Von der sozialistischen Räterepublik im Allgemeinen und der „Zivilgesellschaft“ im Besonderen
Aktuelles aus dem Bundestag: Was Ihr über die neue Zensurbehörde wissen solltet.[Nachtrag]
Dass ich kein Freund von Zensur und Kommunikationskontrolle bin, ist wohl allgemein bekannt.
Und dass ich das Netzdurchsetzungsgesetz für mehrererlei Hinsicht für verfassungswidrig halte, habe ich auch zum Ausdruck gebracht. Ich hatte ja 2017 berichtet, dass ich mich auf einer Netzwerk Recherche-Konferenz (ZDF-Rechtsexpertin Sarah Tacke als Moderatorin) mit dem Staatssekretär Gerd Billen (Justizministerium, damals Minister Heiko Maas) angelegt hatte, weil der auch Aussagen sperren lassen wollte, die nicht rechtswidrig waren, und dagegen überhaupt kein Rechtsweg vorgesehen war. Und der war nicht nur tatsächlich nicht vorgesehen, sondern man fand es sogar noch besonders schlau, ihn ausgehebelt zu haben, weil man ja über das Privatrecht und die AGB des Providers gehen wollte und erklärte, der könne ja mit seinem „Hausrecht“ machen, was er wolle, der Staat habe damit ja nichts zu tun. Was nicht nur privatrechlich grober Unfug ist, und einen enormen Mangel an Rechtskunde im Justizministerium zeigte, sondern strukturell darauf ausgelegt war und ist, die Verfassung auszuhebeln, nämlich mit der – ebenso verfassungswidrigen – „Flucht in das Privatrecht“, wie das im Verfassungsrecht bezeichnet wird: Der Staat versucht, sich seiner verfassungsmäßigen Pflichten und seiner Grundrechtsverpflichtung zu entziehen, also die Grundrechte zu brechen, indem er sein Handeln in das Privatrecht auslagert und so tut, als wäre das eine Privatangelegenheit, und der Staat habe damit nichts zu tun.
Und dass ich von Ursula von der Leyens Kinderpornosperre nicht nur nichts gehalten habe, sondern die damals durch meinen Vortrag im Bundeskriminalamt schon erledigt hatte, bevor Ursula von der Leyen noch öffentlich für Verträge zwischen Staat und Provider trommelte (sie wusste natürlich zu dem Zeitpunkt, dass der Krampf schon geplatzt war), war auch einer meiner bekanntesten Artikel. Oder umgekehrt, einer der Artikel, die mein Blog am meisten bekannt gemacht haben.
Und dass ich noch in Sachen Kontosperre und Deutsche Bank nachbohre, ist auch bekannt. Ich habe da ein paar ziemlich wüste Sachen rausgefunden, die noch nicht ganz spruchreif sind. Vielleicht übernächste Woche. Ich bin auf Umstände gestoßen, die wesentliche Elemente des Rechtsstaats und des EU-Rechts in Frage stellen. Vorsichtig ausgedrückt.
Dazu kommt noch ein ganz wüster Vorgang, über den ich aus taktischen Gründen derzeit nichts sagen kann. Aber bald.
Diese Woche verdichtete sich das alles zusammen.
Am Dienstag Abend fragte die AfD bei mir an.
Es gehe um das Digitale-Dienste-Gesetz. Also den EU-Nachfolger von Netzwerkdurchsetzungsgesetz und Telemediengesetz, genauer gesagt, der deutschen Umsetzung des von der EU beschlossenen Digital Services Act (DSA). Das hängt nicht nur mit vielem zusammen, was ich in meiner beruflichen Tätigkeit gemacht habe, sondern betrifft mich auch als Blogger.
