Ansichten eines Informatikers

Nikon hat 32 Männer und keine Eier

Hadmut
16.9.2017 0:55

Meine Güte, ist das schleimig. Sollte ich die Kamera-Marke wechseln?

Ich war vorhin unterwegs, schaue unterwegs mal in Twitter rein, und da haut’s mich aus den Socken. Nikon USA twittert:

Was zur Henkerin ist denn da passiert?

Ich musste erst mal suchen. Es scheint das da zu sein:

Nikon hat doch gerade eine sauteure (naja, für deren Verhältnisse mittelteure, denn sie liegt noch deutlich unter der D5) neue Kamera vorgestellt, die D850. Anscheinend nicht zu teuer, denn die erste Charge ist schon durch Vorbestellungen komplett ausverkauft, bevor sie überhaupt erhältlich ist. (Ganz ehrlich: Da würde ich sie als Hersteller auch nicht billiger machen. Oder erst dann, wenn die Käufe die Produktion nicht mehr auslasten.)

Und im Rahmen der Werbekampagnen für diese Kamera hat Nikon sie von 32 Fotografen testen lassen und dann deren Bewertungen veröffentlicht – alles Männer. Da führt natürlich zum Aufschrei.

Siehe GearJunkie, Mashable, CNN, Cosmopolitan

Der Knackpunkt:

Nikon later apologised, saying all the “female photographers we had invited for this meet were unable to attend.”

Und jetzt sind natürlich diverse Tussis beleidigt, weil sie nicht eingeladen worden waren. Und natürlich gab’s Dresche für Nikon und damit finanziellen Druck durch Boykott-Gefahr, damit sich Nikon dem politischen Diktat unterwerfen müsse. Es darf niemanden geben, der sich der politischen Ideologie nicht beugt.

Ich will’s mal so sagen: Ich habe ja schon häufig gebloggt, dass mir in München und Berlin auffiel, dass man viel mehr Frauen als Männer mit Spiegelreflexkameras herumlaufen sieht, und auch neulich bei dem Olympus-Event mehr Frauen als Männer da waren.

Aber, und das habe ich auch schon oft geschrieben, Frauen sind dabei fast immer nur mit den Kameras der Amateurklasse unterwegs. Nicht, dass die schlechte Bilder machen würden, auch die sind heute sehr gut, aber sie sind

  • billiger
  • kleiner
  • leichter

Ich kann mich jetzt nicht erinnern, jemals einer Frau mit einer D800 begegnet zu sein, Männern schon oft. Und ich weiß zwar nicht mehr, wo das war, aber immerhin eine Frau ist mir mal mit einer D4 oder D5 aufgefallen, aber das ist eine extreme Seltenheit.

Ich besuche seit etwa 25 Jahren zwar nur sporadisch und eher selten, aber inzwischen immerhin über den Zeitraum doch einige Workshops. Und habe in all der Zeit immer nur männliche Fotographen erlebt, sowohl bei den Profifotografen, als auch bei den Teilnehmern – bis auf eine Ausnahme: Ich habe tatsächlich mal einen Workshop bei einer Frau aus der Fotobranche besucht – ein Schminkkurs.

Auch bei Ausstellungen sind es praktisch immer nur Männer.

Auch wenn man Sendungen wie „Germany Next Topmodel“ guckt (ich weiß, ja, ja, aber am Anfang habe ich das durchaus gerne gesehen, als man da noch was aus deren Fotopraxis sehen konnte), kommen da fast nur männliche Fotografen vor. Zwar hat da auch Heidi Klum öfters mal selbst fotografiert, wenn sie keinen Fotografen bekommen haben. Aber irgendwie hinterließ die bei mir immer den Eindruck, dass die nie ernstlich fotografiert hat und ihr nur irgendwer eine teure Kamera in die Hand gedrückt hat, weil die die immer so mädchenmäßig mit spitzen Fingern hält, und niemand kann oder würde eine schwere Profi-Kamera über längeren Zeitraum so halten. Alle Leute, die ich kenne (und ich auch) nehmen diese Kameras, indem sie sie mit der rechten Hand am Griff mit Auslöser anfassen, und mit der linken Hand offen unter (oder selten über) das Objektiv greifen. Warum? Weil da der Schwerpunkt ist. Man merkt das sofort, wenn Leute die Kamera am Gehäuse anfassen und sich dann viel Mühe geben müssen, das Objektiv durch Druck auf das Gehäuse hochhalten wollen. Außerdem verwackelt man so.

