Ansichten eines Informatikers

Ich habe den russischen Militärhistoriker wieder gefunden

Hadmut
15.11.2020 22:20

Ich hatte es so oft erwähnt, und eben hatte ich das endlich selbst wiedergefunden.

Und das ist gut. Einige neue Gedanken.

Ich hatte doch schon oft erwähnt, dass ich zum Thema 2+4-Vertrag und Einschränkung deutscher Souveränität ein Radiointerview mit einem russischen Militärhistoriker auf Youtube gefunden hatte, russisch mit englischen Untertiteln. Hatte ich falsch in Erinnerung, die Untertitel sind deutsch.

Nicht selten verwende ich die Google-Suche, um auf meiner eigenen Webseite zu suchen. Partout hat mir Google meine eigene Webseite nicht angezeigt, wenn ich die passenden Schlüsselwörter eingegeben habe.

Ich war mir aber sicher, das im Blog erwähnt zu haben und nämlich auch, dass mir irgendwer geschrieben habe, ich glaube, es war einer mit einer russischen Ehefrau, die das geprüft hat, und bestätigte, dass die Untertitel korrekt übersetzt sind. Wenn man genau hinhört versteht man ja auch ab und zu mal ein Wort, etwa Länder- oder Städtenamen. Amerikanskij oder sowas.

Ich habe das Video in meinem Archiv und dadurch auch in meinem Blog wiedergefunden. Komisch. Ist das in der Google-Suche wieder mal gesperrt?

Jedenfalls geht es um diesen Blogartikel von 2016 und dieses Video:

Untertext:

Russischer Historiker Aleksej Fenenko im Gespräch mit dem in Russland bekannten Politologen Sergej Micheev über gegenwärtige Einschränkungen der deutschen Souveränität, die im 2+4-Vertrag von 1990 festgelegt sind. Ein Ausschnitt der Radiosendung. Quelle: russischer Radiosender VestiFM, Moskau, Mai 2016.

Allerdings sollte man sich klarmachen, dass das mit einiger Wahrscheinlichkeit kein Zufall ist, dass das da übersetzt auftauchte, sondern das von den Russen bewusst in Umlauf gesetzt wurde. Ich weiß auch nicht mehr, wer mir den Link geschickt hatte. Vielleicht die Russen selbst. Denn es gibt auch so ein paar Stellen, die mir sprachlich nicht so ganz glatt übersetzt vorkommen, als wäre es jemand gewesen, der sehr gut, aber nicht muttersprachlich deutsch spricht. Haben es die Russen selbst auf deutsch übersetzt? Und irgendwer hat mir einen Wink-Link geschickt?

Und das ist insofern beachtlich, als er zuerst sagt, Deutschland habe mit dem 2+4-Vertrag die volle Souveränität wiedererlangt, alles international wunderbar, und dann aber kommt, dass es doch vier Ausnahmen gibt: Militärische und Außenpolitik. Deutschland dürfe seine Außenpolitik nicht selbst bestimmen und die Siegermächte nicht kritisieren.

Er erklärt das sogar. Wenn Merkel Putin kritisiert, könnte Putin ihr sogar antworten Halt die Klappe, das darfst Du gar nicht!

Und der für mich entscheidende Satz kommt bei 0:04:29:

„Auch bestimmte Arten der Militärtechnik bleiben durch 2+4-Vertrag weiterhin verboten.”

Genauer sagen sie es nicht.

Kennt man jetzt aber den NSA/CIA-Hintergrund und den ganzen Abhörkram und die Nummer mit der Crypto AG, und kennt man das Kontrollratsgesetz Nr. 25, das nach dem Krieg festlegte, dass Kryptographie verbotene Kriegstechnik ist, was ja auch der US-Politik der 90er Jahre voll entspricht, ist das völlig klar, dass Kryptographie den Deutschen verboten ist.

Das alles gelte, bis es einen Friedensvertrag gibt, aber jedesmal, wenn ein deutscher Verteidigungsminister „Friedensvertrag” erwähnt, ist er nicht mehr lange im Amt.