Bisher hatte ich mich damit noch nicht näher beschäftigt. Ich hatte davon gehört, aber noch nicht die Zeit gefunden, mich näher damit zu befassen. Ich habe mal die EU-Version, also diese Richtlinie und die Verordnungen der EU, die damit durchgesetzt werden sollen, überflogen. Und das sieht nicht gut aus. Da stehen solche Sachen drin wie
§ 8 Anspruch auf Sperrung bei Rechtsverletzung
(1) Wurde ein digitaler Dienst, der darin besteht, von einem Nutzer bereitgestellte Informationen in einem Kommunikationsnetz zu übermitteln oder den Zugang zu einem Kommunikationsnetz zu vermitteln, von einem Nutzer in Anspruch genommen, um das Recht am geistigen Eigentum eines anderen zu verletzen, und besteht für den Inhaber des Rechts keine andere Möglichkeit, der Verletzung seines Rechts abzuhelfen, so kann der Inhaber des Rechts von dem betroffenen Diensteanbieter die Sperrung der Nutzung von Informationen verlangen, um die Wiederholung der Rechtsverletzung zu verhindern.
(2) Die Sperrung muss zumutbar und verhältnismäßig sein.
(3) Ein Anspruch gegen den Diensteanbieter auf Erstattung der vor- und außergerichtlichen Kosten für die Geltendmachung und Durchsetzung des Anspruchs nach Absatz 1 besteht nicht, es sei denn, der Diensteanbieter arbeitet absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusammen, um das geistige Eigentum eines anderen zu verletzen.
(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch dann, wenn der Dienst unentgeltlich oder durch öffentliche Stellen erbracht wird. Verpflichtungen zur Entfernung von Informationen oder zur Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen aufgrund von gerichtlichen oder behördlichen Anordnungen bleiben auch im Fall einer beschränkten Verantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den Artikeln 4 bis 6 der Verordnung (EU) 2022/2065 und des § 7 unberührt.
Vom Rechtsweg dagegen, vom Schadensersatz, wenn die Sperrung unrechtmäßig war, das behauptete Recht nicht bestand oder nicht verletzt wurde, oder davon, dass der betroffene Nutzer überhaupt erfährt, wer, wie und warum seine Äußerungen gesperrt werden.
Ich halte so etwas für sehr wichtig. Denn ich hatte ja vor Jahren schon beschrieben, dass beispielsweise „Die ARD“ Youtube-Videos sperren lässt, weil deren Rechte darin verletzt seien, und Youtube brav mitspielt – obwohl es „Die ARD“ rechtlich gar nicht gibt, das ist nur ein loser Vertrag und eine Marke. Die sind nicht rechtsfähig. Also kann „Die ARD“ weder Rechteinhaber sein, noch gegenüber einer Plattform wie Youtube auftreten und Löschung beantragen. Der Betroffene könnte auch nicht einmal dagegen klagen. Als ich nachgebohrt hatte, sah es so aus, als sei das von der Social-Media-Redaktion der ARD erfolgt – die liegt aber bei einer anderen Sendeanstalt als der, die für Rechtegeltendmachung zuständig wäre. Es sah stark danach aus, als hätte da jemand einfach im Namen der ARD jemanden politisch abgeschossen, ohne dazu befugt zu sein und die Rechte zu haben. Es gab aber für den Betroffenen überhaupt keinen Weg, sich dagegen zu wehren, weil er ja nie erfahren hatte, wer ihm den Youtube-Kanal weggeschossen hatte und wessen Rechte er warum verletzt haben sollte. Ich hatte das Video gesehen und meines Erachtens fiel das ganz eindeutig unter das Zitatrecht.
Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz war systematisch so gebaut, dass ein Rechtsweg nicht möglich war, und dass einfach jeder anonym Leute abschießen kann, indem er einfach behauptet, seine Rechte wären verletzt, und nicht einmal seine Identität nachweisen muss, geschweige denn das verletzte Recht. Und Staatssekretär Gerd Billen hatte ja auch zugeben müssen, dass das gar nicht gewollt ist, dass man sich gegen falsche Beschuldigungen wehren könnte.
Und etwas Ähnliches hatte ich ja neulich in meinem Bundestagsgutachten zur Vorratsdatenspeicherung beschrieben: Nämlich dass der Provider verpflichtet ist, jedes Käse-Fax zu beauskunften, ohne eine effektive Möglichkeit zu haben, dessen Echtheit zu prüfen. Und dass ich da verschiedene Geheimdienstschnittstellen sehe. Dass man also Gesetze mit eingebauter politischer Missbrauchsmöglichkeit baut.
Nun also kommt dieses neue Gesetz, und das Gesetz sieht vor, als Kontrollorgan einen Beirat bei der Koordinierungsstelle bei der Bundesnetzagentur einzurichten:
§ 21 Beirat
(1) Bei der Koordinierungsstelle für digitale Dienste wird ein Beirat eingerichtet.
(2) Der Beirat besteht aus den folgenden 16 Mitgliedern:
1. vier Vertreterinnen und Vertreter der Wissenschaft,
2. acht Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft, einschließlich Verbraucherverbänden, und
3. vier Vertreterinnen und Vertreter von Wirtschaftsverbänden.Unternehmen können nicht Mitglieder des Beirats sein. Die Vertreterinnen und Vertreter sollen hinsichtlich der Art und Weise der Tätigkeit digitaler Dienste über besondere rechtliche, wirtschaftswissenschaftliche, sozialpolitische oder technologische Erfahrungen oder über ausgewiesene einschlägige wissenschaftliche Kenntnisse verfügen.
(3) Der Beirat hat die Aufgabe,
1. die Koordinierungsstelle für digitale Dienste und die weiteren zuständigen Behörden nach § 12 Absatz 2 und 3 in grundsätzlichen Fragen der Anwendung und Durchsetzung der Verordnung (EU) 2022/2065 zu beraten,
2. der Koordinierungsstelle für digitale Dienste und den weiteren zuständigen Behörden nach § 12 Absatz 2 und 3 allgemeine Empfehlungen zur wirkungsvollen und einheitlichen Durchführung der Verordnung (EU) 2022/2065 vorzuschlagen und
3. wissenschaftliche Fragestellungen, insbesondere auch zum Umgang mit Daten, an die Koordinierungsstelle für digitale Dienste und die weiteren zuständigen Behörden nach § 12 Absatz 2 und 3 heranzutragen.
(4) Die Mitglieder des Beirats werden vom Deutschen Bundestag vorgeschlagen und für die Dauer der Wahlperiode des Deutschen Bundestages vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr berufen. Sie bleiben nach Beendigung der Wahlperiode des Deutschen Bundestages noch so lange im Amt, bis die neuen Mitglieder berufen worden sind. Die Mitglieder des Beirats können auf ihre Mitgliedschaft verzichten. Der Verzicht ist gegenüber dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz schriftlich oder elektronisch zu erklären. Hierüber ist das Bundesministerium für Digitales und Verkehr vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz zu unterrichten. Scheidet ein Mitglied vorzeitig aus, so ist unverzüglich an seiner Stelle ein neues Mitglied zu berufen.
(5) Die Mitglieder des Beirats sind in der Ausübung ihrer Tätigkeit im Beirat unabhängig, unterliegen keinen Weisungen und sind ausschließlich dem öffentlichen Interesse verpflichtet.
[…]
Wohlgemerkt: Nach Absatz 4 werden sie vorgeschlagen. Nicht gewählt.
Und die AfD – genauer gesagt: Nicht die AfD, sondern die Bundestagsfraktion der AfD, das ist ein erheblicher Unterschied – hatte nun ihrem Anteil nach das Recht, zwei Mitglieder des Beitrags vorzuschlagen.
Also fragten sie mich an, ob ich Zeit und Lust hätte, man müsse mit etwa einer Sitzung im Quartal rechnen, die vermutlich auch online wahrgenommen werden könnte. (Weil der Beirat zur Bundesnetzagentur gehört und die wohl in Bonn sitzen, müsste man dazu nach Bonn, bekommt aber die Reisekosten ersetzt und ein „Sitzungsgeld“, dessen Höhe mir nicht bekannt ist.)
Und so kam es, dass die Fraktionen im Bundestag ihre Vorschläge einreichten, und die Fraktion der AfD, obwohl sie zwei Vorschläge machen konnte, nur mich vorschlug.
Nun weiß ich nicht, warum man mich erst auf den letzten Drücker kontaktiert hat, ob die AfD selbst erst auf den letzten Drücker informiert wurde, um sie auszuhebeln, oder ob ich da letzte Wahl war, ist mir auch egal.
Der wesentliche Punkt ist, dass mit dem formalen Vorgang des Vorschlags die gesetzliche Bedingung schon erfüllt ist: Vorschlag und Berufung. Sonst gibt es da nichts.
