Ansichten eines Informatikers

Die Zensur geht vom Volke aus

Hadmut
2.12.2011 14:07

Womit wir wieder bei einem der Dauer-Themen meines Blogs wären. Nämlich daß der (in meinen Augen) größte Zensor in Deutschland die Gesellschaft selbst ist. Am Beispiel Karl-Theodor zu Guttenberg.

Es gab hier schon diverse Blog-Artikel dazu, daß man mit Kritik, Polemik, Falschinformationen, Beschimpfungen überhäuft wird, wenn man gewisse Kritik äußert. So viele, daß ich die jetzt gar nicht mehr alle hier verlinken kann. Meistens bekommt man solche Einschüchterungs-Lawinen, wenn man linke Sichtweisen kritisiert, aber auch bei der Kritik an zu Guttenberg ging es heftig her. Beispielsweise wurden im großen Stil Blog-Kommentare per käuflich-automatisiertem Astroturfing geschaltet, und bei mir hat sogar mal einer aus dem CDU-Umfeld angerufen um mich in meinen Blog-Artikeln pro-Guttenberg umzustimmen. Es wird mittlerweile zunehmen Mode (und hängt damit zusammen, daß die Meinungsbildung sich im Internet gerade von großen Verlagshäusern zu kleinen Bloggern und Mini-Redaktionen verlagert, die ihrerseits wieder leicht zu beeinflussen, einzuschüchtern und zu erpressen sind), die Mediendarstellung im Internet durch Druck, Beschimpfung, Drohung, Desinformation, Trollen, Fluten, Astroturfing usw. zu manipulieren. In Deutschland herrscht ein durchaus signifikanter Zensurdruck, allerdings vornehmlich aus dem Volk selbst. Wir brauchen hier keine drakonische Regierung oder Religion für sowas, wir können das selbst. Die Deutschen lieben es tief und innig, anderen etwas zu verbieten.

Das geht so weit, daß jetzt schon (ausgerechnet) die FAZ den Preis „Leuchtturm 2011” des Netzwerks Recherche erhalten hat, und zwar nicht für journalistische Leistungen, sondern schon dafür, dem Sturm der Pro-Guttenberg-Meinungspeitscher standzuhalten. Hier wurde offenbar ganz massiv versucht, die öffentliche Meinung zu beeinflussen und zu drehen, indem man systematisch Guttenberg-kritische Redaktionen bearbeitet und unter Druck gesetzt hat.

11 Kommentare (RSS-Feed)

FF
2.12.2011 14:39
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“Die Deutschen lieben es tief und innig…” Das ist eine große Wahrheit. Offensichtlich erhöht es das eigene Ego immens.

“Pro-Guttenberg-Meinungspeitscher”, “systematisch Guttenberg-kritische Redaktionen […] unter Druck gesetzt” – darüber wüßte ich auch gerne Genaueres! Wer, wie, warum?

Schweigen im Walde… Wenn selbst Journalisten “bearbeitet” worden sind – wie lief das in Bayreuth genau? Warum winkt ein Häberle eine aberwitzige Textcollage “summa cum laude” durch? Daß er das Werk seines Lieblingsschülers nicht mal überflogen hat, kann ich nicht glauben.

Wenn er das toxische Papier aber durchgeblättert hat: warum riecht er den Braten nicht und veranlaßt seinen “Star” zur “Überarbeitung”? Daß auch andere es lesen/rezensieren werden, mußte ihm doch klar sein.

Dafür, daß wir bis zum Erbrechen mit G. traktiert werden, finde ich es erbärmlich, daß keiner die wichtigen Fragen stellt.

Dieser altersblasse Schönling von der “Zeit” – setzt sich tagelang mit dem Gelprinz ins Luxushotel, um sich (und uns) mit den aufgewärmten alten Floskeln vom Frühjahr abspeisen zu lassen. Absolut nix Neues, aber das auf über 200 Seiten…

Fazit: Wir haben so gut wie keinen Journalismus mehr. Dafür Unmengen Hofberichter, Attrappen. KernerjauchbeckmannplaßbergdiLorenzoillners.


Kiyomizu
2.12.2011 15:14
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Ja, die öffentliche “Meinungsbildung” ist oft nicht schön.

Im Falle Guttenbergs war sie aber auch irgendwie amüsant. Man hat deutlich gemerkt, dass es einige Unsicherheit darüber gab, was denn nun die politisch korrekte Haltung zu dem Mann sei (vor allem in der CSU). Die “linke” (also anti-Guttenberg)? Schließlich herrscht doch die normalerweise vor! Oder die “rechte”(also pro-Guttenberg)? Schließlich war der Baron doch ein Publikumsliebling!

Das hat glaub ich einigen Leuten schlaflose Nächte bereitet^^

Aber man muss ja fast noch froh sein, wenn man so Geschichten aus Amerika hört..


Alex
2.12.2011 15:50
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Mit Verlaub Hadmut.
Wenn ein Verbrecherhaufen Privatfirmen zur Meinungsverzerrung beauftragt, dann geht das doch gerade nicht “vom Volk” aus.

