Ansichten eines Informatikers

Herr, schmeiß Hirn vom Himmel!

Hadmut
24.12.2012 15:08

Vorhin im Supermarkt an der Kasse:

Zwei Kunden vor mir so eine alte Frau mit Rollator und Altersignoranz. So Leute, die glauben, dass alle Probleme sich lösen, wenn man sie einfach ignoriert und man so täte, als beträfen sie einen gar nicht, als gäbe es sie nicht.

Dann kommt ein Mann mit Säuglings-Kinderwagen. Er fährt das Ding so grausam ungeschickt, dass man ihm anmerkt, dass er das Ding nur ganz selten mal fährt. Kommt kaum um die Kurve mit dem Ding.

Der Mann will nichts kaufen, wer will einfach nur raus, sich also an der Kassenschlange vorbeischieben, wie man das also so macht.

Würde man das Problem nüchtern physikalisch betrachten, so würde man sagen, dass sich das Problem darauf reduziert, dass Rollator und Kinderwagen nebeneinander zusammen etwa 10 cm breiter sind als in dem Kassengang Platz ist. Der schnöde naturwissenschaftlich orientierte Mensch würde sagen, der Kinderwagen passt nicht am Rolator vorbei, Thema erledigt.

Der Mann wollte das aber nicht einsehen. Muss doch irgendwie gehen. Geht’s nicht mit Kraft, geht’s eben mit mehr Kraft. Er versucht Kinderwagen und Rollator voneinander wegzuschieben wie Moses, der das Meer trennt. Geht aber nicht, weil links und rechts eben diese Kassenbauten stehen. Fängt da ein Getöse an in dem Versuch, den Kinderwagen am Rollator vorbeizuquetschen, laut fluchend. Versucht’s immer wieder, geht aber nicht. Gucken und Denken ist nicht sein Ding. Die Alte steht daneben, hält krampfhaft den Rollator fest, guckt weg und tut so, als wäre gar nichts. Ignoriert das völlig.

Ich guck’s mir ne Weile amüsiert an. Es wird nicht besser. Ich beneide den Säugling, denn der schafft es, dabei fest zu schlafen. Der Mann steigert sich rein. Ich frage mich, wie das wohl enden wird. Wird’s die Alte überleben? Und der Kinderwagen? Er kapiert’s einfach nicht.

Irgendwann kommt er doch auf den Trichter und merkt, dass das so irgendwie nicht geht und eine Weile später merkt er auch, dass der Rollator oben schmaler ist als unten. Er kommt auf die Idee, den Kinderwagen hochzuheben. Was ihm nicht schwer fällt, denn Kraft hat er. Er hebt und kantet den Wagen, bis er endlich vorbeipasst, achtet dabei aber nicht auf das Kind. Glücklicherweise passiert nichts, aber wenn, dann wäre das Kind herausgefallen und in den Kassensonderangeboten zwischen den Weihnachtsplätzchen und Digitalkameras gelandet.

Ist Denken und Gucken aus der Mode?

Mir ist da spontan ein Vorgang eingefallen, den ich eigentlich schon komplett vergessen hatte. Seltsam, wie einem manchmal so anlassbezogen Erinnerungen wieder hochkommen. Also ich noch als Studi im HaDiKo gewohnt habe, hatte ich ein Auto. Nicht dass es diesen Namen wirklich verdient hätte, so eine uralte ausgelutschte Schrottkarre. Wenn’s ein Pferd gewesen wäre, hätt man’s erschossen. Aber war meins und fuhr. Und deshalb hatte ich da auch einen Parkplatz. (Für Insider: Vorne vor dem K1.) Da waren eigentlich Parkplätze auf dem Pflaster eingezeichnet, aber weil’s da Bäume hat und die viel Laub abwerfen, konnte man das meist nicht mehr sehen und die Leute haben kreuz und quer geparkt. Und manche wollten das partout nicht einsehen, dass das da einzelne Parkplätze sind, die bestimmten Bewohnern zugeordnet sind und die dafür bezahlen. Kein öffentlicher oder für andere HaDiKo-Bewohner zugänglicher Parkplatz. Irgendwann hatten sie mal wieder mehr Autos hingestellt, als hinpassen und ich kam da nicht mehr in meinen Parkplatz rein. Zu eng. Nicht mal mit Gleitgel wär ich da noch reingekommen. Zufällig kam gerade einer der Dummparker vorbei und ich sagte ihm recht deutlich, dass er sein Auto von meinem Parkplatz entfernen möge.

Wollte der nicht einsehen. Er habe doch genug Platz für mein Auto gelassen. Ich sei nur zu dämlich einzuparken. Machte sich da über mich lustig, dass ich nicht einparken könne und meinte, ich solle ihm meinen Schlüssel geben, damit er mir mal zeigt, wie das ginge.

Ich habe stattdessen ein Maßband aus dem Kofferraum geholt und nachgemessen. Mein Auto war nach KFZ-Schein – und da sind die Außenspiegel noch nicht mal berücksichtigt – 4 cm breiter als die Parklücke, die er mir gelassen hatte. Und aussteigen würde ich auch ganz gerne noch können.

