Ansichten eines Informatikers

Die Lichtfeldkamera ist da

Hadmut
20.10.2011 10:43

Revolution oder Rohrkrepierer?

Die schon seit Monaten angekündigte Lichtfeldkamera Lytro, die es bisher nicht selbst, sondern nur deren Beispielbilder zu sehen gab, ist nun als Produkt angekündigt worden und soll demnächst im Handel erscheinen. Was soll man davon halten?

Was ist überhaupt eine „Lichtfeldkamera”?

Eine Lichtfeldkamera nimmt nicht nur – wie eine normale Digitalkamera – auf, wieviel Licht auf ein Pixel fällt, sondern auch aus welcher Richtung. Vor dem Sensor befinden sich Mikrolinsen, die jeweils einige der Pixel zusammenfassen und damit im Prinzip ein Array aus vielen kleinen Einzelkameras bilden.

Was kann man damit machen?

Man kann Fotos aufnehmen, bei denen die Tiefeninformation mittels des Auftreffwinkels der Lichtstrahlen erfasst wird. Also das, was bei einer normalen Kamera dazu führt, daß etwas im Bild als scharf oder unscharf abgebildet wird, wird hier als separate Information erfasst, was es erlaubt, den Schärfepunkt eines Bildes nachträglich festzulegen. Man kann aus den aufgenommenen Daten errechnen, wie das Bild ausgesehen hätte, wenn die Kamera auf diese oder jene Entfernung scharf gestellt worden wäre. Man kann sich dazu mal die Beispielbilder bei Lytro ansehen, bei denen man irgendwo ins Bild klicken kann und das Bild dann dort scharf wird.

Erstaunlicherweise ist die Kamera auch deutlich billiger als ich (vom Preis und der Qualität her) erwartet hätte.

Was mich nur an der Vorberichterstattung und den bisherigen Pressemeldungen nervte war, daß sie nie dazugesagt haben, welche Auflösung das Ding eigentlich hat. In Foren habe ich mal eine Bemerkung gelesen, wonach das Ding keine höhere Auflösung als kleine Webseitenbildchen zustandebringt. Was für das interaktive Gefühl ja angemessen ist, wenn man mit der Maus drin herumklicken will. Aber ernsthaft fotografieren, dann in der Nachbearbeitung die Schärfe festlegen und dann ausdrucken, das ist mit der Kamera wohl nicht möglich. Sie schreiben nun, daß das Ding „11 Megarays” aufnehme, aber zu den erzeugten Bildern heißt es nur „HD-Quality”. Und das ist im Zweifel nicht viel.

Zumal ich auch das quaderförmige Gehäuse affig finde. Manchmal geht das „form follows function” eben auch in die Hose. Soweit auf den Bilder und Videos bisher zu sehen ist, hat das Ding kein Stativgewinde. Eine Kamera ohne Stativgewinde. Und nur so einen Gummiauslöser.

Das Ding kommt in seiner Bauweise und Auflösung (noch) als Spielzeug daher.

Gut, muß man jetzt sagen, die ersten Digitalkameras hatten auch eine Anmutung wie Spielzeug. Und haben sich innerhalb weniger Jahre prächtig entwickelt. Könnte hier auch passieren.

Warten wir’s ab.

Ob die Klicke-Bildchen auf Webseiten wirklich ein Brüller werden oder sich nach dem ersten Aha-Effekt schnell abnutzen – bin ich mir nicht sicher. Ich hab durchaus den Verdacht, daß sowas schnell ermüdet und langweilig werden kann.

7 Kommentare (RSS-Feed)

yasar
20.10.2011 12:51
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Ich würde sagen, der erste Schritt zur HoloCam. .-)


Christian
20.10.2011 14:06
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Ich habe vor Jahren ein Paper einer amerikanischen Hochschule dazu gesehen und war natürlich erstmal beeindruckt. Ehrlich gesagt habe ich auf diesen Moment gewartet, wo so eine Kamera kommerziell verfügbar wird. Naja, ich hab den Moment wohl verschlafen, wenn sie schon seit Monaten angekündigt wird.

Ich denke aber das Ding wird die Revolution vorantreiben, deren Beginn du schon vor kurzem hier erkannt hast: Die künstlerische Arbeit verschiebt sich immer mehr in die Nachbearbeitung als in die Einstellung der Kamera.

Stell dir mal in ein paar Jahrzehnten lichtempfindliche und hochauflösende Lichtfeldkameras vor. Der Fotograf hält die Kamera nur noch aus der Hüfte grob ins Ziel und Bildausschnitt und Schärfeeinstellung wird nacher am Computer festgelegt.

Die LF-Kameras sind IMO nur ein Merkmal dieser Revolution, wohl ein bedeutendes, aber weder das erste, noch das einzige.


Stefan W.
20.10.2011 21:56
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Als Fotografielaie eine Frage: Kann man dann hinterher nicht das Bild 3x kopieren, an drei unterschiedlichen Stellen scharf stellen (Vordergrund, Mitte, Hintergrund) und mit cut’n’paste ein Bild erzeugen, welches überall scharf ist?

Oder will man das wahrscheinlich selten, weil es nicht mehr natürlich wirkt, weil man Stellen unscharf haben will?

Sonst könnte es die Kamera ja auch gleich selbst versuchen.


Hadmut
20.10.2011 22:03
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Jain.

Einfacher wäre es, es mit der Software gleich so rechnen, daß es überall scharf ist.

Noch einfacher und das fotografisch naheliegendste wäre, eine hundsgewöhnliche Digitalkamera mit Weitwinkel und kleiner Blende zu verwenden, dann hast Du auch alles scharf, aber mit höherer Auflösung. Also über große Schärfentiefe. Besser kann die Lichtfeldkamera das auch nicht machen, weil die letztlich ja auch nur normale Einzelbilder macht. Die ist erst dann sinnvoll, wenn man es wirklich nur selektiv scharf haben will.


Hanz Moser
20.10.2011 23:16
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Wenn man damit bei Makrofotografie irgendwann mal mehr Schärfentiefe ohne großartige andere Verluste hinbekommt wäre das eine feine Sache.

Lassen wir uns mal überraschen ob das Konzept bestand hat.


jokersteve
21.10.2011 13:03
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Erschwingliche Lichtfeldkameras mit hoher Auflösung wären für die Mikroskopie sehr interessant … mal sehen was sich im Forschungssektor da tun wird.

Immerhin hat(te) der dämliche Pixel-Wahn jetzt eine positive Auswirkung.


Paul
22.10.2011 2:22
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Wäre die Technik denn theoretisch auf Videoaufnahmen übertragbar?
Das würde dann das in meinen Augen größte Problem der derzeitigen 3d-Technik lösen, nämlich, dass man derzeit den Fokus vorgegeben bekommt, wodurch die Augen ermüden und 3D im Endeffekt nur vorgetäuscht wird. Den Gedanken weitergesponnen, könnte man den Zuschauer mit einem Eye-tracker ausstatten und genau auf den Bereich fokussieren, der gerade betrachtet wird.