Zwar wohl – der von Dir beschriebene Effekt – auch nicht von staatlicher Seite, aber sicherlich nicht von der Gesellschaft, sondern von einigen, die man als Geschwür bezeichnen würde.


Hadmut
2.12.2011 16:06
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@Alex: Darin liegt ein heute verbreiteter Denkfehler. Das Volk wäre gut, und alle Bösen sind irgendwelche außenstehenden, die nicht zu Volk gehören. Ob’s nun die Parteien, die Auftraggeber von Astroturfern, Linke, Rechte, Guttenberger oder sonstwas sind, selbst bis hin zum Feindbild Polizei, BKA usw. Als ob da überall nur Leute sitzen, die mit dem Volk selbst nichts gemein haben. Hängt auch etwas mit der DDR-Struktur zusammen, die relativ stark zwischen Regierung/Stasi und Volk getrennt hat.

Bei uns ist das aber (meiner Meinung nach) eher so, daß sich im Volk selbst, in der Gesellschaft, solche Tendenzen bilden, Leuten, die was unerwünschtes sagen, im übertragenen (oder auch im wörtlichen) Sinne „aus Maul zu hauen”. Und es hat sich eben bei uns in ziemlich vielen Gesellschaftskreisen die Ansicht breit gemacht, daß man unerwünschte Äußerungen nicht hinzunehmen hat, sondern dagegen was „machen” kann. Und daher kommt das meines Erachtens eher so aus dieser allgemeinen Mentalität des Verhinderns heraus.


Niels
2.12.2011 16:58
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KenFM hat sich auch kürzlich seine Gedanken dazu gemacht. Allerdings kommt er zu dem Schluss, dass die Meinungsbildung im Internet sogar förderlich ist. Fand ich recht interessant…

http://www.youtube.com/user/KenFM2008?feature=watch#p/a/u/0/Al567PQMJlI


Mario P.
2.12.2011 17:15
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@Alex: Ein Geschwür ist immer der Ausdruck einer tieferliegenden Gewebserkrankung…

Wenn das “Volk” selber denken würde und sich seine eigene Meinung bilden würde, hätten diese Firmen keine Geschäftsgrundlage. Tatsache ist, dass eine große Mehrheit sich von Bild&Co. ihre Stammtischparolen vorgeben lässt und genau hier setzen auch diese Firmen an.


EI
2.12.2011 20:52
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Kennst du eigentlich den “Freiheitsindex für Deutschland”
(http://www.sueddeutsche.de/leben/freiheitsindex-verbotsrepublik-deutschland-1.1217394)?


Hadmut
2.12.2011 21:36
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@Ei: Hatte ich kürzlich irgendwo gelesen und noch so vage im Hinterkopf, aber die Quelle nicht mehr auf Anhieb gefunden. Danke!


Alex
3.12.2011 0:27
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Hmm, sicherlich sind “die” auch ein Teil des Volkes, aber wirklich nicht ein Teil der Mehrheit des Volkes.

Ich kenne zumindest niemanden, der eine PR Agentur beauftragen würde/ könnte um in Blogs ein positives Bild von sicher selber zu verbreiten.

Ich kann die von Dir angegebenen Tendenzen nicht sehen – also vor allem keine Verstärkung dieser Tendenzen.
Dass es sie gibt, (und auch schon immer gab) ist wohl nuneinmal so, und eine böse Zunge würde behaupten, dass “der Deutsche” erst glücklich ist, wenn alles tot ist, weil dann endlich Stabilität erreicht wurde.
Insofern gibt es eine große Unerwünschtheit von andersartigen Meinungen in der Gesellschaft, aber es wird dann doch eher der Kopf geschüttelt, als dass diese Meinungen verboten werden.


| Hängt auch etwas mit der DDR-Struktur zusammen, die relativ stark
| zwischen Regierung/Stasi und Volk getrennt hat.

Falsch, völlig falsch. Es gab keine Trennung. Die Wanzen steckten im Volk, genau wie hier. Genau wie hier war die Masse zu blöd und ist hinter sich selbst hergetrottet. Von wegen Widerstand! Die meisten waren dafür. Änderungen kommen langsam und entzünden sich an irgendeiner Blödheit. Das ist hier auch nicht anders. Die meisten sind nicht in der Lage, Zensur zu erkennen. Sie zensieren selbst bei gutem Gewissen und wettern noch gegen Zensur.

Carsten

Die kleinen Dinge
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Nicole
5.12.2011 14:10
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Ich verfolge deinen Blog schon des Längeren.
Und weil wir politisch etwas unterschiedlich positioniert sind, bin ich nicht immer deiner Meinung. Muss ja auch gar nicht. Deshalb sind Blogs ja so ne tolle Sache: Sie bieten die Möglichkeit andere Meinungen zu hören.

Ich persönlich habe mich über deinen Blog (wie gesagt: TROTZ unterschiedlicher Meinung) noch nie geärgert. Ich denke, dass liegt vor allem daran, dass du nicht so polemisch bist. Polemische Blogs bringen mich echt auf die Palme.
Aber du nimmst Dinge differentiert unter die Lupe und das mag ich sehr. Schade, dass damit viele nicht klarkommen.