Ansichten eines Informatikers

Vom (charakterlichen) Sterben des Leslie Mandoki

Hadmut
25.8.2021 19:57

Es sind nicht die Maßstäbe, die mich so besonders ankotzen.

Es sind die doppelten.

Auf Focus gibt es gerade eine Jammerarie des „Star-Trompeters Till Brönner“ (kenne ich nicht), und der „Produzenten-Legende Leslie Mandoki“ (kenne ich, aber wahnsinnig viel mehr als Dschingis Khan und Medienbilder von seinem turnhallengroßen Musikraum mit unzähligen Instrumenten fällt mir da jetzt auch nicht ein). Till Brönner und Leslie Mandoki mit dramatischem Corona-Appell: “Wir sterben ohne Publikum”

Tja, will man da sagen, aber das Publikum stirbt halt nicht ohne Euch. Die größten Corona-Alarmgeber würden eher sagen, dass Musiker und Publikum eher miteinander sterben als getrennt.

Kulturschaffende trafen die letzten eineinhalb Jahre besonders hart: Sie konnten nicht auftreten, Einkommensquellen blieben aus.

Ah, ja. Wenn’s an die eigene Kasse geht, kriegen sie das Maul plötzlich auf.

Ich könnte mich aber beim besten Willen nicht erinnern, dass es irgendeinen dieser Künstler jemals geschert hätte, wer aufgrund der politischen Verhältnisse und des ganzen linken Systems mit Quoten, Hausbesuchen, Terror, Leuten, die aus politischen Gründen ihren Stellungen und Berufen und Einkommensquellen gedrückt wurde. Im Gegenteil, da sind dann viele Musiker bei irgendwelchen politischen Konzerten dabei und singen, dass man den Bullen doch mal in die Fresse schlagen sollte (so sinngemäß, war da nicht was mit Feine Sahne Fischfilet oder den Toten Hosen?)

Im vergangenen Jahr hatte sich Star-Trompeter Till Brönner in einem viel beachteten Facebook-Video seinen Corona-Frust von der Seele geredet, die Bundesregierung für die in der Pandemie mangelnde Unterstützung für die Veranstaltungs- und Musikbranche scharf kritisiert. Man könne nicht Konzernen “Milliarden in den Vorgarten werfen”, so der Jazzmusiker, Kulturleute aber mit Hartz IV abspeisen und sich gleichzeitig immer wieder als “Land der Dichter und Denker” bezeichnen.

Ich hätte gewisse Zweifel, ob Musiker unter Dichter oder Denker fallen. Besonders bei Trompetern fällt mir das schwer, obwohl die Trompete Dichtungen hat.

Ich habe ohnehin ein – schon öfters geäußertes – Problem damit, dass wir uns wegen zwei, drei Dutzend Leuten, alle längst tot, als „Land der Dichter und Denker“ bezeichnen, aber beispielsweise trotz Millionen nicht als „Land der Analphabeten“, „Land der Hartz IV-Bezieher“, „Land der Quotentussis“ oder meinetwegen auch „Land der Nazis“, „Land der Alkoholiker“, „Land der Abtreibenden“, „Land der Steuerhinterzieher“ oder „Land der Erwerbsunwilligen“.

Ich habe nie verstanden, was an uns während meiner erlebten Lebenszeit so mit Dichtern oder Denkern zu tun haben sollte, dass es charakteristisch prägend sein sollte.

Was genau heißt das eigentlich?

„Man könne nicht Konzernen “Milliarden in den Vorgarten werfen”, so der Jazzmusiker, Kulturleute aber mit Hartz IV abspeisen ..“

Sollen wir da auch noch ein paar Milliarden rauswerfen?

Mal im Ernst: Die Konzerne sind unsere Substanz, sie bieten Arbeitsplätze, erwirtschaften das Bruttoinlandsprodukt, den Export, betreiben Forschung.

Und was machen die Künstler?

Also viel ist es nicht. Und die meisten kommen und gehen. Übrigens: Wenn ich überhaupt Musik höre und was ich in meiner Sammlung habe, ist nicht nur fast alles aus dem letzten Jahrtausend. Ich habe auch praktisch alles auf Musik-CDs, obwohl ich seit rund 15 Jahren fast keine mehr kaufe. Weil irgendwie seit Jahren nichts mehr kommt, was mich noch irgendwie anspricht oder unterhält. Wenn ich Musik suche, dann höre ich im Radio Sendungen über die Musik der 80er, oder kratze von Youtube Jahrzehnte alte Videos. Aktuelle Musik wirkt auf mich kunstlos, und ich kann mich nur an ganz wenige Stücke der letzten Jahre erinnern, kaum welche, von denen ich jetzt Text oder Melodie hinbekäme. Das spricht mich nicht an, das wirkt alles so massenproduziert.

Die letzte Live-Veranstaltung in Deutschland, die mir richtig Spaß gemacht hat, waren, wenn ich mich jetzt richtig erinnere, eine Truppe japanischer Trommler. Ich kann mich aber erinnern, um einige Veranstaltungen einen Bogen gemacht oder welche, in die ich unfreiwillig oder zufällig geraten war, fluchtartig zu verlassen, weil es anscheinend nur noch darauf ankommt, möglichst laut zu machen. Mir tut vieles, was andere sich heute so anhören, vom schieren Schalldruck schlicht in den Ohren weh. Musiker, die zu laut aufdrehen, fallen für mich in dieselbe Kategorie wie Köche, die zu scharf kochen: Ich unterstelle ihnen, dass sie damit übertünchen wollen, dass sie eigentlich nicht kochen können und es nicht schmeckt.

