Ansichten eines Informatikers

Die trojanische List

Hadmut
11.8.2021 15:51

Die war wohl wesentlich subtiler als bisher bekannt. Nachtrag: Odysseus

Ich hatte doch gerade von Übersetzungsfehlern berichtet, dass etwa das trojanische Pferd vielleicht gar kein Pferd, sondern ein Schiff war, was ich mal irgendwann im Fernsehen gesehen und wieder vergessen hatte, woran mich aber eine Leserin erinnert hatte. Das hatte ich im Blog-Artikel eben erwähnt (auch, dass ich mir mal überlegt habe, ob die Legende, dass die Gründer von Rom, Romulus und Remus, von einer Wölfin gesäugt wurden, ein Übersetzungsfehler ist, und die in Wirklichkeit zwei Hurensöhne waren, die Mutter nur im Hauptberuf jungfräuliche Priesterin der Vesta, im Nebenberuf vielleicht doch Hure, die dann von der Puffmutter aufgezogen wurden, und die weniger göttlich, sondern mehr so wie Bud Spencer und Terence Hill drauf gewesen sein könnten). Ich wusste aber nicht mehr genau, wann und wo ich das im Fernsehen gesehen hatte.

Ein Leser hatte dazu das passende Terra-X-Video auf Youtube gefunden. Hier nochmal:

Darin gehen sie nicht nur der Frage nach, ob das „Pferd“ in Wirklichkeit ein Schiff gewesen sein könnte, weil die die damals so nannten, hippos, sondern auch, warum die Trojaner überhaupt so dumm gewesen sein sollten, nach 10 Jahren Krieg eine Hinterlassenschaft ihrer Feinde in die Stadt zu ziehen. Und bei einem Pferd nicht argwöhnisch wurden. Was sollte das überhaupt? Warum brennt man sowas nicht nieder?

Und da gibt es einen verblüffenden Zusammenhang.

Im Video nämlich erklären sie, dass sie aus dem Fund eines gesunkenen Schiffes schließen, dass es damals diplomatisch üblich war, dass sich Könige gegenseitig Schiffe mit wertvollen Geschenken schickten. Als diplomatische Geste. Geschenke im Schiffsformat, um sich die Gunst des Beschenkten zu erkaufen, seien nicht unüblich gewesen.

Wenn es aber kein Pferd, sondern ein mit Geschenken beladenes Schiff gewesen wäre, hätten die Trojaner es im Rahmen der diplomatischen Gepflogenheiten als Unterwerfungsgeste angenommen. Falls das historische Troja tatsächlich das war, wo sie jetzt diese Ausgrabungsstätte haben, wäre das sogar ziemlich kurios gewesen, 6 km vom Strand entfernt, ein Schiff vor die Stadtmauer zu stellen. Das hätte den Unterwerfungscharakter noch unterstrichen.

Sie zeigen noch anhand eines Bronzefries, dass das damals üblich war, dass der im Krieg unterlegene dem Sieger seinen Tribut in Form beladener Schiffe abliefert, womöglich um da wieder etwas das Verhältnis zu beruhigen. Der Verlierer hat seinen Tribut mit einem Hippos entrichtet – einer Art Schiff, die Pferd genannt wurde.

Der Brüller ist nun der:

Warum sollten die Trojaner ein Schiff in die Stadt ziehen, statt sich einfach die Waren zu nehmen?

Sie vermuten, die Geschichte funktionierte nur deshalb, weil es ein Weihgeschenk an Athene gewesen sei. Deshalb sei es Eigentum der Göttin Athena gewesen, und die Trojaner deshalb religiös verpflichtet, das Eigentum der Athena auch zu deren Niederlassung gebracht werden, also dem Heiligtum oder Tempel der Athena, und das habe sich eben in der Stadt befunden.

