzigern war vieles sehr dröge, platt, langweilig. Schaut Euch mal Modemagazine, Schöner Wohnen, Playboy, Fotozeitschriften, Kaufhauskataloge aus den Siebzigern an. Schrecklich platt, dokumentarisches Ablichten. Auch der Technik geschuldet. In den Neunzigern hat die Fotografie richtig gebrüllt. Technisch gut, technisch beherrscht, professionell optimiert, aber noch nicht Massenmarkt und überlaufen. Digitalfotografie noch gar nicht oder in den Kinderschuhen, aber die chemische Fotografie eigentlich am Ende ihrer Entwicklung angekommen. Farbfotografie mit endgeilen Farben und nicht dem alten Kino-Look.

Dieses Foto war wohl deshalb so erfolgreich, weil es diesen neuen Stil zeigte, der damals eben noch relativ neu war. Fotografie, die nicht nur dokumentiert, sondern etwas darstellt.

Wie komme ich jetzt da drauf?

Die Australier berichten, dass sie unter Leuten war, die bei der Machtübernahme der Taliban evakuiert wurden, und inzwischen von Italien aufgenommen wurde: