Ansichten eines Informatikers

Tatüüü Tataaa!

Hadmut
26.11.2012 21:46

Psychologische Aspekte von Blaulicht und Martinshorn.

Erzählte mir neulich einer von der Feuerwehr, als ich beim Tag der offenen Tür bei denen war:

Klappern gehört zum Handwerk, martialisches Auftreten gehört zur Feuerwehr. Sie achten darauf, dass sie möglichst alle zusammen und immer schön mit Uniform, Helm und Gerümpel ankommen, und gleich den dicken Molli beim Auftritt machen. Deshalb schalten sie auch deshalb auf dem letzten Stück Fahrt alle Martinshörner an selbst wenn sie sie gar nicht (mehr) brauchen, damit man schon Minuten vorher, möglichst früh hört, dass die jetzt kommen.

Der Grund sei, dass man herausgefunden hat, dass signifikant mehr Leute überleben, wenn man frühzeitig hört, dass jetzt Hilfe kommt und die möglichst dick auftreten, um das Gefühl zu verstärken, dass jetzt die professionelle Hilfe da ist, mit Blaulicht, Helm und all dem drumherum.

Der Feuerwehrmann, der mir das erzählte, sagte auch, dass er selbst mal einen heftigeren Motorradunfall in Italien hatte und dort auch schwer verletzt herumlag. Auch da kamen Notarzt und Krankenwagen. Und obwohl die sich hochprofessionell verhalten und alles richtig und nach dem Stand des Wissens gemacht haben, hatte er die ganze Zeit das Gefühl, dass da nur ein paar Laien da wären und er nicht gerettet würde und jetzt den Löffel abgeben müsste. Weil die Fahrzeuge nicht nach Notarzt, sondern ganz normal aussahen und die ganz gewöhnliche Allerweltsklamotten anhatten. So gut die Hilfe war, sie sah nicht nach Hilfe aus und hat sich nicht so angehört. Deshalb würde gerade er ganz besonders drauf achten, dass es da richtig rumpelt und donnert, wenn sie zu einem Unfall oder irgendwas mit Verletzten kommen, und sie da auch gleich mit den dicken Wagen auffahren.

Ein weiterer Grund sei die Wirkung auf Schaulustige und Leute, die im Wege stehen. Kommt die Feuerwehr mit normalem Tempo und ohne Krach, oder vielleicht ohne Helm oder dicken Kittel, können sie sich gegen die heutigen Sozialidioten kaum noch durchsetzen. Kommen die aber mit dem vollen Programm, sind sie viel durchsetzungsfähiger und haben viel mehr Autorität. Als sie sich mal gar nicht auf normalem Weg gegen aufdringliche Schaulustige durchsetzen konnten, die nicht aus dem Weg gehen wollten, hat es gewirkt, dass sie da mit Atemschutzmaske rumgelaufen sind, nur um das Volk zu beeindrucken.

Erinnert mich an einen Vorgang, der mir mal passiert ist. Ich war damals bei der Bundeswehr u.a. Kompanietrupp und Cheffahrer. Mit so einem ganz kleinen Geländewagen (Iltis, für Insider). Als wir mit der ganzen Bataillons-Kolonne da in Koblenz auf die Autobahn auffahren wollten, sollten eigentlich die Feldjäger den Streifen mit Blaulicht gesperrt haben, damit die vielen LKW hintereinander und lückenlos auffahren können. Aus irgendeinem Grund waren sie aber nicht da. Also gaben die mir damals den Befehl, ich soll die Autobahn sperren. Egal wie. Mach mal. Aber mach gleich.

Habt Ihr mal versucht, eine Autobahn zu sperren?

Ich hab mich mit meinem Iltis da auf den Standstreifen gestellt und diese kleine rote Kelle genommen, die in jedem BW-Fahrzeug war. Und versucht, damit den Verkehr anzuhalten. Die haben mir nur den Vogel gezeigt und mich fast überfahren, gebremst hat keiner. Keine Chance. Also bin ich wieder zurück zum Auto und hab das Gewehr rausgeholt und in den Anschlag genommen (G3, leer, kein Magazin drin, Munition sowieso nicht, macht aber optisch was her). Also stell ich mich mitsamt dem umgehängten Gewehr da hin, hebe kurz die Kelle – und auf allen drei Spuren blieben die sofort ganz brav stehen. Als ob ich da auf der Autobahn rumballern würde. Einfach nur, weil das dann viel ernsthafter aussah.

9 Kommentare (RSS-Feed)

slowtiger
27.11.2012 21:47
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In den Nachrichten gestern zum Brand in Titisee-Neustadt hieß es mehrfach, die Sirenen hätten die Bewohner (gemeint waren wohl die Behinderten) erst recht in Panik versetzt. Psychologie wirkt also nicht auf alle gleich.


Kai
28.11.2012 20:43
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Es geht eben nicht darum ob man den Verkehr anhalten darf, könnte ich ja auch mal machen wenn wir Kolonne spielen wollen, sondern darum dass die anderen Angst um ihr Leben haben. Nicht ernsthafter, bedrohlicher hast du ausgesehen. Jeder der einen auf der Autobahn überfährt kommt damit durch, weil Fussgänger haben auf der Autobahn nichts zu suchen. Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr nennt man sowas. Nicht bemerkt? Bist doch sonst so gesetzesgeil.

Die Polizei macht das auch wie die Feuerwehr, damit sich die verprügelten Demonstranten gleich in die Hosen machen und sich beim nächsten Mal überlegen zur Demo zu gehen.

Gibt noch einen psychologischen Aspekt. Die Opfer von Polizeigewalt bekommen jedesmal Angstzustände, wenn sie ein Martinshorn hören, posttraumtischer Stress.


Hadmut
28.11.2012 20:56
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Nein, war nicht eigenmächtig.

Die Kolonne war angekündigt und genehmigt, dazu bestanden Sonderrechte und die Feldjäger waren dazu ja auch ermächtigt, obwohl sie normalerweise nicht in den Straßenverkehr eingreifen dürfen. Ein Bataillon fährt nicht einfach mal so zum Spaß in der Gegend rum. Eine Verlegung für eine Woche auf einen Truppenübungsplatz ist eine lange vorausgeplante Angelegenheit.

Davon abgesehen hat die Bundeswehr – im Gegensatz zu Dir – einen hoheitlichen Auftrag und in Ausübung dessen auch Sonderrechte. Lernt man extra alles in der Bundeswehrfahrschule, wo ich vorher meinen LKW-Führerschein gemacht habe und deshalb Bescheid wusste. Deshalb darf die Bundeswehr beispielsweise auch bei Hochwasserhilfseinsätzen usw. Straßenverkehrsrecht übertreten, auch wenn sie kein Blaulicht obendrauf haben.

Deshalb müssen die Kolonnen übrigens auch gekennzeichnet sein und die Fahrzeuge dürfen nicht aus der Kolonne oder Spur ausscheren, was sie ja dürften, wenn sie alleine unterwegs wären. Eine Kolonnenfahrt ist eine zulässige Sondernutzung der Autobahn, keine normale Fahrt. Deshalb müssen Kolonnen auch bestimmte auferlegte Regeln einhalten, wie etwa die vorgegebene Uhrzeit usw.

Und daraus erwächst auch das Recht, die zugewiesene Fahrspur in Anspruch zu nehmen und dazu die Autobahn für die Auffahrt zu sperren. Auch wenn ich eigentlich nur die rechte Fahrspur sperren sollte und wollte, sind die halt alle stehengeblieben, bis die gemerkt haben, worum es geht.


Fabian
28.11.2012 21:57
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Also was der Kollege dort erzählt hat ist jedenfalls für mich nicht der Grund warum ich Blaulicht und Martinshorn anmache. Wenn ich als Maschinist auf einer Einsatzfahrt zu den Sonderrechten auch Wegerechte in Anspruch nehme, dann muss ich beides anmachen, weil das eben das von der StVO dazu vorgesehene Zeichen ist (§38). Nicht mehr, nicht weniger.

Im Übrigen “Uniform, Helm und Gerümpel”, im Feuerwehrjargon PSA, persönliche Schutzausrüstung, nimmt man nicht mit um irgendwelche Zuschauer zu beeindrucken, sondern eben zum Selbstschutz (und wenn was passiert und die PSA nicht stimmt, dann werden die Gemeindeunfallkassen ziemlich schnell sehr knauserig). Also solche laienpsychologische Umdeutungen von absolutem Standardvorgehen würde ich mit Vorsicht genießen.

Übrigens: wie immer man auch auf Blaulicht und Martinshorn reagiert: aus Panik eine unvermittelte Vollbremsung mitten auf der Fahrbahn hinlegen ist falsch, denn das zwingt das Einsatzfahrzeug (i.A. >7,5t und mit Wassertank, was sich auf die Fahreigenschaften auswirkt) meist ebenfalls zum abrupt bremsen, und das ist unschön, insbesondere für die Leute in der Mannschaftskabine.


kontrollierter abbrand
28.11.2012 22:28
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Müssen eigentlich so Rettungskräfte wie Feuerwehr, Sanitäter immer in den Klamotten rumrennen. Mir fällt das immer auf wenn die bei 30°C Schwüle Trivialitäten erledigen (Wasser in einem Strassenventil aufdrehen, Sandsäcke verlegen, Keller auspumpen) wo diese Plastikklamotten nur stören.

Ist das Pflicht (Versicheurng) immer mit der vollen Montur rumzurennen oder hat das auch ‘psychologische Gründe?

Ich würde in diesem Schlauchbootmaterial verrecken.


yasar
29.11.2012 8:33
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> Schlauchbootmaterial

Soweit ich weiß, ist das Zeug nicht einfach Plastik, sondern spezielles Material für entsprechende Einsätze. Und das muß auch gewisse thermische Eigenschaften haben, da die Träger damit sowohl bei Minustemperaturen, als auch bei backofentemperaturen unterwegs sind. Ist laut eingien bekannten bei der feuerwehr zwar nichts, womit man den ganzen Tag rumrennen will, aber doch was ganz anderes als der “Friesennerz”.

Übrigens kann auch beim “Wasserhahnaufdrehen” genügend danebengehen, so daß man mit Schutzkleidung nicht unbedingt falsch ist. Zumindest bekommt man dazu ab und zu Geschichten von den Kollegen bei der Feuerwehr erzählt, wenn man als DRKler gemeinsam mit denen Übungen durchführt. Wieviel davon allerdings UL und wieviel echt ist, ist nicht immer einfach zu beurteilen.

> Kolonnenfahrt

Auch mit dem DRK kommt man manchmal in die Verlegenheit sowas machen zu müssen (Katastrophenschutzübung & Co.). Auch da gelten weitgehend die von Hadmut genannten Sonderregeln, auch wenn die iirc nicht ganz so weit gehen, wie bei hoheitlichen Organisationen wie Bundeswehr oder Polizei.


Mishi
29.11.2012 13:58
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“Übrigens: wie immer man auch auf Blaulicht und Martinshorn reagiert: aus Panik eine unvermittelte Vollbremsung mitten auf der Fahrbahn hinlegen ist falsch, denn das zwingt das Einsatzfahrzeug (i.A. >7,5t und mit Wassertank, was sich auf die Fahreigenschaften auswirkt) meist ebenfalls zum abrupt bremsen, und das ist unschön, insbesondere für die Leute in der Mannschaftskabine.”

Ein bissl Schmunzeln musste ich ja schon. Sollte ja eigentlich Teil der Fahrschule sein, geht aber ihrgendwie wohl in 99% der Fälle vergessen -.- Die 5 Minuten der kostbaren Unterrichtszeit hätten mir und den Kollegen schon einigen Stress erspart. Und den anderen Verkehrsteilnehmern wohl auch.


energist
29.11.2012 14:09
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> Ist das Pflicht (Versicheurng) immer mit der vollen Montur
> rumzurennen oder hat das auch ‘psychologische Gründe?

Das kommt wie immer darauf an.

