Ansichten eines Informatikers

Artikel 5 Absatz 1 Grundgesetz (Korrektur!)

Hadmut
11.12.2011 13:32

lautet:

Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Korrektur und Ergänzung hierzu (sorry, hatte ich zunächst vergessen):

Absatz 2: Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

Ein englisches Magazin hat die 50 schlechtesten Musik-Videos aller Zeiten gekürt. Nun ist das zwar wirklich nicht wichtig, völlig nebensächlich, oberflächlicher Unsinn und keineswegs nachvollziehbar. Aber es ist eine Meinung, die man in Wort, Schrift und Bild frei äußern darf. Weshalb ich auch das Grundrechte haben (bzw. zu haben glaube), mich darüber informieren zu können.

Bei vielen der Videos kommt aber die Meldung (von Youtube)

Dieses Video ist in Deutschland leider nicht verfügbar, da es möglicherweise Musik enthält, für die die erforderlichen Musikrechte von der GEMA nicht eingeräumt wurden.

Nun ist es ja nicht so, daß dieses Magazin da raubkopiert hat, sondern diese Videos da ganz legal referenziert, also die Verbreitung selbst zunächst mal nicht verboten ist.

Auf welcher Rechtsgrundlage kann also die GEMA mir hier das Grundrecht einschränken, mich ungehindert zu unterrichten? Und wie kann der Gesetzgeber solche Rechtsgrundlagen schaffen? In der ersten Version des Blog-Artikels hatte ich (Schlampigkeitsfehler) geschrieben, daß es keine Ausnahmen von Absatz 1 gibt. Stimmt nicht, deshalb habe ich noch den Absatz 2 eingefügt. Der gibt hier aber keine echten Ausnahmen her, denn die Sache betrifft ja weder Schutz der Jugend oder der Ehre, noch gäbe es ein allgemeines Verbot, Musikvideos zu zeigen. Das verböte sich schon aus der Kunstfreiheit. Insofern gibt es zwar enge Ausnahmetatbestände, die hier aber nicht gegeben sind. Das Grundgesetz soll ja den Rahmen für normale Gesetze vorgeben und nicht umgekehrt.

Falls ich mich da jetzt richtig erinnere, kann die GEMA formal zwar die Veröffentlichung nicht verbieten, aber ohne näheren Nachweis Entgelte verlangen, weshalb Youtube von sich aus blockiert, um diesen Forderungen zu entgehen. Ist aber das nicht eine verbotene Zensur durch die Hintertür? Kann man Zensur ausüben, indem man einfach zuviel Geld verlangt?

Das ist durchaus auch für das Leistungsschutzrecht für Verleger relevant.

16 Kommentare (RSS-Feed)

Maik
11.12.2011 13:54
Kommentarlink

Man sollte Abs. 2 mitzitieren; dort sind eben doch Ausnahmen vorgesehen: “Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.”

Aber selbst, wenn das dort nicht explizit stünde, können Grundrechte in Abwägung mit anderen Grundrechten eingeschränkt werden.

Problematisch finden kann man diese Abwägung dennoch, denn der Grundrechtsbezug der Urheberverwertungsrechte ist sehr dünn.


Hadmut
11.12.2011 13:56
Kommentarlink

Ups, ja, da hab ich einen Fehler gemacht. Danke!


Heinrich
11.12.2011 14:10
Kommentarlink

Man sollte vielleicht auch bedenken, dass die Grundrechte zwischen Bürger und Staat gelten. Nicht zwischen Bürger und Bürger bzw. Bürger und Unternehmen.


Hadmut
11.12.2011 14:16
Kommentarlink

@Heinrich: Ja, völlig richtig.

Die Gema kann aber nicht einfach so aus eigenem Geschäftssinn Geld verlangen, sondern wiederum auf gesetzlichen Grundlagen. Und die unterliegen den Grundrechten sehr wohl.

Auch bei den vielen Abmahnungen und Unterlassungsklagen sowie dem fliegenden Gerichtsstand sehe ich das Problem, daß der Staat Eingriffsrechte, die ihm verfassungsrechtlich nicht zustehen, auf Privatpersonen (natürlich oder juristische) verlagert.


Peter Suxdorf
11.12.2011 14:27
Kommentarlink

Ich habe keine Ahnung von IT, deswegen verzeiht, aber wenn ich ein Youtube-Video sehen möchte, welches den GEMA-Spruch einblendet, dann wähle ich mich einfach über einen türkischen oder sonstigen Proxyserver ein.
Das Problem ist damit zwar nicht gelöst, aber umgangen.

Ansonsten sehe ich für eine recht nahe Zukunft eine Umsetzung des Art. 20 Absatz 4. Wenn denn die Mehrheit der Schlafschafe in Deutschland aufgewacht ist.
Danach löst sich die Problematik um mangelhafte Umsetzung des Rechtes zugunsten von zahlungskräftigen Lobbyismus betreibenden Großkonzernen mehr oder weniger von alleine.


Hadmut
11.12.2011 14:30
Kommentarlink

@Peter Suxdorf: Ja, natürlich, sowas geht, wenn man sich auskennt. Aber die Kinderpornosperre per DNS war auch trivial umgehbar und trotzdem rechtswidrig. Wieviele der Internet-Nutzer wissen denn, wie man das umgeht? Und liegt nicht bereits in dem Druck, es umgehen zu müssen, eine Zensur?

