Ansichten eines Informatikers

Brät Fliegen Digitalkameras die Pixel raus?

Hadmut
12.7.2011 21:31

Hat schon mal jemand was von der Theorie gehört, daß Digitalkamera-Sensoren im Flugzeug Schaden nehmen, weil die höhere Gamma-Strahlung die Pixel kaputtbrät? Da die Sensoren ja letztlich Meßgeräte für elektromagnetische Strahlung sind, ist es jedenfalls mal nicht a priori abwegig. Außer ruppigen Sicherheitskontrollen wäre mir bisher keine Schadwirkung von Fliegen auf Kameras aufgefallen. Konkret nachgeprüft hab ich es aber auch noch nie. Sollte man mal die kaputten Pixel vorher und nachher zählen?

15 Kommentare (RSS-Feed)

Stefan
12.7.2011 22:15
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Der Sprecher sagte ja, dass gleich eine ganze Linie davon betroffen ist und dass diese kaputten Linien per Software “wiederhergestellt” werden. Fraglich, ob man das so leicht erkennt. Ich denke, wenn das häufig genug auftreten würde, hätten wir alle schon davon gehört / es gemerkt.


Steffen
12.7.2011 22:31
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Hört sich für mich erstmal nach “Fear Mongering” an.

Digitalkameras gibts jetzt schon sehr lange. Meine gute alte Canon G5 funktioniert immer noch bestens, und ich hatte die bei bisher jeder Flugreise mit dabei. Dabei waren 4 Langstreckenflüge (Kanada sowie Neuseeland hin und zurück), und etliche innereuropäische mit mehreren Stunden Flugzeit.

Und es gibt bestimmt Leute, die erheblich mehr fliegen als ich. Wenn das wirklich einen spürbaren Effekt hätte, dann frage ich mich: Wo sind die Tonnen an kaputtgeschossenen Kameras? Als in den 70ern die ersten klobigen Röntgengeräte an den Flughäfen eingeführt wurden, hat es in der Anfangszeit wirklich die ganzen Urlaubsfilme totgeschossen. Der Aufschrei war groß, wenn ich mich richtig erinnere.

Interessant zu untersuchen wäre es natürlich schon. Ist ja kein Aufwand, vor und nach einer Flugreise eine komplett schwarze Aufnahme mit Objektivdeckel zu machen, und dann zu schauen ob neue Pixelfehler dazugekommen sind.

Wenn das Thema aber jetzt verstärkt die Runde macht, dann fürchte ich daß es demnächst “Digitalkamera-Schutzbeutel” zum Schutz vor Gammastrahlung zu kaufen geben wird. Für nur schlappe 99 Euro … “das sollte Ihnen ihr wertvolles Fotoequipment wert sein!” Wetten?


Hadmut
12.7.2011 22:38
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Kann schon sein.

Ich hab auch einigen Kontakt ins Profi-Lager, die sich ja auch mit allen erdenklichen Methoden befassen, Kameras Schaden zuzufügen. Davon hab ich da auch noch nie etwas gehört. Echte Profis würden dann ohne Kamera fliegen und sich am Zielort eine kaufen oder mieten. Tun sie aber nicht.

Auch müßten dann – wie Du richtig ansprichst – jede Menge Kameras mit kaputtgeflogenen Zeilen bilig auf eBay zu haben sein. Sindse aber nicht.

Mir leuchtet es auch nicht so ganz ein. Die Sensorzellen können überlaufen, dadurch entsteht bei manchen Sensoren das Blooming. Aber dann ist normalerweise nur das Bild und nicht der Sensor futsch. Insofern könnte ich mir vorstellen, daß die Kamera nach dem Flug ein paar kaputte Bilder macht, bis das alles wieder richtig entladen ist.

Davon ganz abgesehen steht in der Kamera-Anleitung jeder entfernt erdenkliche Mist, was man mit seiner Kamera nicht machen soll. Eigentlich müßte das mit dem Fliegen dann auch drinstehen. Es sei denn freilich, sie lassen es weg, weil dann niemand mehr eine Kamera für den Urlaub kaufen würde.


