Ansichten eines Informatikers

Zur Luca-App

Hadmut
8.1.2022 23:25

Zwei Meldungen.

Gesetzt den Fall, man wollte das tun, warum sollte man da ausgerechnet die Luca-App-Macher verwenden, die sich ja nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert haben?

Und warum hört man von den Pro-Luca-Promis Smudo und Ranga Yogeshwar eigentlich nichts mehr?

Funktioniert da überhaupt was? Luca soll ja eigentlich der Nachverfolgung von Kontankten dienen.

Focus: Kontaktnachverfolgung kaum mehr möglich – Berliner Amt gibt auf: “Das System ist vor Wochen zusammengebrochen”

Das Amt Berlin-Neukölln hat die Kontaktverfolgung nun größtenteils eingestellt. Der epidemiologische Nutzen stehe in keinem Verhältnis zum Aufwand und sei nicht mehr sinnvoll, so der Amtsleiter. […]

Vor Weihnachten waren bundesweit die Gesundheitsämter komplett überlastet – eine Kontaktnachverfolgung war wegen der hohen Anzahl an Neuinfektionen vielerorts nicht mehr zu stemmen. „Eine flächendeckende Nachverfolgung findet im Moment fast gar nicht mehr statt“, räumte die Verbandschefin der Amtsärzte, Ute Teichert, Ende Dezember gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) ein.

Die Omikron-Welle wird Modellierungen zufolge zu täglichen Infektionszahlen im sechsstelligen Bereich führen und die Behörden an ihre Grenzen bringen. Für Teichert stehen die Gesundheitsämter “womöglich vor einer so großen Belastung wie nie zuvor”. Das Gesundheitsamt Berlin-Neukölln hat die die Kontaktnachverfolgung nun größtenteils eingestellt.

“Das System ist schon vor Wochen zusammengebrochen – nicht nur bei uns”, sagt Amtsleiter Nicolai Savaskan gegenüber der “Welt”. Schon im November mussten sie priorisieren, welche Fälle nachverfolgt werden, nun konzentrieren sie sich auf Ausbrüche in medizinischen Einrichtungen, Hotels und Gemeinschaftsunterkünften.

“Der epidemiologische Nutzen der Nachverfolgung steht in keinem Verhältnis zum Aufwand – und ist auch nicht mehr sinnvoll”, erklärt Savaskan.

Das Problem ist dabei wohl weniger Luca selbst, als das Behördensystem

Die Bundesregierung hatte den Gesundheitsämtern mit Sormas eine Software für eine leichtere Nachverfolgung zur Verfügung gestellt. Sie erhalten darüber positive Corona-Testergebnisse aus den Laboren, können Kontakte nachverfolgen und Quarantänebescheide ausstellen. Wie das Gesundheitsministerium auf Nachfrage des “RND” mitteilte, sind bisher 93 Prozent der Gesundheitsämter an das System angeschlossen. Doch nur 40 Prozent aller Ämter verwenden die Software auch, die wegen technischer Probleme immer wieder in der Kritik steht.

Die Software sei so schlecht, dass verschiedene Fachbereiche in den Ämtern nicht miteinander kommunizieren könnten – geschweige denn Ämter, die in verschiedenen Landkreisen liegen, sagt Savaskan. “Die Behörden werden von der vorgesetzten Software kastriert. Dabei ist diese Problematik nicht neu – sie wird aber immer wieder vergessen.”

Ich habe keine Ahnung, was die da eigentlich treiben.

Aber ich hatte das so verstanden, dass die Luca-App quasi den Außendienst betreibt, von den Leuten die Adressen und Aufenthaltsorte erfasst und an die Behörden zuliefert. So muss es ja eigentlich auch sein, denn woher sollten sie die nötigen Informationen auch sonst bekommen? Gibt ja eigentlich nur die offizielle COVID- und die Luca-App, und viele Restaurants in Berlin haben nur den Bepper für die Luca-App am Eingang.

Aus der WELT:

WELT: Scheitert die Kontaktnachverfolgung nicht auch an mangelnder Modernisierung und verfehlter Digitalisierung?

Savaskan: Absolut. Ein Amt besteht in der Regel aus fünf Fachbereichen – die können nicht untereinander kommunizieren, weil die Software dazu so spezifisch ist und so schlecht, dass sie kein Interface bietet. Auch zwischen Ämtern, die in verschiedenen Landkreisen liegen, klappt das nicht. Die Behörden werden von der vorgesetzten Software kastriert. Dabei ist diese Problematik nicht neu – sie wird aber immer wieder vergessen.

WELT: Das System ist marode.

Savaskan: Ja. Und die Gesundheitsämter stehen wieder mal als Deppen der Nation da. Dabei ist wichtig: Nicht die Behörden entscheiden über den Einsatz von Technik und Software, sondern die Landespolitik – schlussendlich also Personen, die nicht auf der Anwender-Ebene tätig sind und nicht mit Patienten kommunizieren.