Oft ist bei der Alarmierung die tatsächliche Lage vor Ort sehr unklar. Das fängt damit an, daß der Anrufer in der Leitstelle selbst nicht ganz genau weiß, was los ist und geht damit weiter, daß die verschiedenen Gruppen zu sogenannten Alarmierungsstichworten zusammengefaßt werden, wobei im Zweifel das höherstufige gewählt wird.

Das alles führt dazu, daß meist ziemlich unabhängig vom Problem vor Ort eine Routine abläuft, die dazu führt, daß man auf alles vorbereitet an der Einsatzstelle auftaucht: alle Feuerwehrleute tragen HuPF-Klamotten (-> Wikipedia), mindestens der Angriffstrupp hat Atemschutz angelegt, um im Notfall schnell Menschen rausholen zu können. Daß das bei einem Schwelbran in einer Papiertonne etwas Overkill ist, ist klar – hier gilt halt „lieber zehnmal zu viel als einmal zu wenig“. Vor Ort wechselt man dann allerhöchstens mal die Handschuhe (feuerfest gegen schnittfest, bspw. bei Verkehrsunfällen) oder für die Kettensäge in Schnittschutzhose.

Das Tragegefühl des Feuerwehrklamotten ist übrigens wirklich nciht schlecht – insbesondere weil sich an der Einsatzstelle oft „Action“ und „langes Rumstehen“ abwechseln. Abgesehen davon dürfte der Hauptgrund dafür, daß auch beim „Wasseraufdrehen“ im Sommer alles anbehalten wird, sein, daß man jeden einzelnen Reflexstreifen behalten möchte. Die Gefahr, von eiligen Autofahrern umgemäht zu werden, ist die präsenteste unter allen auf die man als FWler so trifft.

Die Versicherungen sind da nämlich – entgegen der urban legend – wenig restriktiv, siehe [1]. Überhaupt ist JEDER, der irgendwo im Notfall hilft, über die gesetzliche Unfallkasse umfassend versichert.

[1] http://www.feuerwehr.de/magazin/2009/09/mythbusters.php


Michl
29.11.2012 17:48
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“Ein Bataillon fährt nicht einfach mal so zum Spaß in der Gegend rum”

Also das würde ich grundsätzlich bestreiten. Weil das würde ja bedeuten dass es Sinn macht was die da treiben.

“einen hoheitlichen Auftrag und in Ausübung dessen auch Sonderrechte.”

Vor allem hat sie ein Verbot im Inland aktiv zu sein, ausser zur Katastrophenhilfe und bei Gefährung des Bestand des Staates glaube ich. Eine Katastrophensituation war das aber wohl nicht, die du beschrieben hattest, oder?

“denn das zwingt das Einsatzfahrzeug (i.A. >7,5t und mit Wassertank, was sich auf die Fahreigenschaften auswirkt) meist ebenfalls zum abrupt bremsen”

Also nachdem was mir ein Feuerwehrmann erzählt hat ist die Schwierigkeit eher, dem Verkehr hinterher zu kommen. Die fahren mit Blaulich und Martinshorn auf der Autobahn zum Einsatz und könnten sich das auch sparen, weil sie zu langsam sind und von allen anderen überholt werden.

“Müssen eigentlich so Rettungskräfte wie Feuerwehr, Sanitäter immer in den Klamotten rumrennen.”

Stimmt, extrem lächerlich wenn man einen Helm trägt, sobald man das schützende Feuerwehrgebäude verlässt. Sind halt auch Beamte, was erwarten wir denn?

“Übrigens kann auch beim “Wasserhahnaufdrehen” genügend danebengehen”

Dann kann es ja nicht mehr lange dauern bis wir nicht nur gezwungen werden Autogurte anzulegen und Motrradhelme aufzusetzen sondern auch beim Händewaschen Helm, Schutzbrille und schnittfeste Kleidung zu tragen. Willkommen in Absurdistan. Wenn ein Feuerwehrmann zu blöd ist ein Standrohr zu installieren, ohne dass es ihm um die Ohren fliegt, die vom Wasserwerk können das im Blaumann, dann hat er es nicht besser verdient.