Ansichten eines Informatikers

Die Webseite der Universität Wittenberg

Hadmut
24.1.2021 3:17

Schön, aber kleiner Schönheitsfehler.

Heise beschreibt, dass die Uni Wittenberg mit etwas Verspätung jetzt auch endlich eine Webseite hat. Was selbst für deutsche Verhältnisse und sogar mit Berücksichtigung der BER-Bauzeit etwas spät ist, denn die Uni Wittenberg wurde 1817 geschlossen, seither gibt es sie nicht mehr. Wie immer im öffentlichen Dienst in Deutschland dauert manches etwas länger.

Nette Idee.

Arger Schnitzer:

Seit es das Internet gibt, hat jede Institution, die etwas auf sich hält, eine eigene Website. Wer keine hat, existiert in der allgemeinen öffentlichen Wahrnehmung im Grunde nicht – bzw. hat nicht existiert.

Uuuh, böser Fehler.

Das Internet wurde so in den 60er/70er Jahren entwickelt, in den 80ern wurden auch die deutschen Unis angeschlossen, erst in den 90ern wurde das Web und die Website erfunden, und erst in den 2000ern kam das in Mode, dass jede Institution eine hat.

Aber für eine 1817 geschlossene Uni ist das halbwegs entschuldbar, da mal so 20, 30 Jahre daneben zu liegen.

Und die personenbezogenen Daten in Form der Matrikelbücher aus dem 16. bis 19. Jahrhundert auf die Webseite zu packen, wäre auch was für den Datenschutzbeauftragten. Haben die wirklich alle eingewilligt?

Immerhin ist deren Datenpersistenz deutlich besser als die heutiger Universitäten. Und dass ich auf meine alten Tage nochmal Latein lese, hätte ich auch nicht gedacht. Das Curriculum hätte mich interessiert.

Fakultäten hatten sie vier, Kunst (Philosophie mit Naturwissenschaft), Theologie, Jura und Medizin.

Da denke ich doch an Goethes Faust:

“Habe nun, ach! Philosophie,
Juristerei und Medizin,
Und leider auch Theologie
Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
Da steh ich nun, ich armer Tor!
Und bin so klug als wie zuvor;
Heiße Magister, heiße Doktor gar
Und ziehe schon an die zehen Jahr
Herauf, herab und quer und krumm
Meine Schüler an der Nase herum-
Und sehe, daß wir nichts wissen können!
Das will mir schier das Herz verbrennen.
Zwar bin ich gescheiter als all die Laffen,
Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen;
Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel,
Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel-
Dafür ist mir auch alle Freud entrissen,
Bilde mir nicht ein, was Rechts zu wissen,
Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren,
Die Menschen zu bessern und zu bekehren.”

Was mir auf einen Blick in die Matrikelbücher auffällt:

Es gibt Rektoren, Doktoren und die Schüler. Irgendwo tauchen noch die Magister auf.

Der Magister war schon der (Lehr-)Meister. Der Doktor schon der Dozent. Habilitation und Professur tauchen da zumindest anfangs (ich habe jetzt nur mal in die ganz alten Bücher geguckt) nicht auf.

Ich hatte das ja schon einige Male beschrieben, dass das deutsche Hochschulwesen schon seit seinem Entstehen (außerhalb der Kirchen) so im 14./15./16. Jahrhundert verdammt knapp bei Kasse war und sich deshalb durch Korruption und Schmiergelder finanzierte. Selbst in Preußen war es noch üblich, dass Abschlüsse und dergleichen durch „Sporteln” erworben wurden – die Professoren waren arm und hungrig, und eine gebratene Gans abzuliefern war der akademischen Karriere deshalb sehr förderlich. Der öffentliche Dienst in Preußen wurde generell nur dünn oder gar nicht entlohnt, das war Korruption der als normal angesehene Zustand.

Dann kam dazu, dass man – vergleiche Österreich – sehr viel auf Amtsbezeichnungen, Adelsbezeichnungen und Titel legte, aber nur sehr schwer und an Adelsbezeichnungen nur durch Geburt kam. Das einzige, was man ohne weiteres und nachträglich noch erwerben konnte, waren die Hochschulgrade, die eigentlich nur als akademische Lehrberechtigung gedacht waren. Also gab man den hungerleidenden Professoren Geld oder was zu essen und wurde im Gegenzug dann Magister oder Doktor genannt (heute immer noch so, nennt sich jetzt Drittmittel einwerben).

Also wurde daraus bald ein Geschäft, das ausuferte, weil gleichzeitig die Mode entstand, sich mit „Herr Doktor” anzureden, wenn man nichts von Geburt oder keinen von oben verliehenen Titel hatte.

Und weil das vor lauter Korruption schnell inflationär ausartete, und immer mehr korrupte Professoren immer mehr kompetenzlosen Schwindlern im Tausch gegen Geld, Gunst und gebratene Gänse Doktorgrade vergaben, die die Promovierten dann als ihre „Titel” ausgaben, musste man im deutschen Raum notgedrungen die Habilitation und die Professur einführen, um ernsthafte Wissenschaftler noch von Kaufdoktoren zu unterscheiden.

Und so kam man dann irgendwann bei Gender Studies und Franziska Giffey wieder raus.