Ansichten eines Informatikers

Das ganz große Schneeballsystem

Hadmut
9.11.2021 18:12

Noch eine wundersame Geldvermehrung.

[Anmerkung/Korrektur]

t3n schreibt, dass 4% der US-Amerikaner ihren Job gekündigt hätten – wegen Kryptogewinnen.

Beim Bitcoin etwa hätte eine Investition von 40 Dollar im Jahr 2010 ausgereicht, um – nach heutigem Stand des Kurses – zehnfache:r Millionär:in zu werden. Die Kehrseite: Einige Altcoins haben noch immer nicht ihre Höchststände von 2017 erreicht – da sind Verluste vorprogrammiert. Viele dürften sich zudem geärgert haben, ihre Kryptobestände zu früh verkauft zu haben.

Aber zurück zur Studie: In dieser hat Civicscience in den USA gefragt, ob man seinen Job irgendwann im Laufe dieses Jahres gekündigt habe, weil man durch Gewinne aus Investitionen in Kryptowährungen finanzielle Freiheit erlangt habe. Diese Frage bejahen vier Prozent der Befragten. Weitere sieben Prozent erklären, dass sie jemanden kennen würden, der dies getan hat. Die Zahlen beziehen sich auf knapp 7.000 Antworten, die Ende Oktober von US-Amerikaner:innen getätigt wurden, die älter als 18 Jahre waren.

Nicht, dass ich ihnen das nicht gönnen würde, aber: Vorher haben sie etwas gearbeitet. Bitcoins dagegen produzieren einfach gar nichts, sondern brauchen im Gegenteil sehr viel Strom, und sorgen nur dafür, dass Geld den Besitzer wechselt. Es gibt keinen Mehrwert, und jeder Dollar, den jemand verdient, verliert jemand anderes.

Bitcoin ist ein riesiges Schneeballsystem, auch wenn das vielleicht nicht von vornherein als solches geplant und dem Erfinder vielleicht selbst nicht klar war. Aber das Prinzip ist dasselbe: Wer früh eingestiegen ist, bekommt Geld, und zwar von dem, das andere später einzahlen. Das bildet eine Kaskade, und wenn hinten nicht mehr genug Leute einzahlen, platzt es, und die letzten, die gezahlt haben, sind die Gebissenen.

Und vier Prozent der Amerikaner ist für sowas schon eine ziemliche Durchdringung. Da ist nicht mehr viel Luft nach oben. Das kann nicht weitergehen, weil irgendwann die Zahl der Leute, die einzahlen, und die Menge des Geldes, das eingezahlt wird, am Ende sind. Denn wer damit schon verdient hat, wird seinen Gewinn mitnehmen und nicht wieder einzahlen wollen, vor allem, wenn er ihn zum Leben braucht.

Beachtlich ist aber auch, dass da nur wenige Leute dabei sind, die gut verdienen. Die meisten Leute, die ihren Job geschmissen haben, haben mit Bitcoins weniger als 50k erzielt. Und sowas hält nicht lange. Erstaunlich auch, für wie wenig Geld die Leute ihren Job kündigen.

Das deutet auf erhebliche gesellschaftliche Verwerfungen und Risiken hin. Normalerweise wären 4% der Bevölkerung schon eine problematische Arbeitslosenquote.

Anmerkung: Ein Leser meint, ich hätte das falsch verstanden. Die Leute hätten nicht mit Bitcoins weniger als 50k verdient, sondern im Job, den sie gekündigt haben. Ich habe in der Tat den Tweet von Mark Cuban, der da wiedergegeben ist, anders verstanden:

Wow 4% of people in the USA have quit their jobs because of Crypto gains, and the vast majority made under 50k. Now we know why so many people quit low paying jobs.

Mir ist schon bekannt, dass die Formulierung „make Betrag“ sich normalerweise auf das Gehalt bezieht, ich habe den Tweet aber so verstanden, dass sich die Formulierung auf die Crypto gains bezog und nicht das Gehalt bezog.

Mir leuchtete nämlich trotz der enormen Steigerungen bei Bitcoins nicht ein, wo 4% der Bevölkerung, die noch dazu unter 50k verdienen, das Risikogeld herhaben wollen, um durch den Kryptoboom noch genug Geld zu verdienen, um hinschnmeißen zu können. Das erschien mir nicht plausibel, weshalb ich die Formulierung auf Crypto gains bezogen hatte.