Ansichten eines Informatikers

Ein zypriotischer Glasfaseranschluss

Hadmut
25.11.2022 20:58

Zwischen erfreulich und schnöde.

Heute haben sie mich überrascht.

Als ich vor einiger Zeit erstmals hier in der Wohnung übernachtet habe, hatte ich ja nun erstmals kein Internet mehr. Denn vorher war ich ja immer in Hotels, und da gab es das Internet immer dazu – mehr oder weniger gut, je nachdem, wie sie angebunden waren. Normalerweise gut genug, um deutsches Fernsehen zu gucken, bei einem Hotel hat es mal geruckelt.

Sehr bewährt hat sich ein kleiner Taschenrouter von GL.iNet, weil es auch Hotels gab, bei denen nicht alle Zimmer, sondern nur Lobby und Bar vom WLAN abgedeckt sind, jedenfalls nicht in einer Stärke, dass die popelige Antenne im Notebook vom Hotelzimmerschreibtisch aus damit klarkäme, oder meine morgendliche Presseschau auf dem Tablet vom Klo aus wie gewohnt vonstatten gehen könnte, weil die Badezimmer schon gleich gar nicht abgedeckt sind. Meistens liegen die Richtung Außenseite, weil die Balkons nach innen zum Pool gerichtet sind. Und die kleinen Taschenrouter können als Repeater (genauer: Router mit NAT und nicht WLAN-Repeater) funktionieren und haben aufklappbare, weitaus bessere Antennen, fungieren gleich noch als Firewall und LAN, und wenn man mit OpenWRT umgehen kann, kann man da netzwerktechnisch aus dem Vollen schöpfen. Wenn man nicht mit OpenWRT umgehen kann, hat GL.iNet noch eine leichtere Web-Oberfläche davor gebaut. Das Ding hatte ich im letzten Hotel auf dem Balkon stehen, von wo aus es in Reichweite des Gäste-WLAN der Bar war, und hatte damit dann prima Internet im Hotelzimmer.

Aber hier? Wo es kein WLAN gibt, das man anzapfen kann?

Kein Problem.

Man geht ins Einkaufszentrum, zum Provider für Funknetze (z. B. EPIC), muss als Ausländer noch eine Kaution zahlen, bekommt den Mobilfunkrouter (so ganz ist mir nicht klar, ob die da 4G oder 5G machen, das scheint aber unterschiedlich ausgebaut zu sein, weil sie unterschiedliche Leistungsangaben je nach Region machen), geht nach hause, steckt ihn in die Steckdose – und hat ordentlich Internet. Der Durchsatz reicht gut zum Fernsehgucken, aber das Kontingent nicht ganz.

Als Blogger und weil dann Radio und Fernsehen über das Internet gehen müssen (früher war das so üblich, dass Ausländer in Zypern 3-Meter-Parabolantennen auf dem Dach hatten, weil Zypern ganz am Rand des Ausstrahlungsgebietes der Fernsehesatelliten liegt man man deshalb so große Antennen braucht, macht aber keiner mehr; inzwischen streamen die alle. Muss nochmal nachfragen, irgendwer hatte mir gegenüber mal eine Box erwähnt, die hier sehr gängig wäre, ich habe mir aber den Namen nicht gemerkt.) will ich aber doch mehr Durchsatz und Kontingent haben.

Also bei Cyta Glasfaser bestellt. Wird da, wo es Abdeckung gibt, angeblich innerhalb von etwa 10 business days installiert. Im Laden sagten sie, 2 Wochen, wenn es keine Probleme gibt, 4 Wochen, wenn es Probleme gibt.

Bei mir gab es das Problem, dass sie die Adresse in ihrer Datenbank irgendwie nicht gefunden haben, und ich ihnen das ein paarmal erklären und zeigen musste. Außerdem bauen die hier alle leidenschaftlich gerne Henne-Ei-Probleme. Für alles und jedes braucht man hier eine zypriotische Telefonnummer, das ist hier fast sowas wie eine Personen-ID. Zur Authentifikation dient immer die Personausweis-Nummer, was etwas fragwürdig ist, weil die ja mit der Zeit immer mehr Leute kennen, und man sie auch nicht einfach ändern kann. Die Mobilfunkfirmen wollen auch, dass man eine (zypriotische) Telefonnummer hat, um bei ihnen einen Account anzulegen, in den die eingetragen werden muss, mit dem man dann – erraten – einen Telefon- oder Internetanschluss beantragen kann. Nicht ganz einfach, wenn man einen zypriotische Telefonnummer haben muss um einen zypriotischen Anschluss zu bekommen, was die Telefonnummern umschließt. Man fängt mit einem einfachen billigen Prepaid-Tarif an, kommt so an eine Telefonnummer, und damit geht dann plötzlich alles. Wenn man irgenwohin kommt, etwa Mietwagen oder irgendein Laden mit Kundenkarten und Rabatt, und da die Telefonnummer angeben muss, dann geht schier die Sonne auf, wenn man eine zypriotische Nummer angibt. Dann gehört man dazu, dann wird man schon als jemand von hier betrachtet. Die Telefonnummer macht’s. Telefonnummer und Personalausweisnummer, das ist das wichtige Paar wie Benutzername und Passwort.

