Ansichten eines Informatikers

Sie fordern die „Klarnamenpflicht“

Hadmut
26.12.2025 17:11

Ich fühle mich diskriminiert.

Es wird gerade wieder eine Sau durchs Dorf getrieben. Die Schwätzer kommen gerade wieder aus ihren Löchern und fordern: Die Klarnamenpflicht. Hatte ich vor fast 6 Jahren schon mal kommentiert.

Und auch einige ältere Äußerungen blubbern gerade wieder hoch:

Was ich interessanterweise nirgends in diesem Geschwätz gefunden haben: Was soll denn das überhaupt sein, diese „Klarnamenpflicht“?

Oder kürzer gefragt: Was ist ein „Klarname“?

Vorname und Nachname?

Alle Vornamen? Oder nur der Rufname?

Und was ist mit den Leuten, vor allem rot-grünen Feministinnen, die unter irgendwelchen entschlechtlichen Kurz- und Spitznamen auftreten?

Was ist der Klarname bei „Transpersonen“? Der jeweils Stundenaktuelle?

Ich fühle mich diskriminiert.

Mein Name ist weltweit eindeutig.

Ich habe vor 25 Jahren mal eine der damals noch erhältlichen „Telefonbuch-CDs“ dekodiert und durchforstet, wieviele Leute namens „Hadmut“ es in Deutschland gibt. Ich weiß es nicht mehr genau, Telefonbücher sind da ja auch nicht vollständig, und bin auf ungefähr 20 oder 25 gekommen, bei den meisten Hinweise auf das Geschlecht wie „Klavierlehrerin“, und im realen Leben, insbesonderes in der Informatik oder im internationalen Umfeld, ist mir noch niemand dieses exakten Namens begegnet. „Hadmuthe“ findet man, aber sehr, sehr selten. Wer in Suchmaschinen nach „Hadmut“ sucht, der landet bei mir und damit auch beim Impressum. Fertig. Wenn ich mich also in irgendwelchen Foren und Bug-Report-Seiten „hadmut“ nenne, dann bin ich damit schon weltweit eindeutig identifiziert, im Gegensatz zu all den Johns, und Joes, und Susans und so weiter. Da der Name sehr altmodisch (althochdeutsch) war, gehe ich davon aus, dass die meisten Leute dieses Namens längst verstorben sind oder noch im Altersheim sitzen. Ich bin vermutlich der weltweit Letzte meines Namens. Und soweit ich weiß, überhaupt der einzige Mann (ist nämlich ein Frauenname, bedauerlicher Betriebsunfall bei der Namensgebung), der so heißt, und der Einzige, der sich in IT und Social Media herumtreibt. Ihr könnte ja mal schauen, ob Ihr noch jemanden dieses Namens finden könnt.

Was ist mit den Millionen von „Herr Li“, „Frau Nguyen“ und „Mohammeds“, die es da draußen gibt? Schreib unter einer Terrordrohung „Mohammed“ – und niemand weiß, wer das war. In vielen Städten ist „Mohammed“ inzwischen der häufigste Knabenname. Und an Aishes haben wir auch keinen Mangel.

In meinem Abiturjahrgang hatte ich zwei „Thomas Schmidt“ – die sogar am selben Tag, im selben Krankenhaus geboren waren, dasselbe Geburtsdaten und denselben Geburtsort hatten. Die Mütter kannten sich und die Krankenschwestern hatten sie absichtlich in getrennte Zimmer gelegt, damit es nicht gar zu schlimm wurde mit den Verwechslungen. Wieviele Thomas Schmidts gibt es in Deutschland?

Ich fände das unfair und ungleich vor dem Gesetz, wenn eine Klarnamen-Pflicht mich eindeutig identifiziert, andere Leute aber höchstens auf Millionenkategorien eingrenzt. Während man „Transpersonen“ nicht nur erlaubt, sich beliebig umzubenennen, sondern sogar unter Strafe stellt, ihren Geburtsnamen zu nennen.

Was, wenn ich mich in den Social Media immer „Aloisia“ nennen, weil mir da gerade so weiblich zumute ist? Dürfte ich mich da überhaupt umbenennen, oder müsste ich mir vorhalten lassen, doch schon einen Frauennamen zu haben?

Ausländische Namen und Migranten

Was ist eigentlich mit arabischen, chinesischen, indischen Namen?

In welcher Schrift werden die geschrieben? Müssten die dann nicht in arabischer, chinesischer, indischer Schrift geschrieben werden? Aus keiner dieser Sprachen gibt es eine eindeutige und verpflichtende Umschreibung in lateinische Buchstaben, das ist immer mehrdeutig.

Was ist da der Klarname?

Und was ist Migranten? Die ihre Papiere vorher weggeworfen haben? Oder mit gefälschen Papieren kommen?

Mit denen, die nicht lesen und schreiben können, ihren Namen nicht schreiben können, nicht einmal ihr Geburtsdatum angeben können und wollen? Kriminellen und Verbrechern, die deutliche Gründe haben, falsche Namen anzugeben?

Von denen viele sogar Sozialbetrug begingen, indem sie unter 10, 20, 30 oder mehr Namen Sozialhilfe beantragt hatten?

Was ist der Klarname von Leuten, bei denen der Staat nicht in der Lage ist, einen Namen festzustellen? Dürfen die dann unter beliebigen Namen in die Social Media? Oder gar nicht mehr?

