Ansichten eines Informatikers

CDU will schon wieder Netzsperren

Hadmut
26.9.2011 23:43

Sie können’s nicht lassen. Oder: Siegfried Kauder gibt von-der-Leyen-2.0.

Diverse Medien, darunter ZEIT und HEISE, berichten darüber, daß Siegried Kauder von der CDU an einem Gesetzentwurf schreibt, der Urheberechtsverletzern den Zugang zum Internet sperren soll.

Mehr als der Entwurf selbst – daß die CDU rein Lobby-gesteuert ist, ist schließlich keine Neuigkeit – überrascht mich, daß die Medien darüber berichten und Kauder trotzdem noch als „Rechtsexperten” der CDU titulieren. Vermutlich wird man in den Parteien genauso leicht „Rechtsexperte” wie „Internetexperte”. Über die Inflation des Expertentums in der Politik hatte ich mich ja 2009 schon mal geärgert. Allerdings ist hier zu bemerken, daß Kauder studierter Jurist ist. (Auch zu der Verbotskultur, die das intellektuelle Monopol der Juristen über uns bringt, habe ich neulich gebloggt.)

Nun, wenn Kauder nun mal der Rechtsexperte der CDU ist, bin ich mal darauf gespannt, wie sie folgende Probleme lösen:

  1. Raubkopieren geht nicht mit Verlust der Grundrechte einher. Angenommen, es würde eine solche Internet-Sperre gegen mich verhängt, so könnte ich nicht mehr bloggen. Das wäre ein Eingriff in die Meinungsfreiheit.
  2. Ich bin Informatiker mit Schwerpunkten Netzwerk und Sicherheit (und hier im Blog ja auch nebenbei journalistisch tätig). Es käme also einem vorrübergehenden Berufsverbot gleich. Meine Berufsfreiheit ist aber geschützt.
  3. Ich bin wissenschaftlich tätig und genieße damit Wissenschafts- und Lehrfreiheit. Auch per Internet. Auch die ist verfassungsmäßig geschützt.
  4. Ich bin verpflichtet, regelmäßig per Internet Umsatzsteuervoranmeldungen beim Finanzamt einzureichen. Wie sollte das möglich sein, wenn mein Internet gesperrt wäre?
  5. Auf immer mehr Stellen im privaten und öffentlichen Sektor kann man sich nur noch per Internet bewerben. Eine Internet-Sperre würde einen von Bewerbungen abhalten und käme damit ebenfalls einem temporären Berufsverbot gleich.
  6. Die Bundesregierung führt gerade De-Mail per Gesetz ein. Was ist, wenn jemand sich bei einer Behörde per De-Mail registriert, rechtsmittelfristgebundene Zustellungen bekommt und die nicht lesen kann, weil sein Internet gesperrt wurde? Werden dann die Fristen verlängert? Woher weiß die Behörde, daß der Empfänger nicht an die Mailbox kommt?

    Wie soll sich das überhaupt mit De-Mail und dessen angeblicher Verlässlichkeit und Verbindlichkeit vertragen?

  7. Was ist mit normaler E-Mail? Es ist in der Literatur anerkannt (und insbesondere das OLG Karlsruhe hatte das damals auf meinen Klageerzwingungsantrag erstmals gerichtlich festgestellt) daß auch E-Mail-Unterdrückung ein Eingriff in das verfassungsmäßige Fernmelderecht ist. Selbst wenn man unterstellte, daß der Inhaber einer Mailbox sich die Sperre schuldhaft selbst eingehandelt hat, reicht das nicht. Denn es ist auch ein Eingriff in das Telekommunikationsrecht des Senders einer E-Mail, die deren Empfänger nicht bekommt, weil man ihm das Internet abgedreht hat. Und gegen den Sender hat man keine Handhabe, der hat ja kein Urheberrecht verletzt.

    Insbesondere wäre dies deshalb unzulässig, weil der Sender einer E-Mail, die nicht ankommt, ja über die Sperre nicht informiert wurde und dies nicht bemerken kann, denn die Mailbox funktioniert ja regulär, nur der Zugriff darauf für den Empfänger nicht mehr.