Und mit dem ganzen Rap- und Hip-Hop-Kram könnt Ihr mich sowieso jagen. Ich bin altmodisch veranlagt und erwarte Melodien und Gesang, und keinen Hirnschrittmacher.

Ja, doch, natürlich gibt es prima Musik. Aber ich finde die meistens im Ausland. Oder wenn hier, dann in Form von Musikgruppen, die entweder alte oder ausländische Musik spielen. USA, England, Australien. Aktuelle deutsche Künstler, die ich für interessant finde, fallen mir jetzt nicht ein. Reinhard Mey macht nicht mehr viel, Nina Hagen ist nicht mehr gut drauf, Helene Fischer ertrage ich gar nicht, Andrea Berg ist mir völlig wesensfremd, Nena hat nicht mehr alle Latten am Zaun, Vanessa Mai sieht gut aus, ist mir aber gesanglich nie aufgefallen, und generell fallen mir sowieso fast nur Leute ein, die mittlerweile mindestens im Rentneralter oder tot sind. Zu Männern fällt mir gerade noch weniger ein. Grönemeyer halte ich für persönlich abstoßend. Jürgens ist tot. Und von den vielen jüngeren Sängern schafft es schlicht keiner, in meinem Gedächtnis hängen zu bleiben. In den 70er und 80er Jahren hatten wir eine ziemlich große Branche an Schlagersängern, dazu die neue deutsche Welle. Aber was haben wir heute?

Die einzige, die mir im Moment gerade positiv einfällt, ist Ina Müller. Deren Talkshow sehe ich gerne.

Der einzige, der mir im Moment gerade positiv einfällt, ist Peter Maffay. Der hat mir neulich imponiert, weil er erklärt hat, wie Musiker durch die modernen Vertriebswege abgezockt werden und seinen Namen und Vertriebsaccount bei irgendeiner Online-Platform einem Fernsehteam zur Verfügung gestellt hat, um mal den Fake durch eingekaufte Klicks auszuprobieren.

Beides keine musikalischen Gründe.

Für Musiker Leslie Mandoki ist die Corona-Pandemie „ein Charaktertest unserer solidarischen Gemeinschaft“. Als Künstler sehe er sich in der Verantwortung, gegen die Spaltung der Gesellschaft einzutreten.

Jo.

Und wann hätte er das schon mal getan?

Seinen Äußerungen nach, die mir schon mal gewaltig auf den Wecker gingen, ist der Mann ziemlich sozialistisch drauf, aber

Vor 46 Jahren flüchtete Produzenten-Legende und Musiker Leslie Mandoki unter Schießbefehl aus Ungarn nach Deutschland.

gelernt hat er daraus offenbar nichts, von wegen „Dichter und Denker“. Etwa dass der Sozialismus die größte und übelste spaltende Energie unserer Zeit ist, und dieses Geschwätz von der „solidarischen Gemeinschaft“ ein kommunistisches ist.

Dass die zwei hier ankommen und eine sozialistische Alimentierung von Künstlern fordern, ist das eine. Das kann man ja noch als politischen Standpunkt einordnen.

Dass sie das dann aber nur für sich fordern, es die Künstler aber noch nie interessiert hat, wie dieser linke Komplex mit anderen umgeht, und wieviele Leute aus Beruf und Einkommen gedrängt werden, dass ist dann so richtig verlogen, so verlogen wie Sozialismus eben. Das ist dann die Solidarität der Sorte Orwell: All animals are equal. But some animals are more equal than others.“

Warum eigentlich müssen normale Angstellte zwangsweise in eine Arbeitslosenversicherung einzahlen, während Musiker erwarten, dass die Gesellschaft für sie einspringt?

Was hat diese Leute davon abgehalten, in irgendeine Versicherung oder irgendeine Geldanlage einzuzahlen?

Warum sollten Musiker da besser gestellt werden als andere Freiberufler? Beispielsweise Reiseführer?

Ich halte es für unverschämt und verlogen.

Warum soll ich als Steuerzahler Leute durchfüttern, die ihrerseits nie in die Arbeitslosenversicherung einzahlten und sich nicht nur einen Scheiß drum kümmern, wie es anderen geht?

Und nein, ich halte die Deutschen in Musik nicht für führend. (Stichwort auch: European Song Contest) Sondern sogar für ziemlich abgehängt.

Sorry. Aber: Man weiß etwas zu schätzen, wenn man es nicht mehr hat.

Deutsche Musiker habe ich gerade gar nicht mehr, aber: Mir fehlt nichts. Ich vermisse sie nicht.

Und ich sehe absolut nicht ein, warum Musiker gegenüber anderen eine Sonder- oder Vorzugsbehandlung bekommen sollten. Oder warum sie für sich eine Solidarität einfordern könnten, die sie selbst anderen nie gewährt haben.

Warum eigentlich sollten Musiker die Freiheit politischer Bekenntnisse und politischer Konzerte haben, der Steuerzahler aber nicht die politische Wahl, wofür er zahlt und wofür nicht?