Die Sonne geht wieder unter, wenn man sagt, dass man nicht auf Whatsapp ist. Weil man nämlich die Telefonnummer als eine Art ID für die Person verwendet, kommuniziert hier alles per Whatsapp. Wie meinst Du das, dass Du Facebook nicht willst? Ach, Whatsapp ist Facebook? Und Du bist Deutscher? Na gut, das erklärt’s vielleicht.

Und das muss ich bisher sagen: Mit dem Marketing tun sie sich etwas schwer, die Organisation ist problematisch, bei einem Anbieter brauchten sie fast eine halbe Stunde und den Chef, bis ich endlich in ihrer Datenbank als Kunde angelegt war, das ist noch nicht so durchgereift, aber die Technik läuft. Wenn man mal os weit vorgedrungen ist, den Anschluss zu haben, dann flutscht der auch. Verblüffend oft übrigens mit Hardware von Huawei. Ich habe den Eindruck, als hätte Huawei die Netzinfrastruktur der Insel gebaut und den Providern übergeben, da, kümmert Euch drum. Funktioniert aber.

Nun hatte ich mir also so einen Glasfaseranschluss bestellt, das zog sich aber etwas wegen der Adressprobleme, und ich war froh, dass ich schon mal dieses Funkmodem (Huawei) beschafft hatte, mit dem ich bisher gearbeitet habe. So ein seltsamer Monolith, kann auch nicht viel, hat WLAN und zwei Ethernetbuchsen, tut aber, was es soll, erfreulich stabil, aber leider nur IPv4. Reicht erst mal.

Cyta ließ mich wissen, dass man inzwischen alles geprüft und gecheckt hätte und meinem Antrag Glück und Erfolg beschieden sei, man sich zur Installation irgendwann bei mir melden werde.

Uch, dachte ich, das kann dauern.

Ich wusste nämlich auch nicht, wie die das mit dem Glasfaseranschluss hier anstellen würden. Die Nachbarn sagten, sie wüssten es nicht, hier hätte noch keiner Glasfaser. Im Laden meinten sie, in Zypern gehe alles übers Dach, denn Keller gibt’s ja nicht. Der gesamte Wasserkram geht übers Dach. Das Warmwasser kommt vom Dach. Baumelt dann die Glasfaser von der Decke?

Ich musste an die Telekom denken. Neulich in Berlin hat es ja mal an der Tür geklingelt. Ich mache auf und draußen stehen welche, die behaupten, von der Telekom zu kommen. Nein, auf Euch falle ich nicht rein, Euch lasse ich nicht an meine Buchsen. Ob ich Glasfaserinternet haben wollte. Mmmh, sagte ich denen, Kabelanschluss habe ich schon, bin zufrieden, und für Glasfaserverlegung müsste erst die Hausverwaltung zustimmen, und die sind sparsam. Wüsste nicht, wie das gehen sollte und worin der Vorteil läge. Doch, das wäre doch alles schon da. Das könne nicht sein, meinte ich, das wüsste ich aber, wenn es im Haus schon Glasfaser gäbe. Ja, doch, schon, also, irgendwie. Nachgefragt, nachgebohrt. Ergebnis: Mit Glasfaser meinten sie nicht, dass die Glasfaser bis in die Wohnung gehe, sondern nur bis zum DSLAM, und von da per Telefonkabel und DSL in die Wohnung. Ach, solche Schwindler seid Ihr? Wollt mir DSL als Glasfaser verkaufen? Schaut’s, dass Ihr Land gewinnt!

Nun hegte ich schon die Befürchtung, dass das hier auch sowas sein würde. Denn analoge Telefonkabel hat es hier.

Heute morgen hatte ich das Auto bis zur Oberkante mit Müll vollgeladen.

Also, nein, kein normaler Müll, sondern Pappe von leeren Kartons. ich hatte halt Möbel, einen Fernseher, Computermonitor und sowas gekauft (darunter auch den Schnellkochtopf, von dem ich die Tage berichtet hatte, der war übrigens von LIDL, LIDL in Zypern, der da, nur auf englisch), also jede Menge Pappe und Papier, und hier gibt es keine Altpapiercontainer bei den Mülltonnen. Eine Straße weiter steht ein Glascontainer, aber der Nachbar meinte, Altpapier und Plastik is nich, da sei Zypern noch weit hintendran mit dem Recycling. Sowieso etwas seltsam, denn neulich kam die Müllabfuhr nachts um zwei. Anscheinend haben die das als Zeitplan, um im Sommer die Hitze zu meiden oder sowas. Es gibt hier aber einen Recycling-Hof, und der sieht genauso aus wie in München oder Berlin, da gibt es Container für Pappe, Plastik, alte Möbel, Elektrokram und so weiter. Sie machen das schon ordentlich, aber man muss es halt hinbringen. Aber die haben nicht so lange offen. Deshalb wollte ich da heute morgen Pappe und Plastikfolien hinbringen. (Hat auch geklappt, nur viel später als gedacht.)