  8. Nicht nur E-Mail, sondern generell der Internet-Individualverkehr unterliegt dem Telekommunikationsgeheimnis und dessen Vertraulichkeit, ist damit also auch gegen Unterdrücken gesperrt. Mit welcher Legitimation will man darin eingreifen?
  9. Art. 5 GG gibt jedem das Recht, seine Meinung auch in Schrift und Bild zu äußern und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.

    Zwar erlaubt Absatz 2 Beschränkungen durch „allgemeine Gesetze” – aber diese Sperre wäre ja kein „allgemeines Gesetz”. Es würde ja nicht nur die Raubkopie gesperrt, sondern jegliche Kommunikation, auch wenn sie nicht gegen Gesetze verstößt, sondern im Gegenteil sogar verfassungsrechtlich geschützt ist.

  10. Wie wollen Sie das überhaupt beweisen?

    Ich war bereits in mehrere solcher Verfahren (nicht als Kläger oder Beklagter, sondern als Security Manager eines Providers) involviert. Was da zum angeblichen Beleg von Urheberrechtsverletzungen vorgetragen wurde genügt in meinen Augen nicht entfernt den Anforderungen an einen Beweis.

  11. Wenn jemand aus dem Bundestag etwas unerlaubt von meiner Webseite herunterlädt – wie könnte ich dem dann den Anschluß sperren lassen? Oder ist das wieder mal so ein Gesetz, was sich nur gegen Privatpersonen richtet?
  12. Woher wollen sie überhaupt wissen, wem sie den Anschluß sperren wollen? Die Vorratsdatenspeicherung ist ja ausgesetzt…
  13. Wer haftet eigentlich, wenn der, dem der Anschluß gesperrt wurde, das bestreitet und daraus Schadensersatz geltend macht?
  14. Was ist, wenn sich jemand vertraglich verpflichtet hat, irgendwelche Leistungen per Internet zu erbringen. Webdesigner, Graphiker, Fotografen, Juristen, usw.usw.usw. können alle in der Situation sein, daß sie irgendwelche Arbeiten innerhalb einer Frist per Internet vorlegen müssen. Und nun wird der Anschluß gesperrt. Vielleicht zu Unrecht. Wer haftet gegenüber den Dritten? Ist das nun eine schuldhafte Vertragsverletzung des Anschlußinhabers?
  15. Was ist, wenn sich mehrere Leute einen Anschluß rechtlich teilen? Familien, WGs, Vereine usw.?

    Und bin ich dann als Single in einer Single-Wohnung dagegen schlechter geschützt als ein Familienvater?

  16. Muß man für einen gesperrten Anschluß trotzdem Geld bezahlen?
  17. Wen einem Provider A den Anschluß gesperrt hat, darf man dann bei Provider B einen neuen beantragen (z. B. im nächsten Supermarkt einen UMTS-Stick kaufen)? Ist man verpflichtet, den Vertrag zu unterlassen? Oder darauf hinzuweisen, daß man gesperrt wurde?
  18. Wenn man mehrere Anschlüsse hat, werden dann alle gesperrt oder nur der, über den man raubkopiert hat? Wenn alle: Woher kennen sie die? Wenn nur einer: Was bringt es dann? Wie soll das noch verhältnismäßig sein?
  19. Bei wem wäre Rechtsmittel gegen die Sperre einzulegen? Nach Art. 19 IV GG ist gegen Eingriffe in die Grundrechte der Rechtsweg gegeben. Das ist der Verwaltungsrechtsweg. Wie aber soll das funktionieren, wenn keine Behörde o.ä. involviert ist? Soll der Bürger gegen den Provider vor dem Verwaltungsgericht klagen?

Mmmh, vermutlich liegt das jetzt wieder alles nur an mir, weil ich ja kein Jurist und schon gar nicht „Rechtsexperte” bin, sondern nur Informatiker, und die besonderen Gedanken der Juristen wieder mal nicht verstehe.

