Ansichten eines Informatikers

Presserat will neue Regeln für Leserbeiträge

Hadmut
17.2.2014 15:38

Der Presserat will, dass Beleidigungen und Schmähungen in Presseforen nicht mehr geduldet werden. Das Problem dabei ist: [Update]

Sie sagen nicht, was genau sie darunter verstehen. Die meisten (Pseudo-)Journalisten sehen es nämlich schon als Beleidigung oder Schmähung an, wenn man Fehler im Artikel aufzeigt oder einfach eine andere Meinung hat. Zwar haben Beleidigung und Schmähung durchaus brauchbare juristische, genauer gesagt verfassungsrechtliche Eingrenzungen, die ich für in Ordnung halte. Nur: Welcher Journalist hat schon soviel Rechtskunde und Charakter, das auseinanderzuhalten?

Bisher gibt es ja in fast allen großen Medien schon die Praxis, Kritik als beleidigend herauszufiltern und gar nicht erst auftauchten zu lassen. Somit liest sich dieses Ansinnen des Presserats nur als Unterfangen, diese Praxis durch eine offizielle Vorgabe zu legitimieren.

Richtig (und neu) ist dabei allerdings, dass sie fordern, Kommentare wie Leserbriefe zu behandeln. Das ist grundsätzlich richtig. Bei Leserbriefen weiß der durchschnittliche Leser jedoch, dass ihm nur das serviert und ausgesucht wird, was der Redaktion schmeckt. Das darf die Redaktion, aber dem Leser ist klar, dass ein einseitiges Bild bei Leserbriefen eher auf die Auswahl der Redaktion, als auf die Meinung der Leser zurückzuführen ist.

Bei den Kommentarfunktionen sieht das jedoch ganz anders aus. Da nämlich wird dem Leser suggeriert, dass es ein offenes Forum sei und die Artikelauswahl daher ein repräsentatives Meinungsbild sei. Noch schlimmer ist es bei vielen Medien, die dann Kommentare nicht einfach nur löschen, sondern an deren Stelle ein “Wegen Beleidigung gelöscht” setzen, was dann zum umgekehrten Eindruck führt, nämlich dass der Autor des Artikels umso mehr Recht habe, desto stärker er beleidigt würde, obwohl es in Wirklichkeit nur Gegenmeinungen oder Kritik waren. Das heißt, dass bei dieser Darstellungsform besonders viel Kritik dann so aussieht, als spräche das für den Artikel. Wenn es ja nur zustimmende Kommentare und nur gesperrte Beleidigungen gibt, muss der Leser ja denken, dass es keine Gegenargumente gibt.

Update: Inzwischen ist auch ein Artikel dazu auf Golem erschienen. Da liest sich das etwas anders. Dort heißt es, dass bei Kommentaren die üblichen
publizistischen Grundsätze zu beachten seien. Man dürfe religiöse, weltanschauliche und sittliche Überzeugungen nicht „schmähen”. Also doch wieder nicht Stellung gegen Feminismus nehmen darf?

Allerdings sollen die Kommentare nicht vorab, sondern zeitnah nachträglich geprüft werden.

Wobei es im Pressekodex dann sogar heißt:

Es dient der wahrhaftigen Unterrichtung der Öffentlichkeit, im Leserbriefteil auch Meinungen zu Wort kommen zu lassen, die die Redaktion nicht teilt.

Es ist halt die Frage, wo da die Grenze ist. Und ob einer Redaktion überhaupt daran gelegen ist. Denn wenn man schon ideologisch an die Sache herangeht, und von vornherein unterstellt, dass Männer ständig Frauen unterdrücken, ist jede Andermeinung gleich eine Schmähung.

Mal sehen, was das wird und wie es gebraucht wird.

15 Kommentare (RSS-Feed)

PG
17.2.2014 16:28
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Wie du auch nicht jeden Unfug in deiner Kommentarspalte mittragen willst, will “die Presse” das halt auch nicht. Find ich okay. Jeder hat das Recht in seinem eigenen Saft zu schmoren.