Wie ich gerade eingepackt hatte und los wollte, klingelt das Telefon. Die zypriotische Nummer.

Ja, guten Morgen, Cyta hier. Ob’s gerade passen tät, wenn sie in 15 Minuten vorbeikommen.

Na, was’n Glück, dass ich heute zu lange geschlafen habe und noch nicht los war. Ja, passt.

Kommen zwei an. Sehr freundlich. Einer stellte sich gleich als etwas weiterer Nachbar vor, wohnt die Straße ein bisschen höher, und stellte fest, dass ich keinen Hund habe. Denn hätte ich einen, würden wir uns vom Gassigehen schon kennen. Stimmt, einen Hund habe ich nicht.

Der andere hatte gleich gefragt, wo hier die Telefonbuchse sei.

Au weia, dachte ich, die machen hier auch sowas wie die Telekom, DSL-Mogel über die Telefonleitung, obwohl sie doch auf der Webseite mit Glasfasermodems werben. Da in der Ecke ist die Telefonbuchse. Noch eine mit den alten englischen Telefonsteckern, an die ich auf der Australienreise 2000 unterwegs mein Modem angeschlossen hatte, weil die die dort auch hatten.

Und dann habe ich gestaunt.

Richtig gestaunt.

Und das heißt was, denn ich habe ja auch schon bei zwei Internetprovidern gearbeitet.

Ich konnte gar nicht so schnell gucken oder gar hin herrennen, wie ich verglasfasert wurde.

Die Leitungen liegen hier in Hohlrohren in der Wand, und das wohl deutlich lockerer als in Deutschland. Könnte in Deutschland vielleicht Probleme mit dem Brandschutz bedeuten, aber so schnell konnte ich gar nicht gucken, wie die das durchgezogen haben. Telefonbuchse raus, dann die Glasfaser an den Telefondraht geknotet, einfach durchgezogen und damit den Telefondraht durch die Glasfaser ersetzt. An beiden Enden gespleist, neue Dose in die Wand geschraubt, Glasfasermodem angeschlossen, fertig. Kaum 15 Minuten.

Ich so: Verdammt, sind die flott.

Wie zum Henker haben die die Glasfaser in das Haus bekommen?

Antwort: War schon da, hinter einer Installationsklappe, Wusste ich nur nicht.

Blöd nur: Irgendwas funktioniert nicht. Modem blinkt gelb, und sie sagen, irgendwas stimme mit der Anbindung an die Straßenleitung nicht. Da müsse erst ein anderes Team kommen. Es täte ihnen sehr leid, aber das könne schon noch 15 Minuten dauern, bis die da wären. Es hat dann sogar 30 Minuten gedauert. Sie müssten da was prüfen, aber ich könne schon mal losfahren, sie bräuchten mich dazu nicht mehr.

Wie ich unterwegs war, klingelte das Telefon. Es täte ihnen leid, das Problem sei größer, es werde bis Montag dauern. Macht gar nichts, kein Problem, ich bin jetzt wochenlang mit dem Funkmodem ausgekommen, da schaffe ich auch das Wochenende.

Etwas später sehe ich, dass sie nochmal angerufen hatten, ich es aber nicht gehört hatte, war wohl gerade die Pappe einwerfen.

Ich komme wieder rein und … Staun. Das Modem leuchtet grün. Und funktioniert. Sie haben das Problem gelöst.

In Deutschland ein Riesen-Geschiss, und hier: Zack, zack, fertig. Wenn man erst mal durch die Verwaltungsodysee ist.

Einziges Restproblem: IPv4, aber kein IPv6.

Ich warte erst mal bis nächste Woche.

Auf der Webseite steht zu den Business-Tarifen, dass sie Dual Stack anbieten, aber zu den Home-Tarifen steht da gar nichts. Sollten sie da nur IPv4 anbieten wie beim Funkmodem? Gut, ich hätte da Mittel und Wege für den Workaround, und vielleicht kommt das dann nächste Woche, es wäre etwas seltsam, wenn sie so modern sind, und das nicht anbieten.

Aber davon abgesehen hat es mir imponiert.

Wenn ich bedenke, was für ein Krampf das in manchen Gegenden von Deutschland ist und was ich in Deutschland schon für Probleme hatte. Ohne die Fehlerbehebung, die dann etwa 2 Stunden dauerte, hätten sie das komplette Ding in 15 Minuten durchgezogen. Durchgezogen im doppelten Sinne.

Kein IPv6 zu haben ist heute aber schon ein Problem. Es gibt inzwischen Webbseiten, die nur noch per IPv6 zu erreichen sind, weil IPv4-Adressen knapp und teuer werden, oder weil man NAT vermeiden will. Außerdem funktioniert da das Portscanning über Adressiteration nicht. Könnte aber damit zusammenhängen, dass laut der Untersuchung irgendeiner Webseite alle Server auf Zypern noch immer mit IPv4 und nur IPv4 laufen, und alles wichtige wie Google, Facebook usw. auch auf IPv4 zu erreichen ist.

Mal auf nächste Woche warten.