Steffen
12.7.2011 22:46
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Gerade beim Googeln in einem anderen Forum auf ein sehr schlüssiges Argument getroffen:

Der Effekt von Strahlung ist kumulativ. Die Strahlung in 10km Höhe ist ca. 5x so hoch wie am Erdboden. Deshalb entspricht die Gammastrahlendosis, die die Kamera bei einem 3 Stunden Flug abbekommt derjenigen, die sie am Erdboden in 15 Stunden abkriegt. Und jetzt vergleiche man die Zeit, die man pro Jahr in der Luft verbringt mit derjenigen, die man am Erdboden verbringt.

Ein zweites Argument das ich gefunden habe: Auf der ISS in 400 km Höhe herrscht wirklich erheblich höhere Strahlung (ca. 1000x). Transport dort hoch ist teuer, und sehr viel Equipment bleibt deshalb einfach dort oben. Sie verwenden dort Nikons, die seit jetzt Jahren an Bord sind. Offensichtlich mit keinen außergewöhnlichen Ausfallraten.


Hadmut
12.7.2011 22:52
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@Steffen: Naja, das mit der kumulativen Strahlung ist mir auch zuerst gekommen, das könnte aber ein Trugschluß sein, wenn es nämlich nicht auf die Kumulation, sondern auf einen Maximalwert ankommt, bis der Durchbruch erfolgt.

Mit der gleichen Logik könnte man nämlich argumentieren, daß 3 Minuten mit den Fingern in die Steckdose zu fassen auch keinen Schaden hervorruft, weil ich ja auch einen Tag die Finger an eine Mignon-Batterie halten kann ohne Schaden zu nehmen und das kumulativ viel mehr ist.

Das mit der ISS ist aber überzeugend.


sebingel
12.7.2011 22:47
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Meine Olympus E520 hat alleine in diesem Jahr schon über 50 Flugstunden abbekommen… da ist rein garnichts von irgendwelchen Schäden zu spüren…


Steffen
12.7.2011 23:04
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@Hadmut: Jetzt ist bei mir der Physiker-Jagdinstinkt geweckt, und ich habe den guten alten Gerthsen ausgepackt.

Es gibt zwischen Alpha/Betastrahlung und Gammastrahlung einen elementaren Unterschied: Alpha/Betastrahlung kommt in Materie eine gewisse Eindringtiefe weit, und bricht dann scharf ab. Gammastrahlung dagegen unterliegt einem exponentiellen Abfall in Materie. Deshalb ist gerade die Gammastrahlung die am schwersten abzuschirmende Radioaktivität.

Der Grund für dieses Verhalten ist, daß die Träger von Alpha/Betastrahlung Teilchen mit Ruhemasse sind, während Gammastrahlung aus ruhemasselosen Photonen besteht. Man kann den Effekt von Absorption in der statistischen Physik schön durchrechnen: Teilchen, die ihre gesamte Energie mit einem Kollisionsevent verlieren, unterliegen dem Exponentialgesetz, Teilchen die ihre Energie mit sehr vielen Kollisionen nach und nach abgeben haben alle ungefähr die gleiche Reichweite.

Ein einzelnes Gammaquant gibt somit seine ganze Energie bei einer Kollision ab. Demnach haben die Gammaquanten, die am Erdboden ankommen, noch die gleiche Energie pro Teilchen wie in 10km Höhe. Es sind einfach nur 5x weniger Teilchen pro Zeit, die hier unten reinprasseln.

Also laut Gerthsen würde ich schlussfolgern: Entwarnung für unsere Digicams.


Hadmut
12.7.2011 23:08
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Danke für den Hinweis. Ich hab schon überlegt, ob die Flugzeughülle genügt, um sie abzuschirmen, aber die Fenster wohl nicht. Wenn sie aber so schwer zu absorbieren sind, dann können sie auch in der Kamera nicht mit höherer Wahrscheinlichkeit hängen bleiben und Energie abgeben, ergo auch keinen Schaden anrichten. Und wenn doch, wäre die Frage, warum sie das ausgerechnet im Sensor und nicht beispielsweise im Gehäuse tun sollten. Zumal meine Nikon ein Metallgehäuse hat.


Christian Weiske
12.7.2011 23:44
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Als in Japan letztens Erdbeben und Reaktorunglück war, kam einige Wochen später eine Firma mit kommerzieller Software auf den Markt, die Kameras in Strahlungsmesser umgewandelt hat, indem man das Rauschen bei abgedeckter Linse gemessen hat.

Von Problemen mit der Haltbarkeit der Kameras war da nichts zu lesen, aber das kann marketingtechnisch begründet sein.