Und die Landespolitik besteht aus Parteien, also den unfähigsten und inkompetentesten Leuten, die man für den Job auftreiben konnte.

Hat man sich den Aufwand denn nicht überlegt, der zur Nachverfolgung erforderlich ist?

Normalerweise lernt man das in Informatik, von Algorithmen und Programmen den Aufwand abzuschätzen und sich zu überlegen, ob das überhaupt quantitativ funktionieren kann.

Das hat man hier anscheinend nicht so sorgfältig betrieben (oder verschwiegen), dass das alles dann, wenn es zur Sache geht, schon nicht mehr durchführbar ist.

Wohlgemerkt: Die Luca-App stammt von einer Ausgründung des Hasso-Plattner-Instituts, und die beanspruchen, die zukünftige Informatik zu gestalten. Nicht nur, dass es da früher schon Schlampigkeiten gab, stellt sich die Frage, ob das überhaupt umsetzbar ist. Und jetzt wollen ausgerechnet die gleich den Personalausweis mit dem Impfpass verbinden?

Aus der Berliner Zeitung:

Die Luca-App ist mit mehr als 40 Millionen Nutzer eine der erfolgreichsten Apps Deutschlands. Millionen Menschen checken mit ihr regelmäßig in Restaurants und bei Veranstaltungen ein. Gleichzeitig reißt die Kritik von Datenschützern nicht ab. CEO Patrick Hennig spricht über den Hintergrund der Vorwürfe, die Auswirkungen von Omikron und die nächsten Schritte. […]

Was müsste denn passieren, damit Luca hier richtig genutzt werden könnte?

Die Politik müsste den Gesundheitsämtern sagen: „Ihr müsst das einheitlich nach einem bestimmten Workflow digital umsetzen.“ Zum Beispiel habe ich gestern gehört, dass in Sachsen die Gesundheitsämter abgefragt wurden, ob sie die Kontaktnachverfolgung in 80 Prozent der Fälle innerhalb von 48 Stunden hinbekommen. Alle Gesundheitsämter mussten das wohl verneinen. Das zeigt doch, es liegt nicht an der Technik. Man braucht entweder mehr Ressourcen oder bessere Prozesse.

Es geht also um ein Ressourcenproblem. Brauchen Gesundheitsämter einfach mehr Mitarbeiter?

Generell ist es schon auch ein Personalproblem. Die großen Gesundheitsämter können sich so was leisten. Aber das Gesundheitsamt Hintertupfingen nicht. Außerdem ist die Finanzierung der Ämter überall unterschiedlich geregelt. Bayern ist das einzige Land, wo ein Großteil der Gesundheitsämter direkt vom Land gesteuert wird. Ich kenne Fälle, da kannten Bundesländer nicht einmal die E-Mail-Adressen der eigenen Gesundheitsämter. Das heißt, sie haben oftmals selbst keinen Kontakt zu allen Gesundheitsämtern.

Heißt: Eigentlich funktioniert es nicht, weil die Luca-App dazu dient, die Adressen einer Infrastruktur von Gesundheitsämtern zu liefern, die damit nicht klarkommt.

Wo funktioniert es denn überhaupt?

Die Situation bei den Ämtern ist eben nicht deutschlandweit dieselbe. Wo läuft es denn noch gut?

Neben Bayern auch in Baden-Württemberg, bevor man dort die Verantwortung abgegeben hat und den Gesundheitsämtern gesagt hat, dass sie keine Nachverfolgung mehr machen sollen. Aber auch in Niedersachsen oder Hamburg klappt das zum Beispiel sehr gut. In Hamburg hat man den Prozess einfach in digitale Workflows zerlegt und daher können die jetzt statt Experten für die Kontakt-Nachverfolgung auch Bundeswehrsoldaten mit reinnehmen. Weil: Dann macht ein neuer Mitarbeiter eine kurze Schulung für den Teilprozess. Dann kriegt man die Aufgaben-Tickets und kann sofort unterstützen. Dafür müssen Mitarbeiter nicht den ganzen Gesundheits-Case verstehen oder Arzt sein.

Und wie sieht es in Berlin aus?

Was in Berlin in Friedrichshain-Kreuzberg passiert, ist schon gut. Ich glaube, bis vor kurzem haben sie Luca noch genutzt. Kann durchaus sein, dass sie jetzt auch völlig überlastet sind. Dort wurden bisher viele Gäste über Luca gewarnt, auch wenn es gar nicht notwendig war, immer Kontaktdaten abzurufen. Friedrichshain-Kreuzberg hat es richtig eingesetzt, um Menschen entsprechend einfach zu warnen. In Neukölln beispielsweise wurde Luca bisher meines Wissens gar nicht genutzt, damit wird folglich auch kein Gast bei einem möglichen Risiko gewarnt.

Oh.