Und dementsprechend wurde manchen oder haben sich manche auch schon selbst gratuliert, vom 4.7.:
Wir wünschen Josephine Ballon, Lina Ehrig @vzbv, @spielkamp, @twidlok, @sveawindwehr, Prof. Christina Elmer, Dr. Tobias Mast, @UlrikeKlinger, Prof. Dr. Henrike Weiden, @_AlexanderRabe_ und Susanne Dehmel @Bitkom viel Erfolg für die wichtige Arbeit im Beirat beim DSC @bnetza!
— Digitalpolitik@spdbt (@spdbt_netz) July 4, 2024
Windwehr in DSC-Beirat berufen
eco Geschäftsführer Alexander Rabe in Digital Services Coordinator-Beirat gewählt
eco Geschäftsführer Alexander Rabe wurde heute als einer von vier Vertreter:innen aus Wirtschaftsverbänden mit einer fraktionsübergreifenden Mehrheit des Deutschen Bundestages in den Beirat der Koordinierungsstelle digitale Dienste gewählt. https://t.co/59uEqXt3yV pic.twitter.com/uamCZzIUyl
— eco e.V. (@eco_de) July 4, 2024
Ich dagegen nicht. Der Behördenspiegel schreibt (5.7.):
Der DSC-Beirat setzt sich aus Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Wirtschaftsverbänden zusammen. Die bestätigten Beiratsmitglieder aus der Wissenschaft sind Christina Elmer, Professorin für Digitalen Journalismus und Datenjournalismus an der TU Dortmund, Ulrike Klinger, Professorin an der Europa Universität Viadrina, Tobias Mast, Medienwissenschaftler am Leibniz-Institut für Medienforschung, sowie Henrike Weiden, Professorin für das Recht der Digitalisierung an der Hochschule München.
Für die Zivilgesellschaft, zu der auch die Verbraucherverbände zählen, wurden folgende Mitglieder bestätigt: Josephine Ballon von Haiteaid, Lina Ehrig von der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV), Markus Hartmann, Leitender Oberstaatsanwalt und Leiter der ZAC NRW, Staatsminister a.D. Siegfried Schneider, Matthias Spielkamp vom Bündnis F5 (bestehend aus Algorithmwatch, Gesellschaft für Freiheitsrechte, Open Knowledge Foundation Deutschland, Reporter ohne Grenzen und Wikimedia Deutschland), Teresa Widlok von Load sowie Svea Windwehr vom Zentrum für Digitalen Fortschritt D64.
Die Wirtschaft vertreten Susanne Dehmel von Bitkom, Dirk Freytag, Präsident Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) und Alexander Rabe vom Verband der Internetwirtschaft Eco.
14 statt 16 Beiratsmitglieder
Die Koalitionsfraktion konnte zehn Beiratsmitglieder vorschlagen, die CDU/CSU-Fraktion vier. Die AfD-Fraktion hatte zwei Stimmen, was insgesamt 16 Beiratsplätze ergibt. Sieht man sich den finalen DSC-Beirat an, besteht dieser jedoch nur aus 14 Mitgliedern. Das liegt daran, dass die AfD nur den Informatiker Hadmut Danisch als Vertreter der Zivilgesellschaft vorgeschlagen hatte, wodurch ein Platz frei blieb. Der Bundestag lehnte Danisch zudem ab, wodurch letztlich zwei Stellen im Beirat unbesetzt bleiben.
Die anderen wurden gewählt. Ich nicht. Was erstaunlich ist, denn im Gesetz ist eine Wahl ja gar nicht vorgesehen.
Zwar sagt das Wort „Vorschlag“ ja schon, dass das nicht nicht sehr verbindlich ist. Aber im Gesetz steht eben „vorgeschlagen und berufen“. Nicht „gewählt“. Und da der Bundestag aus den Fraktionen besteht und das Vorschlagsrecht auf die Fraktionen anteilig verteilt wurde, bin ich formal vorgeschlagen, denn die Fraktion ist ja Teil des Bundestags, und wenn der Bundestag das so macht, dass er die Vorschlägsrechte anteilig auf die Fraktionen verteilt, dann ist das eigentlich auch so und fertig.
Was macht man da?