Ich bin zutiefst gespannt darauf, wie sie das formulieren und durchführen wollen.

20 Kommentare (RSS-Feed)

Manuel
27.9.2011 0:18
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Das Ganze is von Kauder nur ne Nebelkerze. Die FDP ist gegen sowas und selbst aus den Reihen der CDU/CSU gibt es Widerstand. Peter Atmeier hat z.B. getwittert, dass “Kauder-Strikes [..] gar nicht [geht]. Wer Bücher klaut ist kriminell, aber man nimmt ihm nicht die Lesebrille weg. Bin 100% bei CDU-Netzis u KoaV”
Also selbst im Koalitionsvertrag ist das schon geklärt, dass es sowas nicht geben wird. Die Zeit spekuliert, ob es sich bei der Nebelkerze vlt. um ein wenig Druck auf das Justizministerium handeln soll, das im Verzug ist mit dem dritten Korb des Urheberrechts. Oder Kauder macht das nur, damit er weiter Geld als Präsident der Bundesvereinigung deutscher Musikverbände e.V. kassieren kann? http://www.bdmv-online.de/wir-ueber-uns/praesidium


Hadmut
27.9.2011 0:20
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Du meinst, die bluffen, um den Piraten zusätzlich Wähler zuzuführen?


Manuel
27.9.2011 0:30
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Es steht jetzt erstmal keine Wahl an auf die das richtige Auswirkungen haben kann.
Aber allgemein zum verhältnis Piraten CDU/CSU : Für die Union sind die Piraten keine direkte Konkurrenz und die Piraten können ne rot-grüne Mehrheit im Bund zerstören. Dann gibts wohl ne GroKo mit Merkel als Kanzlerin. Aber ich glaube, dass das ein Alleingang von Kauder war, der nicht solche Erwägungen hat, weil er damit ja auch seine eigene Partei und Bundestagfraktion und die Regierungskoalition spaltet. Aber könnte natürlich auch ein großes Bluff sein und mal schanzt den Piraten Stimmen aus dem linken Parteienlager zu und gleichzeitig gibt man der FDP ne Chance sich in Bürgerrechtsfragen zu profilieren. Aber ich bin jetzt nicht so der Verschwörungstheoretiker^^


Hadmut
27.9.2011 0:33
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Vielleicht hat er auch ganz einfach ohne jeden (Hinter-)Gedanken nur blöd dahergeschwätzt? Soll ja auch vorkommen.

In irgendeinem Artikel stand, er habe das vor irgendeiner Lobby der Urheber gesagt. Kann natürlich auch sein, daß er das nur gesagt hat, um denen den Bauch zu pinseln, und selbst weiß, daß das nichts wird, aber so tun will, als würde er ihre Interessen vertreten.

Wie man es auch dreht und wendet, es kommt nichts positives heraus. Es nur zu sagen, um irgendwelche Reaktionen zu provozieren, oder um die Lobby zufriedenzustellen, es ist einfach nicht ehrlich.


Manuel
27.9.2011 0:43
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Kauder ist ja selbst Lobbyist der Urheber und die Wahrheit spielt bei einigen Wertkonservativen nicht so die große Rolle. Aber im Zeitartikel heißt es: “Siegfrid Kauder selbst sagt, er habe mit seiner Äußerung “ein bisschen provozieren” wollen.”
http://www.zeit.de/digital/internet/2011-09/kauder-three-strikes-netzsperre/seite-2

Ich nehm das ganze nicht sonderlich ernst. Ein Leistungsschutzrecht, das auch von der FDP (zumindest zum Teil) befürwortet wird halte ich für viel gefährlicher, weil es ne Chance hat vom Bundestag beschlossen zu werden.


Hadmut
27.9.2011 0:47
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Nur weil man es nicht ernst nimmt, sollte man darüber nicht hinwegsehen.