Was es braucht, sind einfache Tools, um seine eigene Meinung auf seinem eigenen Flecken Internet zu veröffentlichen (ob das nun eher wie ein Blog oder wie Twitter aussieht, hängt wohl von den jeweiligen Kommunikationsfähigkeiten ab), und einfache Tools, Texte, die Bezug auf andere Texte nehmen, zu finden. Ich glaube, ich hörte mal von “Suchmaschinen”…

Und sofern es keine Kommentarspalte vor Ort gibt, hat auch niemand die Erwartung, dass diese ein vollständiges Spektrum an Meinungen abbildet.


Hadmut
17.2.2014 16:34
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@PG:

> Wie du auch nicht jeden Unfug in deiner Kommentarspalte mittragen willst,

Ja. Aber erstens steht dieses Blog hier unter dem Titel, meine Ansichten wiederzugeben, und zweitens hat jeder genauso viele Möglichkeiten wie ich, ein Blog aufzumachne und es reinzuschreiben. Niemand ist darauf irgendwie angewiesen, in meinem Blog zu kommentieren, oder wäre in einer schwächeren Position als ich. Bloggen kann jeder, längst sogar kostenlos. Es ist nicht wesentlich schwerer oder teurer ein Blog zu eröffnen, als hier einen Kommentar zu hinterlassen.

Bei der großen Presse ist das anders. Gegen etwa einen SPIEGEL oder die ZEIT kommt man mit einem Blog nicht an. Und die beanspruchen ja auch eine gewisse Allgemeingültigkeit für sich.


Heinz
17.2.2014 16:44
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Vielleicht wird sich etwas wie
http://opencomment.org/
durchsetzen?


Frauenhaus - Von Frauen. Für Frauen.
17.2.2014 19:26
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@Heinz (((“Vielleicht wird sich etwas wie opencomment.org durchsetzen?”)))

Zunächst einmal ein Beispiel wie es aussähen würde, wenn man das, was in Köpfen von Männern vor sich geht, wirklich freigeschaltet würde, am Beispiel eines männerrechtlich relevanten Themas:

Weibliche Sextouristinnen und die dadurch verursachte Einschleppung von AIDS nach England:

http://www.hyperaktiv.co.uk/recent-surge-in-hiv-rates-amongst-heterosexuals-in-the-uk-caused-by-female-sex-tourism-say-experts/

(
Falls dieser Link einmal verschwinden sollte, hier ein Screenshot:
http://i.imgbox.com/LrptN68n.png
)

Jetzt lese man sich die OpenComment TOS Regeln durch:

Terms of use
* Don’t offend other people and don’t hurt human rights!
* Don’t post… racist content or content which is against public policy
* If a comment hurts these rules, please report it

Mal schauen, ob die noch Kritik an der Abtreibung durchlassen, wenn Abtreibung zum Human Right erklärt wird. Die Praxis wird’s zeigen, wie das umgesetzt wird.

Hier einige Beispiele, was zur Zeit nicht durchgelassen wird in den Onlinemedien:
http://bloganddiscussion.com/argumentevonfemastasen/482/zensur-und-meinungsfreiheit-in-onlinemedien/

An solchen Beispielen sieht man, dass das schon extrem restriktiv ist. Wenn dann noch offizielle Presseratregeln dazukommen, dann verliert der Kommentarbereich endgültig seinen Sinn und ist nur noch Manipulation, ähnlich wie schon beim Thema Schwulenadoption, wo man nur pro-Kommentare durchgelassen hat (alles andere wäre ja homophob).


Frauenhaus - Von Frauen. Für Frauen.
17.2.2014 19:27
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*aussehen


Bertram
17.2.2014 19:28
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@ PG

Hier gehts nicht um “finden”. Dein Finden bzw. Deine Meinung ist in einem Rechtsstaat scheiß egal. Insb. in unserem. Bitte weiter arbeiten und Schnautze halten, ist das Motto.

Fakt ist, wir sind Erwachsen. Fakt ist gewisse Plattformen befinden sich in der Öffentlichkeit. Fakt ist in Deutschland gilt das Grundgesetz und damit die Meinungsfreiheit im Sinne von Redefreiheit. Und das nicht nur in der Öffentlichkeit.

Das ganze Bla Bla was man immer wieder mit Hausrecht hört, ist 102% kompletter Blödsinn! Das GG steht IMMER vor jedem anderen Gesetz, geschweige denn von selbst angedichteten wie das ominöse Hausrecht!