Interessanterweise erwähnt er, dass Deutschland 2009 schon mal versucht habe, sich gegen die USA aufzulehnen, gegen Obama. Obama habe von einer atomwaffenfreien Welt geredet und die Deutschen hätten versucht die Gelegenheit zum Abzug amerikanischer Atombomben zu nutzen. Die Amerikaner hätten aber gemerkt, dass die Deutschen daraus dann gefolgert hätten, dass ohne den amerikanischen Schutz die Deutschen ja wieder eine vollständige Armee bräuchten.

Und eine vollständige Armee würde auf einen Friedensvertrag hinauslaufen, womit dann eben diese Rechte der Amerikaner weg wären. Deshalb hätten die Amerikaner sofort die Polen und Engländer mobilisiert. Und die haben dann erklärt, der Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland sei für sie nicht akzeptabel.

(Was wiederum erklärt, warum die Russen ein Interesse daran haben, diese Radiosendung übersetzt zu verteilen.)

Im Ergebnis sei der Einfluss der Amerikaner in Deutschland noch größer geworden. 2010 sei beschlossen worden, dass der Abzug von Atomwaffen aus NATO-Staaten nur durch einstimmigen NATO-Beschluss erfolgen kann. Deshalb hätten die Deutschen keine Chance mehr, die Atomwaffen loszuwerden, weil einige NATO-Staaten dem niemals zustimmen werden.

„Nur wenn man den Inhalt des 2+4-Vertrages versteht, kann man auch das Wesen der gegenwärtigen Außenpolitik Deutschlands verstehen.”

In Deutschland herrsche ein ständiger Kampf zwischen zwei Parteien/Fronten/Strömungen. Die einen wollen eine Neuverhandlung des 2+4-Vertrages mit Friedensvertrag und Aufstieg Deutschlands zur vollwertigen Großmacht, was – meinen sie – zu Freundschaft mit Russland führe. Kohl und Schröder seien Vertreter dieser Strömung gewesen.

Und es gebe die zweite Strömung („kleinkariert”, „provinziell”), die den 2+4-Vertrag als endgültig ansieht und Osteueropa wirtschaftlich ausbeuten will, was zwangsläufig zum Konflikt mit Russland führe. Merkel sei eine Vertreterin dieser Strömung. Und die Amerikaner übten Druck aus, weil diese Strömung für sie günstig sei.

Neubewertung 2020

Das war 2016, vor Trump. Inzwischen weiß ich mehr.

Man merkt natürlich schon, dass das eine Art „russische Botschaft an die Deutschen” ist, und deshalb auch deutsch untertitelt.

Aber: Der Streit um Nordstream 2 passt exakt in dieses Schema.

Was gar nicht zu Nordstream 2, aber schon irgendwie in dieses Interview passt, ist Trumps Militärhaltung.

Denn Trump wollte ja US-Soldaten aus Deutschland abziehen und sagte, die Deutschen sollten sich militärisch selbst um ihren Kram kümmern. Also genau das Gegenteil von dem, was die Russen hier über Obama sagten. Obama habe die Deutschen kurz und in amerikanischer Abhängikeit halten wollen, Trump dagegen meinte, die Deutschen sollen ihren Kram selbst machen, was aber wiederum nicht dazu passt, dass man bei Nordstream 2 interveniert hat.

Das ist äußerst seltsam.

Denn wenn das stimmt, was die Russen sagen, hätten die Deutschen Trump im wesentlichen mögen müssen, weil der ja das machte, was die Deutschen wollten, und sie näher an die Souveränität gebracht hätte. Ob aus Überlegung oder Unwissen, sei dahingestellt.

Nur wäre das dann, wenn man dem Interview weiterfolgt, die Strömung von Kohl und Schröder gewesen. Merkel sei, und das finde ich seltsam, sie ist doch aus der DDR und spricht russisch, Russenkritisch und tendiere zur US-Unterwerfung und damit zu Obama (oder jetzt eben Biden als dessen Fortsetzung).

Es würde aber erklären, warum Merkel mit Obama gut und mit Trump nicht kann.

Es würde aber auch erklären, warum Obama und Biden kooperieren, weil beide Abhörprotagonisten sind.

Man sollte den Russen nicht unbedingt alles glauben. Aber man sollte ihnen öfters zuhören.