Denn die probieren das ja so herum. Die schicken einen vor, Mist erzählen. Wenn es Protest gibt, dann war das eben dessen Privatidee, die von der Partei nicht getragen wird. Kommt aber kein Protest, geht da keiner drauf ein, merken sie, Aha, da kann man also bohren.

Auch wenn es nur als Provokation gemeint war, muß man meines Erachtens deutlich aufzeigen, wie und womit die provozieren. Soll und kann man so jemandem noch trauen, daß er die Sache anderes sieht, wenn er ernsthaft an solchen Themen arbeitet? Auch wenn’s nur heiße Luft war, zeigt es meines Erachtens doch sehr deutlich, was für die Leute relevant und irrelevant ist.


Manuel
27.9.2011 1:04
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Ich geb dir da ja völlig recht, deswegen kommentiere ich ja auch hier und hab die Zeitungsartikel gelesen usw. Also nicht ernst nehmbar, aber natürlich dagegen protestieren. Ich wusste halt schon als ich das gelesen habe, dass es gegen sowas Protest gibt und ich mir da persönlich keine Sorgen drum machen muss. So ein Gesetz ist imho in Deutschland nicht (mehr) durchsetzbar.
Für mich geht der richtige Kampf erst los, wenn ein Gesetzesvorschlag zum Leistungsschutzrecht vorliegt, weil sich da die FDP von der Lobby vereinnahmen hat lassen. Da muss man also richtig Radau machen, damit es da genug Abweichler in den Reihen der Regierungsfraktionen gibt. Ich denke, dass das auch das Justizministerium mittlerweile gemerkt hat und deswegen solange mit dem Gesetzesentwurf braucht. Da steht der Ruf von Leutheusser-Schnarrenberger und die nächste Bundestagswahl auf dem Spiel. Eigentlich kann sich die FDP ein solches marktantiliberales Gesetz kam erlauben. Wenn die Leutheusser-Schnarrenberger wirklich ein solches Leistungsschutzrecht durchsetzen möchte, dann würde ich fast auf den endgültigen Untergang der FDP wetten.


tonne
27.9.2011 2:05
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Vermute diese Funktionen der Aktion:

1. Seinen Kumpels bei der GVL was in Aussicht stellen. Klar weiss der, dass das nicht durchgeht, ohne die Piraten zur Volkspartei zu machen. War dann die FDP schuld.

2. Aufmerksamkeit abziehen. Eine Woche Piratenrummel in sämtlichen Medien dürfte die CDU langsam weichkochen. Sicher fühlen können sie sich nicht, denn so Zweite-Reihe-Geschütze wie “Religion privatisieren” sind schon mal in Stellung gebracht. Selbst der Papst gibt vor, ein bisschen das Ventil zu öffnen, dem ist klar, dass er mit kleinem Entgegenkommen zur richtigen Zeit am ehesten das Gros der Privilegien erhalten kann:
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2011-09/papst-freiburg-konzerthaus/seite-1


Alex
27.9.2011 3:17
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@Hadmut “Du meinst, die bluffen, um den Piraten zusätzlich Wähler zuzuführen?”

Nun, aus Sicht der CxU ist das doch das beste was ihnen passieren kann.
Sollte die Piratenpartei die 5% Hürde packen wird eine Roz-Grüne Koalition doch wesentlich unwahrscheinlicher, da die FDP ihr Projekt 18 Promille weiterverfolgt, gäbe es dann eine große Koalition.

Ist halt jetzt für jeden die Gewissensfrage ob lieber RotGrün/ GroKo oder doch mal nach Prinzip/ Ideologie wählen, auch wenn das mittelbar negative Auswirkungen haben könnte.


| Die schicken einen vor, Mist erzählen.

Die schicken einen vor, Mist erzählen.

Gibt es, nennt sich unter Parlamentariern Minenhund. Das müssen üblicherweise Hinterbänkler machen, die sich profilieren wollen. Der Kauder kaudert nur wieder. Die fischen nach law and order Wählern, die nicht nachdenken, die das Netz nicht kennen und auf *pöses Internet” gut anspringen.