Man schaut zuerst einmal in die Gesetzesbegründung, nämlich die Bundestagsdrucksache 20/10031, Seite 81:
Die Absätze 4 bis 8 regeln die Besetzung und Ausstattung des Beirates während die Absätze 9 bis 13 die wesentliche Tätigkeit und Verfahrensweise des Beirates gesetzlich festlegen. § 21 Absatz 8 soll sicherstellen, dass die Bundesnetzagentur dem Beirat bei der nationalen Koordinierungsstelle zur effektiven Aufgabenwahrnehmung eine angemessen ausgestattete Geschäftsstelle zur Verfügung stellt. Der Beirat der Koordinierungsstelle für digitale Dienste nutzt als Geschäftsstelle die vorhandene Geschäftsstelle „Beiräte und Länderausschuss, Geschäftsstelle Beschlusskammern“ bei der Bundesnetzagentur. Nach Absatz 6 soll Näheres in einer Geschäftsordnung festgelegt sein, die der Genehmigung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz im Benehmen mit dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr und der Zustimmung des Deutschen Bundestages bedarf. Die Absätze 10 bis 12 regeln die Sitzungstätigkeit des Beirates, während der Absatz 13 sich zu der Berichtstätigkeit verhält. Der Beirat hat dem Deutschen Bundestag jährlich über seine Tätigkeit zu berichten
Auch die Begründung gibt nichts her, was eine Wahl begründen würde. Das ist so eine typische Laberbegründung, wie ich sie in letzter Zeit so oft gelesen habe: Steht im Gesetz „§ 99 X macht Y“, dann steht in der Begründung „§ 99 soll sicherstellen, dass X Y macht.“
Im Gegenteil kann man aus dem Gesetz und der Begründung aber herauslesen, dass eine Wahl nicht gewollt ist und funktionswidrig wäre: Denn der Beirat soll auch die Funktion eines Kontrollorgans erfüllen und dem Bundestag berichten. Dem Bundestag. Nicht der Regierung.
Und damit eindeutig auch der Opposition.
Denn der Beirat soll seiner Aufgabe nach nicht Regierungspolitik durchsetzen, sondern genau im Gegenteil die parlamentarische Kontrolle ausüben.
Und genau das kann der Beirat nicht, wenn er von der Regierung mit deren Regierungsmehrheit (außer bei geduldeten Minderheitenregierungen hat die Regierung ja immer die Mehrheit, sonst wäre sie nicht die Regierung) gewählt wird, und die Regierung damit selbst bestimmt, wer ihr Handeln kontrolliert.
Ich glaube also nicht, dass da eine Wahl rechtmäßig ist und dem Zweck des Beirats entsprechen kann.
Ich kenne die Leute, die da „gewählt“ wurden, nicht. Aber schon beim ersten Blick gruselt es mir:
- Alexander Rabe, eco
- kenne ich nicht. Den Vorgänger Michael Rotert kannte ich, aus meiner Karlsruher Zeit an der Uni und bei Xlink. Aber: Rabe ist „ Präsidiumsmitglied der Gesellschaft für Informatik e.V. (GI)“ – und die GI kenne ich auch aus meiner Karlsruher Zeit, und weil ich einige Jahre Mitglied war. Die GI ist mir als hochgradig korrupt, woke, links aufgefallen, weil die um jeden Preis Frauenquote betrieben haben. Als ich die damals im Promotionsstreit um Hilfe bat, bekam ich die Antwort, dass ich fachlich natürlich im Recht sei und der Standpunkt der Uni Karlsruhe Unfug sei. Man werde aber nicht gegen Professoren gutachten. Man hat also aus politischen Gründen systematisch die fachliche Unwahrheit geschützt. Deshalb ist bei mir jeder verdächtig, der im Präsidium der GI ist.
- Svea Windwehr
- Ich habe keinen blassen Schimmer, was „D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt“ ist. Glücklicherweise ist meine Suchfunktion besser als mein Gedächtnis, denn die hatte ich schon zweimal im Blog als a) SPD nah und b) ganz weit links draußen, nämlich hier und hier, Dunstkreis Sascha Lobo. Zitat:
D64 versteht sich als progressiver Think Tank, der über das reine Nachdenken hinaus auch politische Veränderungen erreichen will. Als Kompass für die inhaltliche Ausrichtung fungieren dabei die Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität, die es vor dem Hintergrund der Digitalisierung zu aktualisieren gilt.
