Ansichten eines Informatikers

Ist der Bundesrichter Fischer dick?

Hadmut
17.8.2017 20:43

Zwei Leser nahmen Anstoß daran, dass ich den Ex-Bundesrichter Fischer als dick titulierte.

Mein Blog verlöre dadurch an Qualität.

So wichtig der Hinweis und die Argumentationsweise sind, ich hätte sie vor 10 Jahren eher akzeptiert als heute. Denn in Zeiten, in denen Qualitätsmaßstäbe immer stärker politisiert, ideologisiert, instrumentiert werden, verliert der Begriff der Qualität zunehmend an Orientierungsfähigkeit.

Außerdem beschweren sich wesentlich mehr Leser, wenn ich mal irgendwo zu nahe an der Political Correctness schreibe. Ich achte zwar sehr darauf, mich von dieser Political Correctness nicht erfassen zu lassen, wenn aber dann doch mal ein „Studierende“ statt „Studenten“ ins Blog rutscht, oder auch absichtlich geschrieben wird – als Zitat oder Ironie oder was auch immer – dann brummt bei mir die Mailbox mit Fragen, warum ich jetzt auch in gendersprech schreiben würde. Mich hat schon vor mehr als 10 Jahren die Erkenntnis ergriffen, dass man es ohnehin nicht allen recht machen kann, und ich deshalb schreibe, wie mir der Schnabel gewachsen ist, denn das ist ja auch Thema dieses Blogs.

Zwar hatte ich bei dem Bundesrichter Fischer sicherlich das Bild vor Auge als Mutter des Gedanken, letztlich ausschlaggebend waren aber eher sein Auftreten und sein Schreibstil. Zwar hat er einige sehr exzellente Ausgaben seiner Kolumne geschrieben, die ich im Blog ja auch lobend erwähnt und ihn sogar verteidigt hatte. Und die auch durch hohe sprachliche Qualität auffielen. Aber eben nicht alle. Seine Qualität war auch sehr schwankend. Und nicht immer war er argumentativ, mitunter war er auch polemisierend selbstgerecht, und nicht selten hörte ich bei ihm diesen unangenehmen Tonfall vieler Richter heraus, die sich von, jahrelang von der hohen Bank herunter Leute abgebügelt und belehrt zu haben, einen Charakterschaden geholt haben.

Zudem kann ich mich so ganz grob und entfernt erinnern, ihn mal angemailt zu haben. Nämlich damals, als ich den Streit mit der Uni hatte und gegen die E-Mail-Sperre gekämpft (und gewonnen) habe. Ich hatte damals ziemlich damit zu kämpfen, dass die Universität in alle Richtungen üble Verleumdungen geworfen hat. Dem Bundestag hatte man erzählt, ich hätte die Uni angegriffen. In einem Vorlesungsskript eines anderen Jura-Professors und Richters über Internet-Recht stand jahrelang (wahrheitswidrig), die Uni hätte mich kündigen müssen (als hätte ich mich daneben benommen) und deshalb – wie bei einer heißen Kündigung – meinen Account gesperrt. Das war grottenfalsch. Erstens hatte ich der Uni gekündigt, und die Uni wollte mich erpressen zu bleiben. Zweitens lagen zwischen der Kündigung und dem Mail-Vorgang einige Jahre. Drittens ging es nicht um meinen Uni-Account. Aber sowas setzte man da in Umlauf. Und meine Bitte, das zu ändern, hat man komplett ignoriert. Ein direkt an all diesen Machenschaften beteiligter – und meines Erachtens krimineller – Professor hatte Datenschützern, die ich dabei eingeschaltet hatte, erzählt, ich wäre ihm schon während des Studiums wegen psychischer Besonderheiten aufgefallen. Dabei hatte ich mit dem nie etwas zu tun, und er erkannte mich nicht mal, als ich ihm darauf auf dem Fakultätsfest direkt gegenüber stand, zuhörte und er mir sogar die Ketchupflasche reichte.