PS: Jedes sch… Webgefusel ist anders. Bei manchen steht sogar, welche Tags in html funzen und welche nicht. Manchmal muß ich sogar Umbrüche ausprobieren, weil crlf nicht verstanden wird. wird dann im Klartext ausgegeben. Das Konzept der Diskussion auf html ist eben ein NoKonzept. Das soll heißen, eine Hilfe der benutzbaren Tags wäre hier nett.

Carsten

“Wir haben die wunderbare Aufgabe, den Euro zu retten.”
Angela Merkel


Heini
27.9.2011 7:15
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Ich befürchte, dass man die meisten der genannten Punkte wohl mit der “Führerschein-Analogie” kontern wird.

“Wenn der Lappen weg ist, muss man halt sehen, wie man mit öffentlichen Verkehrsmitteln rumkommt.”

Übersetzt heißt das dann:

“Wenn der heimische Internetzugang gesperrt ist, müssen Blogposts, Bewerbungen, Umsatzsteueranmeldungen usw. eben über öffentliche Netzzugänge wie Büchereien oder offene WLANs in der Nachbarschaft gesendet werden”. 😉


Timo
27.9.2011 7:18
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Ein Mann, der Bürgerrechte als Mode Erscheinung darstellt sollte nicht ernst genommen werden.


Christian
27.9.2011 7:38
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Kauders Motivation ist ganz schnell erklärt:
http://www.bdmv-online.de/wir-ueber-uns/praesidium


Klaus Peukert
27.9.2011 11:06
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Ich halte das auch für reines Politiktheater zum Bauchpinseln der eigenen Lobby: http://tarzun.de/archives/387-Politiktheater.html


Hadmut
27.9.2011 12:00
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@Klaus Peukert: Durchaus plausibel und vermutlich auch richtig.

Aber die Konsequenz, die die daraus ziehen, halte ich für falsch. Wenn man nämlich über sowas gelassen hinweggeht und nichts dazu sagt, führt das zu einer schleichenden Erosion. Ganz gefährlich.


Philipp
27.9.2011 12:09
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Stimmt das mit der Freiheit des Berufes wirklich? Einem Berufskraftfahrer kann sein Führerschein ja auch entzogen werden!?


Hadmut
27.9.2011 12:24
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@Philipp: Ja, aber nicht willkürlich.

Da geht es um die Gefährdung der Allgemeinheit, zumal man da unterstellt, daß ein Kraftfahrer charakterlich geeignet sein muß. Beispielsweise kann man auch für Vergewaltigung oder Bankraub den Führerschein verlieren. Aber eben um die Öffentlichkeit vor Leuten zu schützen, die man als Gefahr ansieht und denen man das Fahren nicht zutraut. Oder weil Leute dazu einfach körperlich/geistig nicht mehr in der Lage sind. Da geht es also in erster Linie darum, die Rechte der Öffentlichkeit zu wahren.

Übrigens wird die Frage, inwieweit der Führerscheinverlust den Beruf beeinträchtigt, bei befristeten Fahrverboten, etwa nach Geschwindigkeitsübertretungen, durchaus berücksichtigt.

Ein anderer wesentlicher Unterschied ist aber auch, daß der Führerschein nur von einem Gericht entzogen werden kann bzw. gegen einen Entzug nach Geschwindigkeitsübertretung der Rechtsweg gegeben ist. Es ist nicht so, daß die Tankstelle den Führerschein entzieht, weil irgendein anderer Fahrer behauptet, da würde einer schlecht fahren.