Oder warum kann man dann nicht locker mal nen Mord in seinen eigenen 4 Wänden begehen, wenn doch das “Hausrecht” so viel über dem GG steht…? Ja warum wohl?

Und Leute die sich oder etwas in die Öffentlichkeit bringen, haben nunmal weniger Rechte. Siehe Fotographie. Einfach weil sie Personen und Dinge des öffentlichen Lebens sind.

Wenn ich ne Rechtsschutzversicherung hätte, würde ich es jedesmal druchklagen bis vors BVG wenn Herr Danisch mir mal wieder einmal mehr einen Beitrag zensiert.

Ich tippe auf 2020. Das Jahr in dem der erste User einen Admin oder Privathansel kostenpflichtig abmahnt, weil er von ihm zensiert wurde.


PG
17.2.2014 21:29
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@Bertram:

Wo ist die Kommentarspalte auf mcdonalds.de? Ich würde mich gern auf der Startseite über deren Produkte äußern. Kann man die mit dem GG dazu zwingen, eine einzurichten? Wenn nein, warum nicht?

Wenn ein beliebiges Blog einfach keine Kommentarspalte vorsieht (gibt genügend solcher Exemplare), kann man die dazu zwingen, eine einzurichten?

Wenn nun spiegel.de einfach keine Kommentarspalte vorsieht, kann man die dazu zwingen, eine einzurichten?

Was den Appell ans GG angeht, vermute ich, das bezieht sich vor allem auf den letzten Satz von Artikel 5, Absatz 1 GG: “Eine Zensur findet nicht statt”.

Schauen wir uns Artikel 1, Absatz 3 GG an:

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Die “nachfolgenden Grundrechte” (zB Artikel 5) binden also den Bundestag, Polizei und Staatsanwaltschaften, sowie Gerichte.

Sie binden insbesondere keinen McDonald’s, keinen Hadmut, keinen PG und keine Spiegel-Online Redaktion.


Hadmut
17.2.2014 21:31
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@PG: Da hast Du wohl gesprochen. Ich hab das schon so oft erwähnt, aber viele kapieren das einfach nicht. Und „Bertram” ist auch nicht der schlaueste.


PG
17.2.2014 21:32
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Nachtrag zum “Mord nach Hausrecht”: da funkt einem das StGB dazwischen.

_Das_ gilt nämlich im Gegensatz zum GG auch für Normalsterbliche.

Das GG betrifft mein Handeln nur insofern, als dass es die Gesetzgebung und -interpretation formt, die mir von den in Artikel 1, Absatz 3 genannten Gruppen auferlegt werden kann.


Hadmut
17.2.2014 21:39
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@PG: Das mit dem Hausrecht ist sowieso ein weitverbreiteter Irrtum. Siehe dazu auch

https://www.danisch.de/blog/2013/04/13/die-piraten-das-hausrecht-und-die-versammlungsfreiheit/


Joe
17.2.2014 21:58
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Bei den Kommentarfunktionen sieht das jedoch ganz anders aus. Da nämlich wird dem Leser suggeriert, dass es ein offenes Forum sei und die Artikelauswahl daher ein repräsentatives Meinungsbild sei.

Das glauben ehrlich gesagt nur die Leute, die dort ihre Zeit verschwenden. Diese Spiegel-Online-“Foristen” – Das ist ein ganz spezielles Klientel – üblicherweise in irgendeiner Form vom Staat abhängig oder gleich verbeamtet. Denn nur die haben überhaupt die Zeit, den ganzen Tag auf Steuerzahlerkosten durch diese Foren zu surfen.

Die kommerziellen Verlage präsentieren hier ein Zielgruppe ein Produkt (Forum), um Klicks zu produzieren, denn mehr Klicks bedeuten eben mehr Anzeigeneinnahmen. Foren sollen einfach nur die Verweildauer auf der eigenen Seite erhöhen, um damit mehr Geld zu verdienen.

