Ansichten eines Informatikers

Wegglobalisiert – Wegrationalisiert – Wegdigitalisiert

Hadmut
24.9.2017 17:08

Über den Ausverkauf des menschengemachten Journalismus.

Ein Leser wies mich auf diesen Artikel bei Russia Today hin, der aus mehreren Quellen zusammengestückelt erscheint, in Teilen etwa mit diesem übereinstimmt.

Es geht darum, dass der Journalismus-Roboter der Washington Post „im vergangenen Jahr“ (ich bin mir nicht ganz sicher, welcher Zeitraum genau damit gemeint ist, Kalender- oder Zeitjahr, denn im englischen Artikel heißt es „first year“ und bezieht sich auch auf Olympische Sommerspiele in Rio) 850 Artikel von KI-System „Heliograf“ erstellen lassen.

In its first year, the Post has produced around 850 articles using Heliograf. That included 500 articles around the election that generated more than 500,000 clicks — not a ton in the scheme of things, but most of these were stories the Post wasn’t going to dedicate staff to anyway. For the 2012 election, for example, the Post did just 15 percent of what it generated in 2016.

Das finde ich einen Brüller, weil man darin einen heftigen Ansatzpunkt findet: KI-Systeme muss man trainieren, und wenn man direkt Anzahlen von Klicks oder Werbeeinnahmen als unmittelbare quantitative Größe hat, dann kann man unmittelbar das System darauf trainieren, den optimalen „Click Bait“ zu produzieren.

Das ist nämlich der Punkt: Wenn sich Journalismus darauf reduziert, Leser zum Klicken zu animieren, dann können Systeme das mit der Zeit lernen und vielleicht nicht besser, aber deutlich schneller und billiger erzeugen. Der Journalismus hat sich selbst zu etwas gemacht, was die IT leicht übernehmen kann. Klassisches Eigentor.

Es ist aber auch gefährlich. Denn dann wird geschrieben, was geklickt wird. Das tun sie ja auch jetzt schon, aber dann eben noch viel effizienter und direkter. Medien werde noch viel mainstreamiger als bisher, werden unmittelbar zur „Echokammer“, weil die Leute natürlich vor allem das anklicken, was sie bestätigt.

Das wird aber noch interessanter, wenn die Systeme vernetzt sind. Dann nämlich könnte es zu ähnlichen Effekten wie am automatischen Börsenhandel kommen: Plötzlich explodieren Kurse oder stürzen ab, und keiner weiß warum, weil die Systeme ihre eigene Dynamik entwickeln und sich gegenseitig hochschaukeln. Es könnte also sein, dass irgendein Thema hochgedonnert wird, weil es selbstverstärkende Effekte gibt, ebenso aber etwas in der Bewertung abstürzt.

Das tun sie zwar im Prinzip auch heute mit Menschen schon, aber eben nicht in dieser algorithmischen Konsequenz, nicht in dieser Geschwindigkeit und nicht in beliebig rauf- und runterzudrehenden Quantität.