Der Vergleich hinkt aber sowieso, weil es beim Führerscheinentzug ja nur darum geht, jemandem das eigene Führen eines Fahrzeugs zu verbieten, nicht den Gebrauch von Straßen schlechthin. Würde ein Politiker auf die Idee kommen, jemandem als Strafe die Nutzung und das Betreten von Straßen zu verbieten, würde man das auch nicht akzeptieren. Es gibt auch kein gesetzliches Verbot, den Fußweg, ein Fahrrad oder öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Seit ich hier bei München wohne, fahre ich viel weniger Auto, weil ich hier die öffentlichen Verkehrsmittel bevorzuge, weil sie mich schneller und billiger ans Ziel bringen. Der Entzug des Führerscheins wäre also kein Ausschluß von der Nutzung der Straßen (je nachdem halt, wo man wohnt). Der Verlust des Internet-Anschlusses wäre aber sehr wohl ein Ausschluß, weil es hier einfach keine Alternative dazu gibt. Es gibt hier keine Internet-Cafes oder sonstigen öffentlichen Internet-Zugänge. Und Internetbanking usw. wäre da auch nicht möglich.


tonne
27.9.2011 12:35
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@Christian: “Kauders Motivation ist ganz schnell erklärt:
http://www.bdmv-online.de/wir-ueber-uns/praesidium

Nein, das ist so eine Art Blaskapellendachverband. Das sind nicht primär die, die sich durch Raubmordkopien und Downloads betroffen fühlen.


Anna Freud
27.9.2011 18:50
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Zu den meisten Ihrer Punkte ist mir die Frage gekommen: könnte man nicht einfach sagen: geh ins Internet-Café? In Frankreich gibt es diese Three-Strikes doch auch schon? Wie machen die das denn? Die haben zwar eine andere Verfassung, aber so unähnlich ist die unserer auch nicht. Berufsfreiheit werden die jedenfalls mit Sicherheit kennen (würde ich zb aus dem 1. Artikel herleiten: http://www.assemblee-nationale.fr/deutsch/8cb.asp)
Wie wäre das also mit öffentlich zugänglichem Internet?

Zu 15: das Problem gibt es analog auch bei Hartz-IV, vor allem bei WGs. Wenn da einer Hartz-iV beantragt, dann können theoretisch alle aus der WG als dessen Wohngemeinschaft gelten, ähnlich einer Lebenspartnerschaft (von Rechtsschutz der Anderen dagegen wüsste ich nichts) und, wenn sie ein eigenes Einkommen haben, darauf verpflichtet werden, den Hartz-IV-Berechtigten mit zu finanzieren, was im krassesten Fall heißen kann, dass er so gut wie nichts von der ARGE erhält. Er oder die Anderen müssen, jedenfalls nach aktueller Lage, ausziehen, um dieses Problem zu beheben. Für Fammilien gilt das selbe (ersichtlich zb. wenn Jugendliche in Hartz-IV-Haushalten in den Ferien jobben und dieses Einkommen dann vom Satz der Eltern abgezogen wird, weil eben “Gemeinschaft”.)
Scheint mir ein wenig die Tendenz unseres Rechtsstaates zu sein, nicht-familiale Lebensformen(oder je nach dem ,wie man seine Familie definiert: nicht blutsverwandt-familiale) Lebensformen allgemein zu diskriminieren zu Gunsten der Familie an sich.
Wobei das im Falle von Punkt 15 ja tatsächlich selbst die Familie als Ganzes schädigen würde, was der “Familienpartei” CDU/CSU ja nun ganz schlecht zu Gesicht stehen würde.

Könnte man dieses Problem aus 15 vielleicht dadurch lösen, dass man den Anschluß ummeldet, so theoretisch?

Im Übrigen Zustimmung, dass man solche Aussagen, nur weil man sie für dümmlich hält, nicht einfach übergehen kann und sollte.


Hadmut
27.9.2011 19:01
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@Anna Freud:

Nein. Allein schon, weil ich hier im Umkreis von x km kein einziges Internet-Cafe kenne. Sowas gibt es in Deutschland eigentlich kaum noch, auf dem Land schon gar nicht.

Und weil man bestimmte Dinge (Telebanking usw.) im Internet-Cafe nicht bzw. nur unter Aufgabe des Verstandes machen kann.

Und weil es im Internet-Cafe – entgegen seinem Namen – nicht Internet, sondern nur Web gibt.