Ich hatte da gewaltig zu kämpfen. Vor allem war es schwierig, die Staatsanwaltschaft von der Rechtslage zu überzeugen (und deshalb ein Klageerzwingungsverfahren notwendig), weil die Staatsanwalt die Rechtslage nicht kapieren wollte. Die haben sich stur nach den Strafrechtskommentaren gerichtet, und die Strafrechtskommentare waren falsch. Denn zur Unterdrückung von Postsendungen gab es bis dahin nur eine Entscheidung, und die nach dem alten Post- und Beamtenrecht. Damals war die Strafbarkeit – Post war mal Staat und Beamtentum – der Unterdrückung von Postsendungen noch bei den Straftaten im Amt (ich weiß es jetzt nicht mehr auswendig, ich glaube, es war § 354, aber nagelt mich nicht auf die Nummer fest), weil man sich eben nur als Beamter der Post dessen überhaupt strafbar machen konnte. Dabei gab es einen kuriosen Fall, der zur einzigen dokumentierten Gerichtsentscheidung führte. Ein Paketbote der Post nämlich hatte schlechte Zähne gehabt und konnte sich sein neues Gebiss nicht leisten. Also hat er Nachnahme-Zahlungen für Pakete abgezweigt und sich davon neue Zähne gekauft, und im einer Stafette dieses Geld mit den nächsten Nachnahme-Zahlungen ersetzt, und so weiter. Er hat also immer das eine Geld für das andere gezahlt, womit die Beträge immer etwa 3 Tage zu spät ankamen, weil er in 3 Tagen soviel Geld erhielt, wie sein Gebiss gekostet hatte. Das setzte er so fort, zahlte aber immer selbst ein, bis wieder alles stimmte. Er hat also eigentlich nichts geklaut, sondern sich nur aus den Zahlungen einen zinslosen Kredit verschafft. Die Sache flog auf.

Man hatte ihn angeklagt, Sendungen unterdrückt zu haben, weil das Geld zu spät ankam. (Verzögern ist da auch strafbar.) Aber das Gericht entschied, dass er sich damit nicht der Unterdrückung strafbar gemacht habe, weil sich die Vorschrift nur auf körperliche Sendungen beziehe. Geld wird aber nicht körperlich, sondern wertgleich versandt, man bekommt ja nicht dieselben Scheine in die Hand, die der andere abgegeben hat. Verdonnert haben sie ihn trotzdem, denn er hatte ja auch die Zahlungsbelege/Empfangsbestätigungen zu spät abgegeben, und in denen sah das Gericht eine solche Sendung, weil da ja als Urkunde genau das Papierstück, das der andere unterschrieben hatte, körperlich übersandt wird.

Also schrieben alle Strafrechtskommentatoren in ihren Kommentar, dass nur körperliche Sendungen geschützt sind, nicht-körperliche Sendungen dagegen nicht.

So weit, so gut.

Dann kam aber der Gesetzgeber und hat den Markt liberalisiert und auch private Postdienste zugelassen. Außerdem hatte sich inzwischen das Internet etabliert, und in einem seltenen Fall von Erkenntnis kam der Gesetzgeber zu der Einsicht, dass man ja auch elektronische Sendungen schützen müsse. Deshalb hat man den Paragraphen fast wortgleich vom Beamtenstrafrecht in das allgemeine Strafrecht nach § 206 StGB verschoben und nur so ein kleines bisschen geändert, unter anderem auch in „Post- und Fernmeldegeheimnis“ umbenannt. Sollte erstens auch für Private, und zweitens auch für elektronische Sendungen gelten, damit auch da das Post- und Fernmeldegeheimnis geschützt ist.

So weit auch noch gut.

Nun waren aber die Kommentarschreiber faul und haben einfach – der Gesetzestext war ja fast wortgleich geblieben – ihre Kommentare von 354 nach 206 mitverschoben. Da stand jetzt einfach das, was vorher bei 354 stand.

Also stand da nun, mit Angabe eines Gerichtsurteils, dass sich das nur auf körperliche Sendungen bezog, und nichtkörperliche Sendungen nicht erfasst würden. Obwohl der Gesetzgeber ja genau das geändert hatte.

Und die Staatsanwaltschaft und die Oberstaatsanwaltschaft, bei denen ich Anzeige erstattet hatte, erklärten mir, dass das Fernmeldegeheimnis nur bei körperlicher Übermittlung geschützt ist. E-Mail sei aber bekanntlich nicht körperlich, also nicht geschützt. Das ist zwar ziemlicher Schwachsinn und schon mit dem Begriff „Fernmelde..“ nicht zu vereinbaren, widerspricht auch der Gesetzesbegründung, aber versucht mal, das einem Karlsruher Staatsanwalt klarzumachen. Wenn das so im Kommentar steht und von einem Gericht so entschieden wurde, dann ist das so. Und ich als Nicht-Jurist könnte das sowieso nicht beurteilen, basta und aus. So sind sie, unsere Juristen.

Und der meistverwendete Strafrechtskommentar ist der graue Beck-Kurzkommentar von Fischer.