Ich dachte, ich hätte ihn damit überzeugt. Ich dachte, das wäre ein Argument, dass ein Auto, das netto schon 4 cm breiter als die Parklücke ist, nicht in die Parklücke passen würde. Wollte der nicht kapieren. Einfach nicht kapieren. Man müsse nur Auto fahren können, dann ginge das. Gar nicht mal provokat oder im Spott, der hatte das wirklich nicht kapiert. Dafür habe ich nicht kapiert, was so jemand überhaupt an einem Studentenwohnheim einer technischen Uni zu suchen haben könnte.

(Glücklicherweise kam gerade ein Haussprecher mit Hausrecht vorbei und hat ihm dann gesagt, er könne es wegfahren oder wir lassen es abschleppen. Das hat er dann kapiert.)

8 Kommentare (RSS-Feed)

Achim
24.12.2012 15:32
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Hi,

solche Dinge erlebe ich leider jeden Tag bei der Arbeit im Strassenverkehr.
Is traurig, ich hab das Gefühl, dass es immer schlimmer wird.


Jens der Andere
24.12.2012 16:21
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Ich bemerke auch eine ständige Zunahme an Deppenparkplätzen. Das sind die doppelt breiten mit dem Strich ZWISCHEN den Rädern. Sehr beliebt logischerweise bei Fahrern größerer SUVs und Fahrzeugen der preislichen Oberklasse. Sehr praktisch bei öffentlichen Parkhäusern, bei denen nur die Anzahl ein- und ausfahrender Fahrzeuge gezählt wird, nicht aber jeder einzelne Parkplatz auf frei/belegt.

Manchmal passert aber auch etwas – da wurde doch einer Deppenparkplatzparkerin (Typ: Trophy Wife) von einem Mitarbeiter der Anlage angedroht, ihr Parkentgelt zu verdoppeln, wenn sie nicht… Das resultierende Gezeter war unglaublich, dann aber stieg die Fahrerin spontan wieder in ihr bayerisches Ungetüm und verließ sehr ungehalten die Anlage. Beifall der Umstehenden.


Kaiser
24.12.2012 17:32
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Wenn dein Wagen doch so eine Schrottkarre war, wieso hast du ihn dann nicht fahren lassen? Wäre sicher lustig geworden. Naja gut damals wäre es vllt schwer dann nachzuweisen, dass er am Steuer saß oder gab es schon Handykameras?
Er hätte sich ja den eigenen Wagen verschrammt. 🙂


Hadmut
24.12.2012 17:35
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Und was hätte ich davon gehabt? Ein kaputtes Auto (ein besseres oder anderes konnte ich mir damals nicht leisten) und jede Menge Ärger. Denn man darf ja nicht einfach so seinem Auto irgendeinem Blödmann überlassen. Da kriegt man nicht nur höllisch Ärger mit der Versicherung, sondern kann sich auch strafbar machen.

Und nein, damals gab es noch keine Handykameras. Denn damals gabs ja noch nicht mal Handys. Und auch keine Digitalkameras.

Nicht mal Youtube gab’s damals.

Und für wie blöd hältst Du mich eigentlich dass Du glaubst, ich würde amüsiert mein Auto einem Deppen überlassen und dann noch fotografieren, wie er es kaputt macht?


Kaiser
24.12.2012 18:46
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Na gut, das überzeugt mich.


Roland
25.12.2012 0:47
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Bei Männern dieser Vernunftklasse hilft nur, entsprechende Körpermasse vorausgesetzt, die Brachialmethode: “Entweder fährst du deine Kiste weg, oder du fängst einen Satz heisse Ohren,wenn du Glück hast!”

Habe ähnliche Erfahrungen gemacht, war aber für damalige Verhältnisse mit 1,84 und 85 kg (austrainiert dank Sport)ziemlich kräftig………-hat immer gewirkt, sogar bei Leuten, wo ich vermutlich den Kürzeren gezogen hätte…..

Auch ein Doktortitel schützt vor Dummheit nicht (Zitat meines Deutschlehrers, der den Titel hatte) und mit “Vernunft” kam man damals schon nicht weit…….und heute gar nirgends hin……


yasar
26.12.2012 9:44
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Mußte gerade schmunzeln: Hadmut und “entsprechende Körpermasse vorausgesetzt,” 🙂

PS: Es kommt nicht auf die Körperammse an, sondern, wie man sie einsetzt (wird in vielen Budo-sportarten beigebracht).


quarc
9.1.2013 11:23
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> Zwei Kunden vor mir so eine alte Frau mit Rollator und Altersignoranz.
> So Leute, die glauben, dass alle Probleme sich lösen, wenn man sie
> einfach ignoriert und man so täte, als beträfen sie einen gar nicht,
> als gäbe es sie nicht.

Offenbar hat die alte Frau in diesem Fall intuitiv die optimale Strategie gewählt: sie hat gemerkt, dass der Mann mit Kinderwagen ein hoffnungsloser Fall ist und eine etwaige Diskussion mit ihm bloß eine Vergeudung von Lebenszeit gewesen wäre.