Ansichten eines Informatikers

Die Stellungnahme des Bayerischen Rundfunks zur Journalistengewalt in Würzburg

Hadmut
29.6.2021 16:03

Beachtliche Antwort vom Bayerischen Rundfunk.

Ich hatte doch diesen Vorgang betrachtet, als da einer bei einer Live-Übertragung aus Würzburg in die Kamera rief „Wir haben Angst!“ und dann von zwei Männern ruppig angegriffen und bedrängt wurde.

Ich finde es eine überaus beachtliche Frage, ob die das überhaupt durften.

Sicherlich kann man davon ausgehen, dass sowohl die Presse-, wie auch die Rundfunkfreiheit sowohl das Recht umfassen, dort zu drehen, aufzunehmen, zu filmen, als auch, die Sendung oder den Bericht selbst zu gestalten. Keine Frage.

Nur: Nur die allerwenigsten Rechte kann man im deutschen Recht selbst mit Gewalt durchsetzen. Wir haben hier nämlich das Gewaltmonopol des Staates.

Umgangssprachlich redet man beispielsweise bei der Wohnung gerne vom Faustrecht, was aber begrifflich falsch ist.

Faustrecht bezeichnet eigentlich die Abwesenheit eines Rechts, bei dem jeder das, was er für sein Recht hält, einfach selbst durchsetzt, also das „Recht des Stärkeren“. Stammt eigentlich begrifflich aus dem 16. Jahrhundert, findet in Deutschland aber gerade seine Renaissance durch staatsverweigernde Linke und Import von Leuten aus Faustrechtartigen Ländern (eher Messer und Knarren als Fäuste).

Tatsächlich fallen solche Rechte wie das, sich selbst gegen Angriffe zu verteidigen oder jemanden aus seiner Wohnung zu werfen unter die notstands- oder notwehrfähigen Rechte, bei denen man nicht auf die Polizei warten muss, sondern selbst zulangen kann (ohen sich strafbar zu machen, denn in den §§ 32 und 34 StGB sind die als Ausnahmen von der Strafbarkeit festgelegt, sowie im BGB als Verfügungsrecht des Eigentümers (etwa eines Hauses), ich hatte dazu schön öfters was geschrieben, weil das gerade durch politische Organisationen wie die Piraten oder den CCC ziemlich missbraucht wird (hier , hier und hier), denn je politisch extremer jemand drauf ist, desto eher neigt er zu Gewalt und dann – besonders links – dies hinterher moralisch als sein Recht zu rechtfertigen, indem er sich irgendein Recht einfach ausdenkt oder aus typischem Laiengefasel zusammennagelt.

Eigentumsrecht wie eben Hausrecht kommen hier nicht in Betracht, weil es ja auf einer öffentlichen Straße war.

§ 32 Notwehr

(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

§ 34 Rechtfertigender Notstand

Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.

Da merkt man schon, dass das alles nicht so einfach ist und der Auslegung bedarf.

Notwehr kommt nur für einen Angriff „auf sich oder einen anderen“ in Betracht, woraus der Jurist liest, dass es sich um einen Angriff auf Menschen handeln muss. Die Abwehr einer Störung einer Sendung wäre zumindest damit nicht zu rechtfertigen, wenn nicht gleichzeitig auch Personen angegriffen werden.

§ 34 käme der Sache schon etwas näher. Freiheit, Ehre und Eigentum sind hier zwar auch nicht bedroht, aber man könnte die Rundfunkfreiheit als „ein anderes Rechtsgut“ betrachten. Ist immerhin ein Grundrecht. Ob die hier aber bedroht ist, sei dahingestellt, denn effektiv hat der Typ ja nicht berichtet, sondern nur gefaselt und den Hintergrund zur Verzierung gehabt. Gegenwärtig war das schon, die Polizei in einer Live-Sendung nicht mehr rechtzeitig zu rufen.

