Ansichten eines Informatikers

„Verschlüsselung mit Hilfe von Elektronen und die Vervollkommnung der Abhörsicherheit von Ferngesprächen.”

Hadmut
12.11.2020 20:34

Historisches zur politischen Bildung.

Ein Leser hat mich auf diese Perle aufmerksam gemacht: Kontrollratsgesetz Nr. 25 Regelung und Überwachung der naturwissenschaftlicher Forschung vom 29. April 1946

mit dem die Allierten nach dem zweiten Weltkrieg hier den Laden flach gehalten haben, und das bis 1955 galt. Damit man in Deutschland keine Militärtechnik entwickeln konnte.

Die ganze Liste dieser Kontrollratsgesetze findet man hier. Aufhebung von NS-Recht, Liquidierung von NS-Organisationen, Steuern, Rationierungen und solche Dinge. Und die Nr. 25 beschränkte eben die naturwissenschaftliche Forschung.

Aus der Zweckangabe:

Um naturwissenschaftliche Forschung für mili­tärische Zwecke und ihre praktische Anwendung für solche Zwecke zu verhindern, und um sie auf anderen Gebieten, wo sie ein Kriegspotential schaffen könnten, zu überwachen und sie in friedliche Bahnen zu lenken, hat der Kontrollrat das folgende Gesetz beschlossen:

Und dann werden Forschung für Flugzeuge, Schiffe, Radar, Echolot und sowas strikt verboten.

Sowas gab es übrigens nach dem ersten Weltkrieg schon mal, da durften ja auch keine Flugzeuge gebaut werden. Und die ganzen Flugzeugfirmen haben dann nach Ersatztätigkeiten gesucht, und in ihrer Not halt mit Flugzeugtechnik und -wissen aerodynamische Autos gebaut. So entstanden der Tropfenwagen und andere Gefährte.

Und nach dem zweiten Weltkrieg dann eben wieder. Womöglich hat man aus dem ersten Mal gelernt und sich gedacht, diesmal macht man das länger.

Zu den verbotenen Forschungsgegenständen:

VERZEICHNIS „A”
Unter das Verbot fallende angewandte naturwissenschaftliche Forschung

1. Angewandte Kernphysik.

2. Angewandte Aerodynamik, Bauplanung für Luftfahrt und Antriebmaschinen von Luftfahrzeugen.

3. Raketenantrieb; Düsenantrieb und Gasturbinen.

4. Angewandte Hydrodynamik, insbesondere Unterwasserakustik und Antrieb von Wasserfahrzeugen.

5. Schiffsbau und das Verhalten von Schiffen.

6. Elektromagnetische, infrarote und akustische Strahlung, die bezweckt:

a) das Auffinden von Gegenständen und Hindernissen; oder

b) die Standortbestimmung von Fahrzeugen. Luftfahrzeugen, Schiffen, Unterseebooten oder Geschossen oder

c) selbsttätige Steuerung und Fernsteuerung von Fahrzeugen, Luftfahrzeugen, Schiffen, Unterseebooten oder Geschossen; oder

d) die Vernichtung von lebender Substanz; Untersuchungen zu rein medizinischen Zwecken oder zur Sicherung der allgemeinen Gesundheit bleiben hiervon unberührt.

9. Verschlüsselung mit Hilfe von Elektronen und die Vervollkommnung der Abhörsicherheit von Ferngesprächen.

8. Die im Verzeichnis „C” besonders bezeichneten Chemikalien.

9. Die Herstellungs- (aber nicht Verwertungs-) methoden der im Verzeichnis „D” aufgeführten Chemikalien.

Strafe:

Artikel X.

1. Personen, die einer der Bestimmungen dieses Gesetzes zuwiderhandeln, werden mit einer der folgenden Strafen bestraft:
a) Gefängnis bis zu fünf Jahren,
b) Zuchthaus bis zu fünfzehn Jahren, jedoch nicht unter einem Jahr,
c) in schweren Fällen Zuchthaus auf Lebenszeit oder Todesstrafe.
Gleichzeitig kann ihr Vermögen ganz oder teilweise eingezogen werden.

2. Gegen eine Organisation oder ein Forschungsinstitut, das einer der Bestimmungen dieses Ge­setzes zuwiderhandelt, kann das Gericht Ver­mögenseinziehung und Auflösung anordnen.

Ja.

Es zeigt sehr deutlich, was sich ja auch seit den 70er Jahren wieder zeigte, dass die Alliierten, besonders die Amerikaner, elektronische Verschlüsselung, insbesondere abhörsichere Ferngespräche, als verbotene Kriegstechnik einstufen.

Das Gesetz wurde zwar sowohl im Osten (DDR), als auch im Westen (BRD) 1955 abgeschafft.

Die Frage ist aber, ob es ersatzlos abgeschafft wurde. Und das wohl eben nicht.

Denn in früheren Blogartikeln, in denen ich nach Puzzleteilen zu meinem Promotionsdrama gesucht habe, hatte ich ja schon beschrieben, dass ein russischer Militärhistoriker in einer Radiosendung gesagt hatte, dass der 2+4-Vertrag, mit dem Deutschland unter Genehmigung der Allierten wiedervereinigt wurde, geheime Anhänge enthalte, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind, aber Verbote von Militärtechnik, die bis zur Wiedervereinigung galten – formal waren wir ja noch besetzt und hatten jede Menge US-Kasernen – weiterführen.