(Und hatten die Türken nicht auch seltsame Verbote?)


martin_n
11.12.2011 14:39
Kommentarlink

Meines Erachtens hat die GEMA in etwa soviel Recht, für anderer Leute Werke Geld zu bekommen, wie jeder andere Strassenräuber auch: gar keins!
Wenn man mal wieder diese Meldung bekommt, dass das Lied, welches der Interpret selbst für seine Fans ins Netz gestellt hat, “in deinem Land leider nicht verfügbar” ist, kann man sich natürlich die Haare bis auf die Kopfhaut herunter raufen – oder man benutzt http://hidemyass.com/ oder zB das Addon “Stealthy” für Mozilla. Schon hat man wieder den gleichen Zugang zu Kultur wie der ganze Rest der Welt…

Sehr schön hats Sid der Liedermacher gesagt: http://www.youtube.com/watch?v=niJWmdnxEFc (ist erstaunlicherweise in diesem Land verfügbar)

Liebe Grüße,
und danke für den herrlichen Blog 😉


Alex
11.12.2011 15:59
Kommentarlink

Ach – Grundrechte, das sind doch bestenfalls Richtlinien.


Hanz Moser
11.12.2011 16:35
Kommentarlink

Ich mag die GEMA nicht, überhaupt nicht.
Hier sehe ich aber das Problem in der Freiwilligkeit sich von der GEMA vertreten zu lassen. Das muss man ja nicht. Falls man es tut überträgt man der GEMA auch gleich einen Batzen Handlungsfreiheit. Das GG schützt hier ja auch nur die Äußerung, nicht den Anspruch darauf andere Äußerungen (oder Werke) kostenlos konsumieren zu können. Und wenn ich das richtig lese ist die eigentliche Liste auch nicht gesperrt, sondern nur die einzelnen Videos, die nicht Bestandteil der Leistung des Autors der Liste sind.
Bleibt die Frage nach den allgemein zugänglichen Quellen. Hier gilt vermutlich generell, dass das Recht Geld zu kassieren und über die Verbreitung des eigenen Werkes zu bestimmen regelmäßig höher steht als das Recht auf Information. Sonst müsste man auch Zeitungen kostenlos bekommen können.
Mir stößt die Haltung der GEMA im Fall Youtube auch sauer auf, aber ich sehe hier kein Grundrechtsproblem, weil die Vertretung durch die GEMA (formal) freiwillig ist. Andererseits ist sie zu groß, um das wie den Fall einer zu teuren Zeitung zu behandeln, die man ja nicht kaufen muss. Bleibt das Argument, dass die GEMA sich mit anderen deutschen Portalen geeinigt hat und daher der Zugang nicht völlig versperrt ist und man der GEMA auch nicht unterstellen kann, die Verbreitung grundsätzlich verhindern zu wollen.

Für mich im Ergebnis kein Grundrechtsproblem und auch keine Zensur, sondern nur sehr fragwürdig.


Hadmut
11.12.2011 16:40
Kommentarlink

Ja, denkst Du! Da gab’s ja in letzter Zeit diversen Krach, weil nach Ansicht der GEMA nicht die GEMA nachweisen muß, daß jemand unter Vertrag steht, sondern erst mal der Anbieter nachweisen muß, daß der Künstler nicht, auch nicht unter anderen Namen unter Vertrag steht, was praktisch nicht zu erfüllen ist. Deshalb steht da ja auch „möglicherweise”. Man muß gar keinen GEMA-Vertrag haben um mit denen Ärger zu kriegen.


Hanz Moser
11.12.2011 17:16
Kommentarlink

Bitte was?
Diese Sonderstellung ist in der Tat Schwachsinn. Wie wird so ein Irrsinn denn juristisch begründet?!?


Dr. No
11.12.2011 22:39
Kommentarlink

bravo
11.12.2011 23:04
Kommentarlink

Das Youtube-GEMA-Problem ist so verworren, dass ich es nicht ganz durchschaue. Für mich sieht es so aus, als ob Youtube sich nicht mit der GEMA einigen will oder bis zu einer Einigung möglichst keine unnötigen Nachforderungen riskieren will.
Die GEMA verbietet oder unterbindet auch keine Musikaufführungen. Was jetzt öfter passiert ist, dass die Forderungen der GEMA dermaßen überzogen sind, dass auf so manche Musikaufführung verzichtet wird. Augenfällig wird das bei Stadtfesten, auf denen teilweise weniger Bands auftreten, weil die Veranstalter GEMA-Gebühren sparen wollen.
Im Ursprung hat die GEMA-Gebühr gar nichts mit Art. 5 GG zu tun. Die GEMA verbietet niemandem die Aufführung von Musik.


Der Staat verkauft Monopole, da ist das Problem.

Carsten

“Schaffrath als Kanzlerin. Na endlich die lange erwarteten positiven Veränderungen.”
Vordenker


anon
12.12.2011 16:12
Kommentarlink

Es ist gar nicht die Gema. Youtube sperrt sowas automatisch, weil sie Streit mit der Gema hat, die horrende Gebühren verlangt und nichtmal sagen kann welche Künstler sie vertritt, für wen sie also Gebühren will.

Viel interessanter daran finde ich etwas das Google auch bei der Suche, nicht nur bei Youtube, macht “da es möglicherweise Musik enthält”. Möglicherweise? Wir sperren weil mögllicherweise ein Rechtsverstoß besteht? Für sperren jmd ein weil möglicherweise eine Tat vorliegt?


_Josh @ _[°|°]_
12.12.2011 19:56
Kommentarlink

Ohne weiter auf das kranke GEMA-Kroppzeug Bezug nehmen zu wollen empfehle ich allen Firefox-Verwendern kurz & knapp das Add-on http://proxtube.com/ — pragmatisch, praktisch, gut, um hier mal mit einem (wohl noch bekannten?) bekannten Reklametext zu sprechen/ schreiben.

Dieses Video ist in Deutschland leider nicht verfügbar, da es möglicherweise Musik enthält, für die die erforderlichen Musikrechte von der GEMA nicht eingeräumt wurden. gehört damit der Vergangenheit an.