Ansichten eines Informatikers

Reform der Straßenverkehrsordnung

Hadmut
4.9.2011 18:05

Unwissenheit schützt vor Strafe nicht – der Staat verlangt vom Bürger, daß er ständig und immer über alle Gesetze im Detail informiert ist. Daß das nicht einfach nur schwierig ist und daß unsere Regierung sich benimmt wie ein Kindergarten sieht man an diesem Artikel über den Streit zwischen zwei Ministerien über die Straßenverkehrsordnung. (Danke für den Link!)

12 Kommentare (RSS-Feed)

mika
4.9.2011 20:18
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“Unwissenheit schützt vor Strafe nicht” – in dem verlinkten Artikel wird beschrieben, dass genau dieser Grundsatz bei den neuen Verkehrsregeln (im Falle, dass keine verpflichtenden Schulungen durchgeführt werden) dann nicht unbedingt gelten wird.
3-Abschnitt des Artikel, §17 des StGB
Ansonsten finde ich ist das an sich ein wichtiges Thema, und zwar in mehrere Hinsicht. Einmal in Bezug auf die sehr schlechte Kommunikation, zwischen den Behörden untereinander sowie zwischen den Behörden und den Bürgern.
Des weiteren sollte man sich eventuell mal die Frage stellen, ob es überhaupt sinnvoll ist, eine “runderneurte” Version der StVO einzuführen, da es bestimmt viele Leute gibt an denen die Änderungen entweder unbewusst vorübergehen, oder die sich nicht ausreichend interessieren um den Änderungen nach zu gehen.
(Schon jetzt stellen manche ältere Verkehrsteilnehmer meiner Meinung nach eine Gefahr dar, weil sie einfach wegen zu schlechten Auge verdammt langsam fahren müssen und eine sehr schlechte Reaktionsgeschwindigkeit haben. Wenn die jetzt auch noch andere Regelungen befolgen als Fahranfänger, (die die alten Regelungen nicht kennen, und teilweise noch nicht so perfekt fahren können), sind Schwere Unfälle praktisch Vorprogrammiert.)
Und wenn es keine Fortbildungspflicht gibt, kommt hinzu ,dass dann obskure (Schadens-)Fälle entstehen können, wo beide Teilnehmer an sich völlig richtig gehandelt haben, aber sich auf verschiedene Versionen der StVO beziehen.

mfg: mika


Hadmut
4.9.2011 20:47
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Das „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht” bzw. daß sie im Einzelfall eben doch mal schützt, wenn dem Täter die Einsicht fehlte, bezieht sich – der Spruch des Volksmundes ist sowieso falsch, man soll nicht alles glauben, was als Rendewendung so unterwegs ist – darauf, daß der Tatbestandsirrtum vor Strafe schützt, nicht jedoch der Verbotsirrtum.

Insofern liegt der Schreiber des Artikels an dieser Stelle auch falsch. Denn die Juristen betrachten es als ausreichend, wenn ein Gesetz veröffentlicht wurde (und sogar die Presse darauf verwiesen hat). Denn sonst dürfte ich ja immer noch nach den Verkehrsregeln von 1983 fahren.

Auch könnte man nach der Logik für Mord und Steuerhinterziehung nicht bestraft werden, weil es keine Zwangsbelehrung über Straf- und Steuerrecht gibt. Trotzdem muß man sich daran halten.


Jens
4.9.2011 21:34
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§ 1 StVO hat sich ja zum Glück nicht geändert, und ein Irrtum darüber dürfte nur schwerlich möglich sein.

Zu dem Thema gab es neulich entweder in der NZV oder der SVR einen deutlich besseren Artikel.

Ich habe eh keine Ahnung, was dieser LTO genau sein soll. Anscheinend so eine Art Boulevardblatt für Juristen.


rjb
4.9.2011 22:04
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Da stehen ja nun wieder jede Menge Fehler, in dem verlinkten Artikel und auch hier in den Kommentaren. Um nur mal einen kleineren Punkt herauszugreifen: “Für Neuerungen in Gesetzen nutzen die zuständigen Stellen den formellen Weg über Bundesgesetzblatt und Gesetzgebungsdienste. Einen Zugang hierzu haben Normalbürger im Regelfall nicht.” Nee, einen Zugang zum Bundesgesetzblatt findet man relativ leicht, im Internet. Der funktioniert auch, ich habe mir mal probeweise Nr.46/2011 heruntergeladen. Das Problem besteht nicht im Zugang, sondern in dem, was man da erhält. Etwa eine ” Erste Verordnung
zur Änderung der Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung*)

Und diese besteht aus Mitteilungen der folgenden Art:
” Artikel 1
Die Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverord-
nung vom 28. Mai 2004 (BGBl. I S. 1037), die durch
Artikel 400 der Verordnung vom 31. Oktober 2006
(BGBl. I S. 2407) geändert worden ist, wird wie folgt
geändert:

2. § 1 wird wie folgt geändert:
a) In Absatz 1 werden die Wörter „Kraftstoffver-
brauch und CO2-Emissionen“ durch die Wörter
„Kraftstoffverbrauch, CO2-Emissionen und ge-
gebenenfalls den Stromverbrauch“ ersetzt.