Natürlich gibt es exzellente Fotografinnen. Annie Leibovitz. Ellen von Unwerth. Leni Riefenstahl (egal, was man politisch-ideologisch von ihr hält, Fotografieren konnte sie exzellent).

Aber irgendwie kommt mir das vor wie bei Grace Hopper: Einige wenige müssen als Alibi herhalten, den Hauptteil der Arbeit machen Männer.

Ich hatte mal einen großen Münchner Fotohändler gefragt, ob mein Eindruck, dass mehr Frauen als Männer mit Spiegelreflexkameras unterwegs sind, richtig ist. Die sagten ja, das könnten sie bestätigten, das merkten sie sehr deutlich bei den Verkäufen. Aber nur im Bereich der Amateurkameras. Sobald es an die teuren, schweren Profikameras geht, hätten sie fast nur noch Männer als Kunden.

Ich weiß zwar nicht, wie das in Amerika ist, aber es stinkt doch mal wieder gewaltig nach dieser Passiv-Anspruchs-Haltung. Sich nicht selbst beteiligen, aber verlangen, beteiligt und repräsentiert zu werden.

Übung: Zählt mal hier oder hier die Frauen. Immerhin. Oder schaut mal bei Fernsehübertragungen von Polit- oder Sportevents oder irgendwelchen Shows, wer da als Fotografen unterwegs ist – ob Ihr da irgendeine Frau entdeckt. Jemals schon von Paparazza gehört? Die Knochenjobs machen wieder die Männer. Eine signifikante Zahl von Fotos von Frauen finde ich eigentlich – wenn ich so drüber nachdenke – nur in Reiseführern.

Oder geht mal auf Youtube, wo es ja zu jedem beliebigen Gerät Dutzende von Test- und Bewertungs- und Unboxing-Videos gibt. Zählt mal durch, wieviele Kameratests von Männern und von Frauen sind. Oder geht mal auf DPReview und schaut, wieviele Kommentare zu Kameratests und -diskussionen von Männern und von Frauen kommen.

Aber davon mal ganz abgesehen:

Warum sollte es überhaupt wichtig sein, von wievielen Männern und Frauen eine Kamera getestet wurde? Warum sollen Fotografinnen eine Kamera nur dann kaufen können, wenn sie von Frauen getestet wurde? Was sollen die da anders testen? Wieso soll eine Kamera für Frauen anders gebaut sein? Zugegeben, Frauen haben kleinere Hände, und ich hatte ja bei den kleinen Olympus-Gehäusen vermutet, dass die für Frauen gemacht sind. Und vielleicht sind sie auch sonst zu schwer. Aber: Die neue Nikon ist so groß und schwer wie vor ihr schon mindestens ein Dutzend andere Nikons. Das muss man nicht mehr testen.

Nutzen Frauen andere Belichtungszeiten? Ein anderes Seitenformat? Schrauben die die Objekte andersherum ins Bajonett? Oder haben die Probleme, weil der Lippenstift am Display klebt, wenn sie durch den Sucher gucken? Was soll der Scheiß?

Muss man nicht im Gegenteil sagen, dass eine Frau, die meint, dass sie eine Kamera erst kaufen kann, wenn sie von einer Frau getestet wurde, als inkompetent und fotografisch unfähig gleich von der Liste streichen? Was hätten die denn gemacht, wenn der Test mit 32 Leuten gar nicht stattgefunden hätte?

Ich finde es unwürdig, wenn sich Firmen wie Nikon von solchem Quatsch ins Bockshorn jagen lässt.