Hätten die Griechen da nun also ein mit Geschenken beladenes Schiff hingestellt und wären (scheinbar) abgezogen, hätte das für die Trojaner wie das Eingeständnis der Niederlage und plausibel als die übliche Form der Entrichtung des Tributes des Unterlegenen an den Sieger ausgesehen und nicht ungewöhnlich. Wenn es dann noch als Opfergeschenk an die Göttin Athena dagestanden hätte, hätten die Trojaner gar nicht mehr anders gekonnt, als das Geschenk anzunehmen und es zu seiner Eigentümerin, nämlich Athene, also in deren Tempel zu bringen – und der war in der Stadt.

In dem Artikel der Jerusalem Post, in dem sie beschreiben, dass türkische Archäologen nun glauben, sie hätten die Überreste des trojanischen Pferdes gefunden, bis zu 15 Meter lange Planken, heißt es aber nun:

Archaeologists also discovered a damaged bronze plate with the inscription, “For their return home, the Greeks dedicate this offering to Athena.” Quintus Smyrnaeus refers to this plate in his epis poem “Posthomerica.”

Sie haben also eine Bronze-Plakette gefunden, auf der steht: „Die Griechen opfern diese Gaben der Göttin Athena für eine sichere Heimkehr.“

Dies würde exakt zu der im Video dargestellten Theorie passen.

Wenn die Griechen also nicht nur vorgetäuscht hätten, dass sie auf- und den Krieg verloren geben, sondern auch ein Schiff vom Typ „Pferd“ voller Opfergaben hinterlassen, dorthin stellen, und noch dranschreiben, dass es ein Opfer an Athene sei, damit sie gut nach Hause kommen, wäre den Trojanern gar nichts anderes übrig geblieben, als das Opfergeschenk anzunehmen, da nicht argwöhnisch zu sein und es zum Tempel der Athene zu bringen.

Und genau das könnte auch der Grund sein, warum sie das Ding nicht sonderlich inspiziert haben.

Und dann wäre es natürlich plausibel, wenn da irgendwo im Schiff Leute versteckt waren, zwischen den Waren, in Hohlräumen, die dann nachts vom Tempel aus losgeschlagen und die Tore geöffnet haben.

Das jedenfalls ergäbe eine sehr viel plausiblere und verständlichere List, als die alte Sage, dass die da einfach ein Holzpferd hinstellen und die Trojaner nach 10 Jahren erfolgreichem Widerstand dann einfach so blöd sind, das Ding ohne triftigen Grund in die Stadt zu stellen. Wer wäre nach 10 Jahren Krieg so dämlich und leichtgläubig?

Das passt dann auch zur Asterix-Bildung. Timeo danaos, et dona ferentes. Ich fürchte die Griechen, auch wenn sie Geschenke bringen. Etwas ausführlicher bei Vergil:

In der Aeneis (Buch II, Vers 42–49) lässt Vergil den Priester Laokoon sagen: „O miseri, quae tanta insania, cives? creditis avectos hostis? aut ulla putatis dona carere dolis Danaum? sic notus Ulixes? aut hoc inclusi ligno occultantur Achivi, aut haec in nostros fabricata est machina muros, inspectura domos venturaque desuper urbi, aut aliquis latet error; equo ne credite, Teucri. quicquid id est, timeo Danaos et dona ferentis.“[2]

„Was treibt für ein Wahnsinn euch, ihr betörten Bürger? Ihr wähnet den Feind entflohn? Glaubt, ohne Betrug sei irgend ein griechisch Geschenk? So schlecht kennt ihr den Odysseus? Nein, es verschließt dies Holz entweder verborgne Achiver, oder das Werk ist erbaut zum Verderb für unsere Mauern, dass in die Häuser es schau und die Feste von oben bedrohe, oder es birgt sonst Trug. Traut nicht, ihr Teukrer, dem Rosse! Was es auch sei, ich fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke bringen.“[3] Die Wendung „Fürchte die Danaer, auch Geschenke bringende!“ lautet „φοβοῦ τοὺς Δαναοὺς καὶ δῶρα φέροντας“ phobou tous Danaous kai dōra pherontas im Griechischen.