Mit anderen Worten, da stehen keine Gesetzestexte, sondern Fragmente, aus denen man zusammen mit anderen Quellen (den vorhergehenden Fassungen) die tatsächlichen Texte zusammenpuzzeln kann. Auf so etwas Irres ist AFAIR nicht einmal Kafka gekommen. Daß bei solchen Verfahren die tatsächlichen Gesetzesinhalte, sofern überhaupt greifbar, nicht immer mit dem übereinstimmen, was Abgeordnete bei der Abstimmung oder auch die Autoren dieser Werke glauben, wundert mich nicht.


Hadmut
4.9.2011 22:07
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@rjb: Die Bundesgesetzblätter findet man in jeder größeren Bibliothek, und die Gesetze im aktuellen Stand im Internet und Buchhandel.

Ich sag ja gar nicht, daß das praktisch durchführbar ist, sondern daß der Staat das vom Bürger erwartet.

Übrigens habe ich schon diverse Richter erlebt – sogar am BGH – die nicht in der Lage waren, die Gesetzeslage für einen gegebenen Zeitpunkt x zu klären.


yasar
5.9.2011 9:00
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@mika

Die Fahrtauglichkeit am Alter festzumachen ist ein großer Fehler den sehr viele machen. Ich kenne genügend u30-Autolenker, denen ich lieber heute als morgen den Führerschein abgenommen sehen würde.

Viel sinnvoller wäre es, die tauglichkeit zum führen eines PKW regelmäig theoretisch und praktisch nachzuweisen so etwa alle 3-6 Jahre, den genauen zeitraum müßte man noch sinnvoll festlegen, sozusagen ein “TÜV” für den Fahrer.

Der gesundheitliche Zustand kann sich auch in Jungen jahren so verändern, daß die Leute fahruntauglich werden, ganz zu schweigen vom mentalen Zustand.


yasar
5.9.2011 9:04
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Nachtrag:

Die regelmäßige Fahrtauglichkeitsprüfung würde auch endlich die leidige Diskussion beenden, ob man Rentnern den Fürherschein mit 70 wegnehmen soll oder nicht. Oder auch die Diskussion in den Familien, wie man es dem Opa schonend beibringt, daß er nicht mehr mit dem Auto selbst fahren sollte.

Da es auch genügend rüstige ü80 gibt, könnten die weiterhin guten gewissens Autofahren, wärend der gebrechliche u60 seinen Führerschein abgeben muß.

In der Fliegerei funktioniert das ja auch (einigermaßen).


yasar
5.9.2011 9:16
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Das leidige Thema aktuell gültige Gesetze zu einem bestimmten Zeitpunkt:

Aus Informationen im direkten Bekanntenkreis weiß ich, daß auch Staatsorgane haben da manchmal ihre Probleme haben, Ihren Mitarbeitern die Gestzestexte in einer Form darzubieten, daß man diese zum einen immer aktuell hat, und zum anderen die Gesetzeslage zu einem bestimmten Zeitpunkt nachprüfen kann. Insbesondere in Widerspruchsverfahren, die sich länger hinziehen, kommt es immer wieder vor, daß sich die Gesetzeslage ändert, während das Verfahren läuft.

Es ist schon ein Problem, daß sehr oft nur “Anderungen” kommuniziert werden. Diese sind aber vermutlich nur dem Medium Papier geschuldet, weil die nicht bei jedem “Update” gleich mehrere hundert Setien Papier bedrucken wollen.

Da könnte man imho mit der veröffentlicheung in digitaler Form meinetwegen auch digital signiert, damit man weiß, daß es die Version vom Bundesgesetzblatt ist, dafür sorgen, daß man immer eine komplette Version passend zu einem bestimmten Zeitpunkt hätte.

Ein git-repository wäre imho für so etwas zwar optimal, aber ich glaube nciht, daß man den staat dazu bekommt, sowas zu implementieren.


rjb
6.9.2011 0:53
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@yasar: Genau darauf wollte ich hinaus, daß das regelrecht nach einem Versionskontrollsystem schreit – für den, der weiß, was das ist. Aber auch, wer das nicht weiß, könnte eigentlich auf die Idee kommen, daß das Management eines Riesenhaufens von Textschnipseln eine Sache für den Computer wäre. Und vermutlich gibt es entsprechende Systeme auch, bei den Verlagen, die Gesetzesausgaben in Buchform produzieren. Nur beim Staat, der von “e-government” träumt, bei Behörden, Gerichten, Abgeordneten, offenbar nicht.


Hadmut
6.9.2011 1:14
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Das schreit nicht nach einem Versionskontrollsystem – das ist eines.


anonym
6.9.2011 3:13
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“Nur beim Staat, der von “e-government” träumt, bei Behörden, Gerichten, Abgeordneten, offenbar nicht.”

Der hat dafür die juris GmbH gegründet, die vermutlich genau so eine Normendokumentation hat.

Ganz blöd sind die Leute nun auch wieder nicht …


yasar
6.9.2011 9:23
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Die VSV https://secure.wikimedia.org/wikipedia/de/wiki/Vorschriftensammlung_f%C3%BCr_die_Verwaltung wird z.B. in “Updates” geliefert. Man muß die immer chronologisch korekt updaten, weil man ansonsten ein Chaos hat. Und die schicken immer mehrere Updates per Monat. Das Problem ist, daß man damit immer nur einen Stand zum zeitpunkt X hat und weder die Stände in der Vergangenheit, noch die in der “Zukunft” schnell zugreifbar sind. Und wenn man mal mehrere Monate das einsortieren hat schleifen lassen, ist es allein von der Arbeitszeit billiger, sich die aktuelle Ausgabe zu bestellen, als die Updates nachzuführen.