Ob das aber hier so „wesentlich überwiegt“?

Da also könnte man sich sehr darüber streiten.

Vor allem deshalb, weil sich der Rundfunk (Stichwort etwa Angriff auf das heute show team) ja auch immer gleich zutiefst verletzt gibt, wenn es einen Rempler gibt. Wieder mal eine Frage der Maßstäbe, ob sich beispielsweise auch jemand mit Gewalt gegen ein Fernsehteam wehren dürfte, wenn er seine Rechte beeinträchtigt sieht.

Wie auch immer, der Bayerische Rundfunk teilt mir auf meine Anfrage nach der Rechtsgrundlage mit:

Sehr geehrter Herr Danisch,

vielen Dank für Ihre Anfrage an die BR-Pressestelle, die wir Ihnen gerne wie folgt beantworten:

tageschau24 hat am 27.6. im Anschluss an die Live-Übertragung der Trauerfeier in Würzburg gegen 17:00 Uhr mit Alexander von Ammon (BR) in Würzburg ein Schaltgespräch geführt, das nach etwa einer Minute massiv und unvorhersehbar von einem Passanten gestört wurde. Der Mann drängte sich ins Bild und bedrängte unseren Reporter energisch. Da sich der Passant hautnah hinter Herrn von Ammon befand, fühlte dieser sich bedroht. Es ließ sich auch nicht abschätzen, ob der Störer einen gefährlichen Gegenstand oder gar eine Waffe bei sich hatte. Ein Mitarbeiter des Kamerateams sowie ein weiterer anwesender Mann drängten den Störer wieder aus dem Bild. Die ebenfalls anwesende Polizei bekam die Situation schnell in den Griff, und erklärte, dass der Mann polizeilich bekannt war.

In der ARD-Mediathek ist tagesschau24 durchgehend im Livestream zu sehen – darüber hinaus werden am Wochenende laut dem für tagesschau24 zuständigen NDR keine weiteren Inhalte des Senders in die ARD-Mediathek eingestellt.

Mit freundlichen Grüßen,

Ich bin mir nicht sicher, was ich davon halten soll.

Ich hatte gerade zur Frage eines Leser, ob ich im Fußballstadion in der Situation der Polizei auf den Greenpeace-Deppen geschossen hätte, geschrieben (und sowas schon öfter), dass man solche Situation nicht im Nachhinein und in der Ruhe vom Sofa aus beurteilen kann, sondern die Leute vor Ort in Sekundenbruchteilen entscheiden und handeln mussten.

Ein Problem dabei ist, dass wir das aus dem Blickwinkel der Kamera, also von vorne sehen, das von der Seite, aus Richtung der beiden Männer, die da eingegriffen haben, aber anders ausgesehen haben könnte.

Dass man in der Situation befürchten könnte, dass der da eine Waffe hat und vielleicht sogar darauf aus ist, quasi aus Protest und im Anschluss an die erstochenen Menschen in einer Live-Sendung den Reporter vor der Kamera zu erstechen, wäre nicht völlig von der Hand zu weisen. Den Eindruck habe ich zwar nicht, wenn ich das in Ruhe vom Sofa aus betrachte, ich kann aber nicht unbedingt in Abrede stellen, dass die das vor Ort im Augenblick befürchtet haben könnten, zumal nach einem solchen Mordanschlag die Nervosität hoch ist und Dinge anders bewertet werden. Ich hatte ja im Artikel zum Greenpeace-Deppen beschrieben, dass in einer Situation, in die ich mal geraten war, etwas auch anders beurteilt wurde, weil es vorher in Nachbarkasernen zu Überfällen gekommen war. Wenn man als Fernsehteam über Messerstechereien berichtet, ist es schon neurologisch naheliegend, dass man im Falle eines solchen Vorgangs an ein mögliches Messerattentat als Nachahmungstat denkt.