Irgendwo hatte ich gestern abend auch was gelesen, dass sie der Sozialdemokratie nahe stehen, finde die Stelle aber gerade nicht mehr. Dafür finde ich auf deren Mission Statement das:
Die freie Entfaltung der Persönlichkeit, die Meinungsfreiheit, die Freiheit von Diskriminierung oder das Kommunikationsgeheimnis müssen genauso im digitalen Raum gelten, wie sie analog selbstverständlich sind. Die Möglichkeit, das Netz anonym und pseudonym zu nutzen, muss erhalten bleiben. Für uns gilt stets: so viel Freiheit wie möglich. Dies ist mit einer Ausweitung von Überwachungsmaßnahmen nicht möglich.
Um diese Freiheit zu schützen, muss der Staat Vorgaben für den Handlungsspielraum von Individuen, Organisationen und sich selbst festlegen, deutliche Grenzen setzen und Verstöße ahnden. Freiheit kann es nur mit klaren Regeln geben. Deshalb muss konsequent gegen Hass und Hetze im Internet vorgegangen werden. Deshalb bedarf es umfassender Transparenz, wenn Daten gesammelt werden, wobei Datensparsamkeit das Leitmotiv sein muss. Und deshalb muss der Einsatz von Monitoring- und Überwachungsanwendungen in ihrem Gebrauch rechtsstaatlichen Entscheidungsprozessen untergeordnet werden und darf lediglich zielorientiert stattfinden. Eine anlasslose oder flächendeckende Netzüberwachung oder die „routinemäßige“ Überwachung wegen Bagatellvergehen muss gesetzlich verboten sein. Ebenso ist der Export von Überwachungs-Systemen oder dazugehöriger Software an undemokratische Staaten zu unterbinden.
Sind sie nun für oder gegen Zensur?
Liest sich für mich wie Zensurwut, eingehüllt in Zuckerguss mit Demokratiearoma.
- Josephine Ballon
- Hateaid – muss ich mehr sagen?
Ich habe bei einem ersten Überblick einige Äußerungen von „gewählten“ Beiratsmitgliedern gesehen, die ich so verstehe, dass die es – aus verschiedenen Gründen – äußerst eilig damit haben, Rechte und die EU-Richtlinie „durchzusetzen“. Einige Leute erscheinen da regelrecht zensurgeil.
Die Sache ist offenbar, dass man da ein Zensurinstrument „gegen Rechts“ schaffen will, was ja so per se schon unmittelbar verfassungswidrig ist (und mir fallen da ad hoc mindestens ein halbes Dutzend von verfassungsrechtlichen Problemen ein), und die Opposition systematisch aushebelt. Denn die Regierung hat hier 10 Mitglieder selbst benannt. Die CDU ist als Opposition bestenfalls funktionslos und treibt selbst gern Zensur (Stichwort: von der Leyen, denn die dürfte hinter dem ganzen Zensurding stecken). Und die Einzigen, die überhaupt noch eine Oppositionsfunktion ausüben, nämlich die AfD, wird komplett kaltgestellt, indem 2 von 16 Posten einfach nicht besetzt werden.
Ob die AfD das selbt zu verantworten hat, dass sie bei zwei Vorschlagsrechten nur einen vorgeschlagen hat, ob die Zeit so knapp war, dass sie keinen finden konnten, oder ob sie halt einfach außer mir keinen gefunden haben, der so etwas machen würde (und könnte), weiß ich nicht. Tatsache ist aber, dass die AfD immerhin einen vorgeschlagen hat, und trotzdem komplett aus diesem Kontrollgremium ausgeschlossen wurde.
Ich bin nicht in der AfD, ich habe mit der AfD nichts zu tun, aber ich bin eben auch nicht in den anderen Parteien und denke noch selbst, bin da unabhängig. Und um es klar zu sagen: Wäre ich da Mitglied geworden, hätte ich auch meine Berichtspflicht wahrgenommen. Zwar hätte ich als einer von 15 sicherlich kaum Einfluss auf den Bericht des Gremiums gehabt, und wäre da untergebügelt worden. Das hätte mich aber – zumal das Gremium nach Gesetz ohnehin öffentlich agiert – nicht davon abgehalten, a) öffentlich und b) gegenüber allen Oppositionsfraktionen einen eigenen Bericht abzuliefern, soweit ich das für erforderlich gehalten hätte.
