Ansichten eines Informatikers

Noch’n Schubser

Hadmut
30.10.2019 20:25

Wird langsam zur Berliner Tradition, Leute umzubringen, indem man sie vor die U-Bahn oder S-Bahn stößt.

Gerade wieder einer.

Ging heute so in verschiedenen Varianten durch die lokale und manche nicht so lokale Presse. Wenn man alles zusammenzählt, was die schreiben, dann kommt man ungefähr auf die Story, dass am U-Bahnhof Kottbusser Tor (Umsteigebahnhof zwischen U1/U3 oben auf Stelzen über der Straße und U8 unterirdisch), mitten im kriminalitätsberüchtigten Kottbusser Tor (was, nebenbei bemerkt, der Grund ist, warum die U-Bahnstation so heißt) ein 30-Jähriger Iraner mit einem älteren, im Rollstuhl sitzenden Verwandten auf dem Bahnsteig gewesen sein. Der Mann im Rollstuhl sei von zwei Leuten südländischen Phänotyps angegriffen worden, die ihn irgendwie ausrauben wollten. Der 30-Jährige Iraner sei deshalb dazwischen gegangen, weshalb die beiden Männer ihn massiv angegriffen und dabei vor eine gerade einfahrende U-Bahn gestoßen hätten, die ihn erfasst, mitgerissen, anscheinend eingeklemmt hat. Er sei nicht sofort tot gewesen, weshalb viele Leute am Bahnsteig versucht haben, gegen die U-Bahn zu drücken, um ihn zu befreien. Feuerwehr, Notarzt, Polizei waren wohl sehr schnell da, der Mann ist aber noch am Ort gestorben und die beiden Täter sind flüchtig. Es geben Aufnahmen einer Überwachungskamera, auf der beide gut erkennbar seien und man sie schon als zur Drogenszene gehörig erkannt hat. Die Polizei hält es für Absicht und ermittelt wegen Mordes.

Ich bin früher häufig an diesem Bahnsteig umgestiegen, habe mir das aber seit einiger Zeit weitestgehend verkniffen und andere Stationen, auch Fußwege gewählt, weil nicht nur das Kottbusser Tor im Ganzen gewaltorientiert kriminell ist, was man früher im U-Bahnhof nicht so gemerkt hat, sondern sich seit einiger Zeit eine Gruppe aus der Drogenszene permanent im hinteren Bereich mit Wartesitzgruppe quasi permanent eingenistet hat, dort wohnt und oft stört. Manchmal sitzen sie nur da, rauchen und stänkern den Bahnsteig voll. Manchmal pöbeln und betteln sie die Leute an (was schon deshalb eklig ist, weil manche der Leute schon auf 5 bis 10 Meter Entfernung schon unerträglich riechen), und dann auch keine Hemmungen haben, mitten zwischen denen, die auf die nächste U-Bahn warten, breit spritzend gegen die Säulen dort zu pissen. Effektiv macht keiner was dagegen. Die haben sich da fest etabliert. Das ist längst deren Wohnort geworden. Das war absehbar, dass das eskaliert, das musste eskalieren.

Die bisher brauchbarste Darstellung habe ich im Kurier gefunden.

RBB24 ging dagegen von einem „tragischen Vorfall” aus, und schreibt im Aufmacher, der Mann sei „geschubst” worden, wie spielende Kinder.

Im Text steht dann

Ob der Mann nur geschubst wurde oder gezielt vor die einfahrende U-Bahn gestoßen wurde, sei derzeit noch unklar, sagte eine Sprecherin der Polizei auf Nachfrage von rbb|24.

Ja, was denn nun?

Auch im Tagesspiegel wurde er nur „geschubst”.

Irgendwo habe ich aber auch gelesen, dass die Polizei untersucht, ob es da nur um Raum oder auch um ein Drogengeschäft ging.

In Berlin ist übrigens bekannt, dass es nicht ratsam ist, sich gegen Diebe und Räuber zu wehren, weil man sehr, sehr schnell ein Messer zwischen den Rippen hat. Insofern würde es sich durchaus in die lokalen Gepflogenheiten einfügen, wenn man Leute, die einem Raub oder Diebstahl in die Quere kommen, gleich umbringt, damit nicht noch einer auf die Idee kommt.

Begrifflichkeiten

Erinnert Ihr Euch noch an Chemnitz und „Hase, Du bleibst hier?”

Einer läuft hinter einem anderen, der ihn provoziert hat, 10 Meter hinterher und die Presse spricht flächendeckend von „Hetzjagd”.

Zwei stoßen einen vor die U-Bahn und bringen ihn damit um, der einen Rollstuhlfahrer vor Raub schützen wollte, und die Presse spricht von „Schubsen”.

Es sind nicht die Maßstäbe, die mich so besonders ankotzen. Es sind die doppelten Maßstäbe.