Und das nun wieder erinnert mich an meine Bundeswehrzeit. Ich war nämlich in eine Spezialsperrkompanie geraten, die bis dahin einen geheimen Auftrag hatte, der so geheim dann aber auch nicht gewesen sein kann, weil man ihn im taktischen Zeichen führte und ich damals als kleiner Wehrpflichtiger den Auftrag bekommen hatte, einen großen Haufen von Akten alleine zur Aktenvernichtung zu bringen. Oder überhaupt als Wehrpflichtiger da reinkommen konnte. Der Auftrag war, einen Einmarsch der Russen oder der NVA zu verhindern, indem man mit Helikoptern ganz schnell an die Grenze gebracht wird und dann dort diese sogenannten „schmutzigen” Bomben hochjagt, die das Gelände radioaktiv verseuchen, damit man da nicht mehr durchkommt. Der Punkt war aber: Die Deutschen durften aus besatzungsrechtlichen Gründen keine Atomwaffen haben. Das galt also auch noch zur Zeit meines Wehrdienstes, also 1985/86. Deshalb hatten wir das mit den Amerikanern zusammen gemacht. Die hatten mit relativ kleiner Mannstärke diese Dinger, und wir waren dazu da, die mit Transport-, Pionier- und Fernmeldeleistungen zu unterstützen und ergänzen. Deshalb haben wir auch einige Male mit den Amerikanern geübt, auch nach Wegfall des formalen Auftrags.

Das heißt, dass es 1985 so war, dass die Deutschen gewisse Kriegstechniken nicht selbst haben, üben, anwenden durften, aber in Kooperation mit den Amerikanern als deren Assistent schon.

Dieses Kontrollratsgesetz Nr. 25, das Kryptographie und andere Kriegstechniken verbot, galt zwar formal nur von 1946 bis 1955, muss danach aber in anderer Form weitergelebt haben. Bis zur Wiedervereinigung.

Ich habe übrigens neulich einen Hinweis bekommen, dass die Wiedervereinigung gar nicht so spontan war, sondern von Russen und Amerikanern zur Beendigung des kalten Krieges vorher vereinbart, abgesprochen, geplant war, und man sich überlegt hat, wie man das veranstaltet, dass die Deutschen das auch fressen und Hurra schreien, bevor sie über die Kosten nachdenken. Deshalb habe man den ganzen „Wir sind das Volk”-Kram, die Mauerspechte, und die Schabowski-Pirouette „Das tritt nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich.“ konstruiert, damit die alle losrennen, bevor sie denken. Kein zurück. Weil ein Ende des Kalten Krieges nicht möglich wäre, solange es da eine harte Grenze und Mauer gibt.

Wenn dieser russische Militärhistoriker nun Recht hat (und warum sollte er nicht?), hat man das als nicht so öffentlich bekannte Anhänge im 2+4-Vertrag weitergeführt. Vereinigt, aber nicht so ganz befreit. Es gibt ja Leute, die behaupten, dass die Verschleppung des BER nur inszeniert gewesen sei, weil man in Unkenntnis der Verträge versäumt habe, das Einverständnis der Russen einzuholen, weil der da auch irgendwelche militärischen Aspekte habe. Das aber habe man nicht zugeben können, weil a) zu peinlich b) zu doof c) zu geheim. Keine Ahnung, ob es stimmt.

Es sieht allerdings doch danach aus, dass wir immer noch gewissen Verboten unterliegen, die auf dieses Kontrollratsgesetz 25 zurückgehen oder auch schon nach dem ersten Weltkrieg gängige Praxis waren.

Es kann sein, dass Kryptoforschung, besonders für das verschlüsselte Fernsprechen, formal immer noch verboten ist.

Ich hatte ja schon mal die Frage gestellt und erörtert, ob das Bundesverfassungsgericht meine Verfassungsbeschwerde vielleicht wegen Artikel 139 Grundgesetz nicht beachtet habe:

Art. 139

Die zur “Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus” erlassenen Rechtsvorschriften werden von den Bestimmungen dieses Grundgesetzes nicht berührt.

Verfassungsrechtler sind der Meinung, dass sich das nur auf die 1946 erlassenen Gesetze (also wohl diese Kontrollratsgesetze) bezieht, nur die, die vor dem Erlass des Grundgesetzes bestanden, weil das Grundgesetz diese systematisch nicht aufheben konnte. Die aber seien alle 1954/55 außer Kraft getreten, der Artikel 139 damit hinfällig geworden.

Was aber, wenn diese geheimen Gesetze als die Fortsetzung dieses Kontrollratsgesetzes Nr. 25 angesehen werden? Es also immer noch ein geheimes Besatzungsrecht gibt, gegen das man keine Grundrechte hat?

Und selbst, wenn es nicht juristisch ist, dürfte es immer noch die Geisteshaltung der Amerikaner bestimmen.