Aber: Die Reaktion passt nicht dazu. Wenn man befürchtet, dass einer ein Messer in der Tasche hat und zusticht, dann würde man ihn wohl kaum so angehen wie die da. Die Art und Weise des Angriffs wirkt auf mich, als hätten die beiden Männer sich für die Stärkeren und Überlegenen gehalten und überhaupt nicht die Gefahr eines Messerangriffs bedacht.

Ich kann nicht von der Hand weisen, dass man beim Berichten über Messermorde in komischen Situationen an sowas denkt, für mich sehen die aber nicht so aus, als hätten sie das getan.

Im Gegenteil müsste man doch gerade dann, wenn man fürchtet, dass einer eine Waffe hat und sie einsetzt, darauf verzichten, ihn durch so plumpe Rempeleien und Angriffe selbst in eine gefühlte Notwehrsituation und zum Einsatz der Waffe zu bringen, zumal der ja nachher wieder durchs Bild läuft.

Also unglaubwürdig.

Bei mir hinterlässt das so ein Geschmäckle, als ob die von den Fernsehteams (und deren rabiates Auftreten und deren Einbildung, dass sie etwas Besseres seien, hatte ich ja schon über die Konferenzen im NDR und gegenüber dem Landtag in Sachsen beschrieben) glauben, die Straße gehörte ihnen, wenn sie kämen.

Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk hat da keine Sonderrechte.

Die Prüffrage ist da für mich immer:

Was wäre, wenn ich da als Blogger oder Youtuber mit einer Kamera stände. Verfassungsrechtlich hätte ich dieselben Rechte (oder als Presse noch mehr) als der Bayerische Rundfunk.

Wenn mir jetzt einer in die Kamera plärrte, dürfte ich den dann mit Gewalt zur Seite schieben?

Ich glaube nicht. Denn im Fotorecht habe ich zwar Panoramafreiheit, aber keinen Anspruch darauf, dass andere Leute das Bild frei machen, aus dem Weg gehen, ruhig sind. Ich kann sie darum bitten, es aber nicht gewaltsam durchsetzen.

Und genau das Gefühl habe ich bei dieser Antwort des Bayerischen Rundfunks.

Ich habe den Eindruck, dass die da ihre Sendung handfest durchsetzen wollen (was zu einem Benehmen passt, was mir über WDR-Teams schon berichtet wurde), aber wissen, dass sie das nicht dürfen, und deshalb über die Notwehr als körperlichen Angriff ersatzargumentieren.

Wenn aber der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk die Praxis hat, seine Sendungen auch mit Gewalt durchzusetzen, dann müsste er sich auch die Frage gefallen lassen, ob man seine Rechte gegebenenfalls gewaltsam gegen ein Fernsehteam durchsetzen dürfte, das diese (gefühlt oder objektiv) verletzt. Man kommt da in ein gefährliches Fahrwasser.

Von der Gewaltfrage mal ganz abgesehen:

Ich halte es für journalistisch miserabel, wenn (wie ich über das ZDF geschrieben hatte) nur von solchen Bürgern in Würzburg berichtet wird, die sich politisch korrekt und zurückhaltend äußern.

In dieser Situation (und das schrieben mir auch viele Leser) wäre es durchaus in Betracht gekommen und politisch sogar wertvoll gewesen, den Mann einfach zu fragen, wovor er Angst hat. Denn hin oder her, weniger Bürger als irgendeine handzahme Omi, die in die Kamera sagt, dass sie für alle betet, ist der auch nicht.

Ich muss nochmal drüber nachdenken. Aber mir ist so, als würde ich den Vorgang für den BR letzten Endes negativ bewerten.

Juristisch halte ich das für sehr wichtig. Nämlich der Frage wegen, warum der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk da mehr Rechte haben sollte als ich. Was wäre beispielsweise, wenn ich einen Kameramann oder Reporter des BR mit Gewalt wegschiebe, weil er mir gerade im Bild steht oder er meine Aufnahme stört?