Die Zielgruppe wiederum möchte nur Dinge lesen, die der eigenen Meinung entsprechen, denn bei zuviel ernsthaften Gegenargumenten klicken sie nämlich weg. Die Redaktionen wissen das und handeln entsprechend, um das Ergebnis zu optimieren. Mit irgendwelchen repräsentativen Meinungsbildern hat dieses Geschäftsmodell exakt gar nichts zu tun.

Für mich persönlich sind nicht nur diese Foren völlig verzichtbar, sondern auch die angehängten Baits (“Presseartikel”), die einen auf die Anzeigen locken sollen. Darum dreht es nämlich am Ende, der Rest ist einfach nur Hybris eines selbsternannten “Berufszweiges”. Man darf da nicht zuviel hineininterpretieren.


Andreas
18.2.2014 7:46
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@Frauenhaus: schöner Artikel. Das zweite Bild ist aus dem Film “Die weiße Massai” 😀


Supermann
18.2.2014 11:24
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> Wie du auch nicht jeden Unfug in deiner Kommentarspalte mittragen willst

Definiere “Unfug”! Natürlich ist das ein Strohmann, denn fremden Text nicht zu löschen ist nicht automatisch eine Zustimmung.

> Es ist nicht wesentlich schwerer oder teurer ein Blog zu eröffnen, als hier einen Kommentar zu hinterlassen.

Selbst, wenn es so wäre,
1: konzentriert sich die Aufmerksamkeit doch wohl eher auf die berühmten Blogs,
2: weshalb externe “Kommentare” zu einem Text nicht wahrgenommen werden.
3: Will nicht jeder Kochen lernen, nur um feststellen zu dürfen, daß die Suppe versalzen ist.
Na ja, ich denke, die Epoche des Jederman-Zensierens und nachträglichen Änderns steht uns erst noch bevor. Man muß überall von Filterbubbles ausgehen, bis zum Beweis des Gegenteils. Aber nicht jeder tut das.


Hadmut
18.2.2014 11:33
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> denn fremden Text nicht zu löschen ist nicht automatisch eine Zustimmung.

So’n Quatsch. Jeder fremde Text prägt beim Leser das Bild der Webseite, unabhängig von der rechtlichen Grundlage. Damit liegt immer eine gewisse Zustimmung darin, auch wenn es nicht so gemeint ist.

Zweitens zieht das nach sich, dass man ständig erreichbar und löschbereit ist, wenn man auf Durchzug stellt.


PG
18.2.2014 20:54
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@Supermann:

> 1: konzentriert sich die Aufmerksamkeit doch wohl eher auf die berühmten Blogs,
Und auf dieser Welle will man mitschwimmen. Verstehe…

> 2: weshalb externe “Kommentare” zu einem Text nicht wahrgenommen werden.
Das ist eine Frage der Tools. opencomment wurde oben erwähnt, Suchmaschinen können das ihre dazu tun, und eine Browser-Erweiterung, die dem geneigten(*) Leser mit Hilfe solcher Dienste seine Sicht erweitern, wäre technisch keine große Sache.

> 3: Will nicht jeder Kochen lernen, nur um feststellen zu dürfen, daß die Suppe versalzen ist.
Ich hoffe, dass Kommentarschreiber schreiben können. Das reicht völlig aus, um ein wordpress.com/Tumblr/blogger-Blog zu führen.
Allerdings ist das nicht unbedingt gegeben. Von den libertären Grammatikern mal abgesehen, deren Sprachentwicklung man sich erstmal zusammenreimen muss (was keiner macht), scheitern einige Kommentatoren auch am Schaum vorm Mund, sobald es ihnen wichtig wird (auch wenn sie zu anderen Gelegenheiten eine völlig klare Sprache präsentieren können).

Ein eigenes Blog hätte hier den Vorteil, dass die Artikel nochmal überarbeitet werden können. Die wenigsten Blogs lassen das zu (und wenn, nur zeitlich begrenzt).

Das würde natürlich alles besser funktionieren, wenn es überhaupt keine fremden Kommentare auf Webseiten gäbe, weil sich der Blick dann zwangsläufig woanders hin richtet.

Die ARD Presseschau wird ja auch nicht in die FAZ gedruckt.

(*) und der ungeneigte hat keine Zeit und Lust, sich die Kommentare durchzusehen, sondern verlässt sich auf die Autoren des jeweiligen Vertrauens.