Das englische Sprichwort Beware of Greeks bearing gifts (deutsch: Hüte dich vor Griechen mit Geschenken) geht auf denselben Vers in Vergils Aeneis zurück.

Gut, nun war Virgil weder zeitlich, noch räumlich oder kulturell in der Lage, da dabei gewesen zu sein, aber es würde dazu passen, dass es nicht um das Pferd oder das Schiff ging, sondern um einen Haufen von Geschenken darin. Die letztlich dann den Zwang auslösten, den ganzen Krempel samt Schiff zum Tempel der Athene zu bringen.

Nachtrag: Mir fällt gerade noch etwas anderes auf.

Die Odyssee ist ja das zweite Werk von Homer nach der Ilias über den trojanischen Krieg. Odysseus wird darin ja als sehr listenreich beschrieben. Wird ja oft „der listenreiche Odysseus“ genannt. Und die List mit dem Pferd soll ja von Odysseus persönlich ersonnen worden sein. Die Odyssee beschreibt ja den Rückweg von Odysseus vom trojanischen Krieg.

Um als Spion unbemerkt nach Troja hineinzukommen, ließ Odysseus sich geißeln und verkleidete sich als Bettler. Helena erkannte ihn, verriet ihn aber nicht und erfuhr von ihm den Plan der Griechen zur Eroberung der Stadt. Er brachte mehrere Trojaner um und gelangte, um Wissen über einige feindliche Absichten bereichert, sicher ins griechische Lager zurück.

Er könnte also gewusst haben, dass es in Troja einen Tempel der Athene gab, wo er ist, und wie man ihn für einen Angriff ausnutzen kann.

Athene spielt in der Ilias und Odyssee immer wieder eine große Rolle, beispielsweise bittet Hektor Athene beim Angriff der Griechen erfolglos um Beistand. Odysseus selbst verleugnet sich ihr gegenüber:

Gegenüber Athena, die ihm kurz nach der Landung auf Ithaka in Gestalt eines jungen Mannes begegnet, gibt Odysseus im 13. Gesang an, aus Kreta zu stammen. Er habe dort Orsilochos, den Sohn des Idomeneus erschlagen. Er sei mit in den Troianischen Krieg gezogen, aber nicht unter Idomeneus Führung, sondern mit eigenen Gefährten. Orsilochos habe ihm nach der Rückkehr die gesamte Beute aus Troja rauben wollen. Daher habe er Orsilochos nachts aufgelauert und mit einem Speer getötet. Danach habe er sich sofort zu einem phönizischen Schiff begeben und den Phöniziern einen Teil seiner Beute dafür angeboten, dass sie ihn nach Pylos oder Elis bringen. Vor der Westküste der Peloponnes trieb sie jedoch der Wind ab und sie gelangten nach Ithaka. Während Odysseus am Ufer schlief, luden die Phönizier dessen Schätze aus und segelten ohne ihn nach Sidon.[4]

Im 14. Gesang erzählt Odysseus dem Sauhirten Eumaios eine anfangs ähnliche, dann aber stark abweichende und längere Lügengeschichte, die auch den zeitlichen Abstand zwischen dem Fall Trojas und seiner Ankunft auf Ithaka berücksichtigt:[5] Wiederum behauptet Odysseus, aus Kreta zu stammen und Anführer eines kretischen Kontingents im Trojanischen Krieg gewesen zu sein. Er gibt sich als Sohn eines reichen Mannes und einer Sklavin aus, der von seinem Vater aber genauso geliebt wurde wie seine ehelichen Söhne.

Eine Göttin anzulügen, das ist nicht unbedingt vereinbar mit großer Gläubigkeit. Daher wäre es auch plausibel, sie für eine List zu missbrauchen.