Herr Olsen
13.7.2011 9:13
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Klassischer FUD.
Ist nix dran.


Knut Grunwald
13.7.2011 11:54
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Die Idee mit dem Strahlungsmesser ist Klasse.

Ein permanenter Schaden an Kameras ist wahrscheinlich nicht wahrscheinlicher als einer durch Fallenlassen. Da die Strukturen auf den Verarbeitungschips aber kleiner sind, als die Sensorstrukturen, wären hier wohl eher Schäden zu erwarten.

Mal abgesehen davon gibt es da den XXX Megapixelsensor von Hubble. Ich kann mir nicht vorstellen, das der technologisch so andersartig ist. Insofern ist Gammastrahlung sicherlich das kleinste Problem.

Unbeheizte Frachträume bzw. in tropischen Ländern einen halben Tag im Frachtraum gebraten können da schon eher Schaden anrichten, wenn Klebstoffe in der Kamera das nicht mögen.


der andere Andreas
13.7.2011 17:50
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hmm wurde denn im video gesagt wie das durchbrennen funktionieren soll? (habs mir noch nicht anhöhren können)

die funktionsweise einer photodiode basiert ja letztlich auf dem photoinduzierten übergang von elektronen aus dem isolierband eines halbleiters in dessen leitungsband (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Photodiode)

das kann auch durch gammaquanten passieren. selbst wenn man davon aus geht das gammastrahlung durch compton-effekt evtl. pro photon mehrere ladungsträger produziert (http://de.wikipedia.org/wiki/Compton-Effekt) hätte die zelle prinzipiell ne sättigung über der einfach zwecks elektronenmangel keine neuen ladungsträger produziert werden. an der diode selbst sollte es also nicht liegen. und nach dem was auf wp über die CCD-selbstgeschrieben wird, würde beim überlaufen der potentialtöpfe auch nur blooming auftreten… (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/CCD-Sensor).

die dinger funktionieren dann halt auch mit gammastrahlen, geben nur kein sichtbares bild wieder. oder hab ich was übersehen?

oder soll anderweitiger kram kaputt gehen? wird der kleber durch ionisation madig und der chip fällt einfach aus der kamera? da gammaquanten aufgrund der hohen energie auch zu ionisation außerhalb der fotozellen führen können machen sie ja vllt auch kondensatoren oder microwiderstände madig, da müsste dann ja aber schon ne ordentliche menge rum kommen…

hat der wer ideen eines technischen ansatzes?


Mephane
14.7.2011 9:32
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“Naja, das mit der kumulativen Strahlung ist mir auch zuerst gekommen, das könnte aber ein Trugschluß sein, wenn es nämlich nicht auf die Kumulation, sondern auf einen Maximalwert ankommt, bis der Durchbruch erfolgt.”

Ich hätte das ganze jetzt eher probabilistisch betrachtet, also je höher die Strahlung desto höher die Chance dass ein Pixel zerstört wird; ich weiß aber zu wenig über CCD-Sensoren um das näher beurteilen zu können, nur beim Thema Schaden (egal an was) durch Strahlung denke ich zunächst mal eher an Wahrscheinlichkeiten denn an kontinuierliche Erosion.

Ich denke aber letztlich auch, wenn sie sogar auf der ISS ohne Probleme ganz normale Kameras benutzen können, dass man die Meldung unter FUD verbuchen kann.


Thorsten
19.7.2011 12:55
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Julian
4.8.2011 1:33
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Halte ich für Quatsch.
Es gibt ein Interview von einem Typen der Nasa, wo er befragt wird ob die ihre Nikons die sie in den Weltraum mitnehmen wiederverwenden. Der meint zwar, dass die Elektronik und insbesondere die Sensoren bei Spacewalks öfter mal durch Strahlung beschädigt werden, aber dort oben ist die Strahlenbelastung um ein vielfaches Größer als auf der Erde.

Normale Strahlungslevel sind 2,5-3 mSv, pro 100 Flugstunden zusätzlich 0,4 – da reicht bei weitem nicht aus. In Denver wo ich eine Weile gelebt habe ist der Schnitt bei 10 mSv aufgrund von Radon und Thoron aus dem Erdreich – da hätten mir die Sensoren ja am laufenden Band wegsterben müssen, ist aber bisher nie geschehen.