Ansichten eines Informatikers

Warum die Silvesternacht nicht „sicher” war

Hadmut
1.1.2017 17:09

Manche Medien und Politiker sprechen davon, dass die Silvesternacht „sicher” gewesen wäre. Ich will erklären, warum sie das nicht war.

Sicher ist man nicht, wenn nichts passiert ist. Wenn nichts passiert ist, hat man Glück gehabt.

Sicher ist man auch nicht, wenn man erst hinterher sagen kann, dass man sicher gewesen sei.

Sicher ist man, wenn man vorher sagen kann, dass nichts passieren wird.

Und das war es nicht, weil schon vorher viele gesagt haben, dass sie hoffen, dass nichts passiert. Weil man Betonklötze und Polizei mit Maschinenpistolen aufstellen musste.

Warum ist das so? Weil wir im Deutschen zwei verschiedene Bedeutungen durcheinanderwerfen, die im Englischen besser, nämlich mit den unterschiedlichen Begriffen Safety und Security bezeichnet werden. Findet man in Deutschen etwa in unterschiedlichen grammatikalischen Verwendungen. Es ist ein Unterschied ob man sagt „wir sind sicher” oder „wir sind in Sicherheit”. Letzteres heißt nämlich, dass man aus einer Situation heraus ist, in der man gerade nicht mehr sicher war. Wer erfolgreich flieht, ist dann in Sicherheit, wenn die Gefahr nicht mehr besteht, er war nicht vorher schon sicher.

Das westgermanische Adjektiv sicher (mittelhochdeutsch), sichur (althochdeutsch), zeker (niederländisch), daraus abgeleitet Sicherheit oder althochdeutsch sichurheit, stammt von dem lateinischen securus ab (=sorglos unbekümmert, sicher), einer Zusammenziehung aus lateinisch sed cur, was ohne Sorge (sed = ohne, cur=Pflege, vgl. englisch care) bedeutet. „Sicher” heißt also schon vom Wortstamm das Gleiche wie englisch „careless”, also so viel wie: Man muss sich keine Sorgen machen, man ist sorglos.

Wer Polizisten mit Maschinenpistolen aufstellt, der ist nicht sicher. Sowas als sicher zu bezeichnen ist ein Widerspruch in sich.

Das englische „safe”, was soviel wie „unversehrt” heißt (altfranzösisch sauf, lateinisch salvus = gesund, heil) würde es zutreffender beschreiben: Wir haben es heil überstanden.

Es ist ein altes didaktisches Problem im Deutschen, dass wir beide Bedeutungen mit dem gleichen Wort „Sicherheit” bezeichnen, obwohl sie zwar eng verwandte, aber doch ganz unterschiedliche Bedeutungen haben. Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob man vorher vorausschauend sagt, dass nichts passieren wird, oder hinterher rückblickend feststellt (vgl. We’re safe!), dass nichts passiert ist.

Wir müssen wieder lernen, zu zutreffender Sprache zurückzukommen. Denn nur dann können Politik und Medien auch wieder in die Nähe der Glaubwürdigkeit kommen, deren Verlust sie so bejammern.