Ansichten eines Informatikers

Nikon und der Untergang der Kameras

Hadmut
21.1.2021 17:48

Hmmm.

Ein Leser weist mich gerade auf etwas hin, was ich in den Social Media schon gesehen hatte, was aber von vielen auch bereits als Fake News einstuft wurde. Schwierige Sache.

Manche meinen, dass Nikon dasselbe Schicksal drohe wie Olympus, weil beide letztes oder vorletztes Jahr deutliche Verluste gemacht hatten. Dass Nikon deutlich kleinere Brötchen backt, war mir schon mal auf einer IFA und einem Fotoevent hier um die Ecke im alten Kraftwerk aufgefallen, als Canon da groß auftrumpfte und Nikon draußen im aufblasbaren Zelt oder in der kleinen Ecke stand.

Manche wenden ein, dass man Nikon mit Olympus überhaupt nicht vergleichen könne. Olympus habe eine jahrelange Misswirtschaft betrieben, und da gab es ja auch einen enormen Finanzskandal, als herauskam, dass die schon lange Verluste in der Bilanz verschleiert hatten. Zudem hat Olympus kein wirklich marktfähiges Produkt, weil die zwar schon sehr gute Kameras haben, aber die vor allem preislich im gehobenen oder Profibereich spielen, teils auch groß und schwer sind, aber trotzdem nur im kleinen Micro-Four-Thirds Format daherkommen, das sich im fotografischen Bereich eigentlich nicht durchgesetzt hat. Im Videobereich ist es sehr beliebt und wird von vielen benutzt, auch Panasonic, aber gerade da ist Olympus nicht so gut drauf. Und selbst Panasonic hat noch ein Vollformat-System aufgemacht. Nikon dagegen ist da eigentlich realtiv gut aufgestellt.

Andererseits hat Olympus ein Medizingeschäft und das Fotodings ist für die eher ein teures Hobby, von dem sie sich trennen konnten.

Nikon ist das Fotogeschäft und hat ein paar kleinere Nebengeschäfte. Die können ihre Kamerasparte nicht verkaufen, weil sie sonst nichts mehr sind.

Das Problem ist, dass Nikon im Management versagt hat. Wie ich auch selbst schon oft geschrieben habe, hat Nikon begnadete Techniker, aber ein hundsmiserables Produktmanagement. Die haben über Jahre viel Schrott verkauft (obwohl sie eigentlich besser könnten), sich mit dem Winzformat Nikon-1 verzettelt (anstatt bei Micro-Four-Thirds mitzumachen und damit am unteren Ende des technisch Brauchbaren zu bleiben), und sich auf den Lorbeeren früherer Jahre ausgeruht.

Der kapitale Fehler: Die Arroganz gegenüber Sony. Sony hat die schwindsüchtige Kamerasparte von Minolta aufgekauft und da tatsächlich was draus gemacht. Während Canon und Nikon als Platzhirsche völlig unbeweglich waren, hat Sony die mit den Spiegellosen und den Videofähigkeiten einfach überholt und abgehängt wie Apple damals Nokia mit ihrem iPhone. Da hat auch erst jeder gelacht: Ein Telefon ohne Tasten! Eine Spiegelreflexkamera ohne Spiegel!

Mit dem neuen Z-System hat Nikon seit längerer Zeit erstmals wieder etwas ordentliches geleistet (ich ärgere mich gerade, weil ich ursprünglich fest beschlossen hatte, mir die Z6 oder Z7 aus Prinzip nicht zu kaufen, weil sie nur die neuen, extrem überteueren und schwer erhältliche XQD/CFExpress-Karten hat, und die günstigen und in jedem Supermarkt erhältlichen SD-Karten nicht nutzen kann. Dann hatte ich mir im Sommer entgegen meines Vorsatzes doch eine gekauft, wegen der Corona-Langeweile und der verschobenen Reise und weil ich meine D800 aus verschiedenen Gründen nicht mehr auf Reisen verwenden will. Kaum hatte ich das Ding gekauft – und bis heute nur zum Testen verwendet – wurde die Z6 II angekündigt, die einen SD-Kartenslot und andere Verbesserungen hat. Hätte ich nur noch 6 Wochen gewartet… Sei’s drum.)