Juristische Personen

Es gibt viele Social-Media-Accounts von Firmen, Organisationen, Behörden, Marken, Vereinen, Ministerien, Nachrichtenredaktionen, Sendeanstalten.

Was ist denn da der „Klarname“?

Mir geht dieses Geschwätz so auf den Wecker. Das ist so auf dieser Stammtisch-Ebene von „Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein“.

Ausländische Accounts und andere Probleme

Die Welt soll sich wieder einmal um Deutschland drehen.

Was ist dann eigentlich mit ausländischen Accounts, die deutschem Recht nicht unterliegen? Sollen wir dann nur noch Social-Media-Meldungen von deutschen Accounts sehen dürfen?

Was ist, wenn man im Ausland wohnt, oder sich beim Twittern gerade im Ausland, außerhalb deutschen Rechts befindet? Gilt dann eine Klarnamen-Pflicht oder nicht?

Anders gefragt: Wonach soll sich das überhaupt richten, ob ein Account eine Klarnamenpflicht braucht oder nicht? Wonach soll sich die Anwendbarkeit richten, und woher soll der Provider das zu diesem Zeitpunkt wissen? Sitz des Social-Media-Unternehmens? Wohnsitz des Benutzers? Welche Auffassung welchen Landes vom Namen ist die maßgebliche?

Und welcher Zeitpunkt ist maßgeblich? Anmeldung des Accounts, oder der Äußerung?

Was ist mit Leuten, die mehrere Accounts haben, etwa wenn einer gesperrt ist? Dürfen die dann nur noch einen Account haben, oder beziehen sich Sperrungen dann auf alle Accounts?

Fazit

Irgendein Geblubber, was gerade opportun und geeignet erscheint, um endlich mal wieder in die Medien zu kommen. Und die praktische Umsetzung und die genauen Definition sollen dann die Gericht ausprügeln. Und es blubbert sich so leicht, wenn man mit schmissigen Begriffen schmeißt, deren Umsetzung man dann von anderen verlangt.

Voßkuhle im Tagesspiegel:

Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, plädiert für die Einführung einer Klarnamenpflicht gegen Hass und Hetze im Internet.

„Um die Diskurskultur etwas zu rationalisieren, sollte es im Internet Pflicht werden, seinen Klarnamen zu benutzen“, sagte Voßkuhle im Interview mit dem Tagesspiegel. Mit diesem einfachen Mittel könne man „öffentliche Diskussionen im Netz entgiften“, sagte er. Die „Verrohung im Netz“ halte die Gesellschaft „auf Dauer nicht aus“.

Er halte eine Klarnamenpflicht im Internet zwar für „nicht ganz einfach“, aber „verfassungsrechtlich zulässig“, sagte Voßkuhle, der das Institut für Staatswissenschaft und Rechtsphilosophie an der Universität Freiburg leitet. Allerdings brauche es für eine Klarnamenpflicht eine genaue Begründung. Es müsse weiter möglich sein, „die Regierung zu kritisieren, ohne persönlich Sanktionen befürchten zu müssen“.

Voßkuhle begründete seine Forderung nach einer Klarnamenpflicht mit einer „paradoxen Welt“, in der sich die Bürger mehr Führung wünschten, gleichzeitig aber jede einzelne Äußerung von Politikern „im Netz und von den Medien hochgejazzt und zu einer Staatskrise stilisiert“ werde.

Das trage zu einer „permanent erregten“ und „gewissermaßen orientierungslosen“ Gesellschaft bei, sagte Voßkuhle, der Vorsitzende des Vereins „Gegen Vergessen – für Demokratie“. Voßkuhle war von 2008 bis 2020 Richter am Bundesverfassungsgericht, ab 2010 als dessen Präsident.

Ich hatte den ja schon immer im Verdacht, dass der es nicht so mit Grundrechten hat und ihm der Überblick über das Grundgesetz fehlt.

Eine solche Regelung wäre mit der Gleichheit vor dem Gesetz unvereinbar, weil der Staat alle Bürger gleich behandeln muss, eine solche Klarnamenpflicht aber sehr weit auseinanderliegende Auswirkungen auf die Bürger hätte.

Und ich glaube auch nicht, dass man das überhaupt so formulieren kann, dass es den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Bestimmtheitsanforderungen genügen kann.

Aber die von mir meistkritisierten Fehl- und Korruptionsentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts fallen in die Zeit, als er dessen Präsident war. Man muss ihm nur zuhören, dann weiß man, warum.

Epilog

Ich kämpfe gerade mit dem „Justizpostfach“.

Da erfährt man nie etwas, keinen Sitz, keine Anschrift, keine Rechtsform, keinen Namen – nichts. Man weiß nicht mal, welches Gericht für die zuständig ist, und welche Datenschutzbehörde. Man könne sich an alle wenden, alle seien zuständig.

Ach ja, und das Bundesverfassungsgericht selbst hat sich unter Voßkuhle strikt geweigert, offenzulegen, wer eigentlich die Mitarbeiter der Richter sind, die die Entscheidungen schreiben. In eigener Sache hielt Voßkuhle nämlich gar nichts von einer Klarnamenpflicht. Klarnamenpflicht ist nämlich eine dieser besonderen Pflichten, die immer nur für andere gelten, aber nie für die, die sie fordern.

Wie wäre es denn, wenn wir erst einmal beim Staat damit anfangen, sich klar zu identifizieren?