Den hatte ich damals mal mit Hinweis auf die Situation angemailt und darauf hingewiesen, dass Fehler im Kommentar dazu führen, dass Staatsanwälte Unsinn entscheiden, er wollte aber nicht auf mich hören. Juristen hören nicht auf Nichtjuristen. Kurz darauf habe ich ihm dann die Entscheidung geschickt, die ich mit dem Klageerzwingungsverfahren erzielt habe, hat ihn aber auch nicht überzeugt. Es ist einfach unter der Würde von Richtern, sich von einem Nichtjuristen mal etwas sagen zu lassen. Und dass das in den Kommentaren so stand, hat mir die Sache sehr erschwert.

Auch wenn ich anerkenne, dass manche seiner Kolumnen inhaltlich und vor allem sprachlich sehr gut waren, habe ich keine hohe Meinung von Thomas Fischer. Weil ich solches berufliches Auftreten für weit wichtiger halte als Zeitungskolumnen. Auch dieses Erlebnis prägt meine Wertung seines Auftretens.

Blog-Artikel müssen nicht nur den Lesern gefallen. Ich will auch mir selbst gegenüber ehrlich bleiben.

Dazu hat ein Leser noch tadelnd angemerkt, dass ihm aufgefallen sei, dass die sprachliche Qualität meiner Blog-Artikel nachlasse.

Das ist wohl richtig, das ist auch schon anderen Lesern und auch mir selbst aufgefallen.

Deshalb halte ich es aber nicht für einen Fehler. (Korrelation, Kausalität und so.) Denn der ganze Stil hat sich verändert. Vor 5, 10, 15 Jahren hatte ich eine viel niedrigere Blog-Frequenz, und oft nur ganz einfache, kurze Blog-/Webartikel. Politisch wichtige und breit gelesene Artikel hatte ich nur selten, und dabei ausreichend Zeit, sie vorzubereiten. Der erste Blog-Artikel, der wirklich weiter bekannt wurde, und bei dem ich wirklich in großer Breite zur Kenntnis genommen wurde (und bei 400 Kommentaren die Kommentarspalte abgeschaltet habe), war damals der Artikel über die Kinderpornosperre.

Der Artikel war von 2011 und damit erst zwei Jahre nach den darin geschilderten Vorgängen geschrieben. Ich habe davor einiges darüber nachgedacht und das ganze Wochenende davor geschrieben und noch zwei ganze Tage lang daran herumgeschraubt, ich hatte da gerade frei.

Das kann ich heute nicht mehr. Es fehlt die Zeit.

Heute habe ich jeden Tag mehr Mails in der Mailbox, als ich abarbeiten kann, und sitze jeden Abend stundenlang daran, sie zu bearbeiten, schreibe oft 5 oder mehr Blog-Artikel am Tag, einfach, weil heute viel mehr passiert. Heute drehen alle durch und es passiert an vielen einzelnen Tagen politisch mehr, als früher im Monat oder Quartal. Dazu kommt, dass es damals praktisch keine Rolle spielte, wann man schrieb, da konnte man auch mal eine Woche oder einen Monat oder ein Jahr später schreiben.

Heute ist das viel schnellebiger, und zwei, drei Tagen ist das Thema schon wieder tot, weil inzwischen ein ganzes Rudel anderer Säue durch’s Dorf getrieben wurde.

Natürlich kann ich unter diesen Bedingungen nicht mehr die sprachliche Qualität von früher liefern. Und ich will es auch gar nicht. Ich habe zwar Spaß daran, etwas sprachlich gut zu formulieren, aber ich verstehe mich auch nicht als Golddukatenscheißer. Ich halte es für wichtiger, die Inhalte rüberzubringen und wenigstens zu versuchen, quantativ mit der Tagesvorfalldichte nachzukommen, weil sich der Haufen unerledigter Sachen sowieso immer weiter aufhäuft. Ich halte es für einen Mangel unserer Zeit, dass Aktualität und Befassung mit vielen Themen wichtiger als sprachliche Qualität ist, aber so ist es nun einmal.

Ich wie ich schon öfters erwähnte: Ich kann es mir zeitlich nicht mehr leisten, meine Artikel kontrollzulesen oder zu „lektorieren“. Bedenkt bitte, dass das nicht Beruf ist, sondern – trotz der Spenden – keinen Lebensunterhalt trägt und ich deshalb nur begrenzte Zeit investieren kann. Ich schreibe die Artikel roh und derb runter und haue sie raus ohne sie nochmal durchzulesen. Anders geht’s nicht, mehr Zeit habe ich nicht. (Und dabei habe ich nicht mal Familie, Haustiere oder Topfpflanzen.)

Seht es als Mangel unserer Zeit und unseres politischen Umfeldes und nicht meines Blogs, dass man Texte nicht mehr sorgfältig ausarbeiten kann.