Ob sie damit aber noch gegen Sony ankommen können… die sind ihnen inzwischen halt voraus. Obwohl die Nikons in mancherlei Hinsicht besser als die Sony-Gegenstücke sind und es mehr und bessere Objektive gibt.

Nikon wird nicht viel anderes übrig bleiben, als sich gesundzuschrumpfen. Manche meinen, sie würden sich alleine auf das Z-System reduzieren müssen, sobald sie das so ausgebaut haben, dass sie da ein vollständiges Angebot haben.

Womöglich ist das Thema Fotografie aber im Ganzen tot und wird nur noch als Nischenprodukt und als Nebenprodukt der Videografie überleben.

Ein Leser hat mich dazu auf ein Video hingewiesen, den dritten Teil einer Serie zum Niedergang der Fotografie.

Der erklärt dort, dass die Aufmerksamkeit und Kenntnisnahme eigentlich nicht mehr nach eigenen Interessen verläuft, sondern nach den Algorithmen von Instagram und Youtube, was die einem in die Timeline spülen und zeigen.

Man fotografiert nicht mehr gut oder wie es einem gefällt, sondern nur noch so, dass es auf Youtube oder Instagram gut weg geht. So, wie Amazon steuert, was die Leute kaufen sollen, steuern die Social Media, was einem gefallen soll, was man aufnehmen will/muss/soll.

Und da käme es kaum noch auf die Qualität an, sondern auf die Kontinuität, die Regelmäßigkeit und hohe Taktzahl.

Letztlich braucht mal also keine gute Kamera mehr und muss nicht mehr fotografieren können, sondern braucht eher irgendso ein KI-Monstrum, das die Bilder gleich selbst optimiert und „verbessert”, damit sie instagrammig werden, und die gleich hochlädt.

Es gehe nicht mehr darum, ein hübsches Model gut zu fotografieren, sondern darum, dass die Abgebildete selbst die Macherin ist, weil sie „Influencerin” ist und Aufmerksamkeit will. Und die bekommt sie nicht über gute Fotos, sondern über Fotos, die zu den Algorithmen passen, nach denen sie Leuten vorgeschlagen wird.

Das gesamte Portfolio solcher Leute sei voller gleichartiger Bilder, auf denen sie versuchen, möglichst gut auszusehen, aber kein einziges stamme noch von einem Fotografen.

An dieser Stelle irrt er aber gewaltig, denn die großkommerziellen Influencerinnen haben stets ihre Profifotografen oder ganze Teams dabei, die aber genau so fotografieren, dass es aussieht, als sei es ein Amateur-Handy-Shot und sie da alleine unterwegs. Das ist Teil des Schwindels. Irgendwo, ich glaube, es war in England, ist mal ein Mädchen aufgeflogen, die da sehr berüht dafür war, aus ihrem kleinen Mädchenkinderzimmer Influencer-Videos zu machen, und niemand wunderte sich, wieso ein junges Mädchen so technisch perfekte Videos hinbekommt. Irgendwann hat dann mal einer das angebliche Kinderzimmer in irgendeinem professionellen Videostudiokomplex als dort aufgebaute Kulisse entdeckt, das war eine Produktion und das Mädchen nur deren Schauspielerin.

Das ganze Ding verlagert sich völlig vom Fotografieren an sich weg hin zum Geil-Aussehen der Abgebildeten und in Konkurrenz zu anderen den Takt zu erfüllen.

Es gehe nicht mehr um Landschaftsfotografie oder sowas, sondern nur noch darum, krankes, krasses Zeug aufzutürmen und Aufmerksamkeit zu holen.

Allerdings widerspricht er sich dabei etwas: Denn er sagt ja, dass das dazu verführe, dass man immer die neuesten Objektive und Kameras braucht. Das ist unlogisch, wenn er erst sagt, dass es auf das Fotografieren nicht mehr ankommt und nur noch Handy-Fotos zählen, und gleichzeitig jeder das neueste Modell brauche.

Und zwar tut sich bei der Fotografie gerade nicht mehr so viel bei neuen Modellen, aber im Videobereich legen die schon noch zu.

Aber es ist schon richtig:

Die Fotografie im herkömmlichen Sinne, das Aufhängen von Bildern an der Wand oder das Binden zu einem Fotobuch sind nahezu tot.

Es geht eigentlich nur noch um diesen Social-Media-Scheiß und darum, den Auswahlalgorithmen der Social Media zu gefallen.