Und genau das will man offenbar verhindern, denn wie ich die Dinge sehe und kritisiere, ist ja bekannt. Etwa aus der Causa Kinderpornosperre oder jetzt der Causa Vorratsdatenspeicherung.
Was tun?
Das muss ich mir erst einmal überlegen, was ich davon halten soll – ob ich dagegen etwas tun kann und ob ich überhaupt etwas tun will. Ich müsste jetzt erst einmal den ganzen EU-Kram durchlesen, ob da irgendwas vom Beirat und dessen Zusammensetzung steht, ob der nach Regierungsmehrheit oder nach Wahlproportionalität zusammengesetzt sein muss. Und mal sehen, ob es da überhaupt ein Protokoll gibt, denn bisher wurde ich direkt noch über gar nichts informiert, weiß überhaupt nicht, was da gelaufen ist. Ob ich da wieder einmal verleumdet wurde. Ob die Ablehnung überhaupt mit mir zu tun hat, oder ob die einfach alles ablehnen, was von der AfD vorgeschlagen wird, und sich dann für „demokratisch“ halten.
- Wer ist hier der Verletzte? Ich oder die AfD-Fraktion?
- Verwaltungsrechtsweg?
- Verfassungsbeschwerde?
- Klage gegen die Bundesrepublik vor dem Europäischen Gerichtshof?
Da muss ich erst einmal nachdenken. In der Situation war ich noch nicht.
Die Räterepublik und die Zivilgesellschaft
Was man sich aber auf jeden Fall klarmachen sollte, ist, was hier abläuft.
Denn es wird ja immer so getan, als wäre das die neue Demokratieform und viel besser als Wahlen, alles mit „Bürgerräten“ zu besetzen und die abstimmen zu lassen: Klimarat, Gleichstellungsrat, Flüchtlingsrat und so weiter und so fort. Es wird immer so getan, als sei das „basisdemokratisch“ oder irgendwas in dieser Art. Hier seht ihr, dass die Regierung dann selbst aussucht, wer in den Rat kommt und wer nicht, nämlich nur die, die auf Regierungslinie sind oder sogar parteinahe Aktivisten.
Und es zeigt sehr gut, was man unter „Zivilgesellschaft“ versteht. Es wird immer so getan, als seien das irgendwelche aufrichtigen, sich aufopfernden politikfernen Bürger. Das Gegenteil ist der Fall: Es ist – wie so viele – ein Tarnwort für sozialistische Steuerung.
Und das hatte ich ja schon mal ausführlich beleuchtet: Wer oder was ist die „Zivilgesellschaft“?
Es ist ein Tarnbegriff, der vorgaukeln soll, so eine Art Öffentliche Meinung zu vertreten, aber das Gegenteil ist, um vom kommunistischen Vordenker Antonio Gramsci stammt, Mitbegründer und Vorsitzender der Kommunistischen Partei Italiens.
Das Bundeswirtschaftsministerium:
Zivilgesellschaft
Ein ursprünglich unter anderem vom italienischen Theoretiker Antonio Gramsci (1891–1937) entwickelter Begriff. Er verstand darunter die Gesamtheit aller nichtstaatlichen Organisationen, die auf den “Alltagsverstand und die öffentliche Meinung” Einfluss haben.
Heute umschreibt der Begriff einen Bereich innerhalb der Gesellschaft, der zwischen dem staatlichen, dem wirtschaftlichen und dem privaten Sektor angesiedelt ist. Die Zivilgesellschaft umfasst die Gesamtheit des Engagements der Bürger eines Landes – zum Beispiel in Vereinen, Verbänden und vielfältigen Formen von Initiativen und sozialen Bewegungen. Dazu gehören alle Aktivitäten, die nicht profitorientiert und nicht abhängig von parteipolitischen Interessen sind.
Verschiedene Politikwissenschaftler beschreiben die Zivilgesellschaft als Komponente, die neben dem Staat und den Kräften des Marktes notwendig ist, um eine ideale pluralistische Gesellschaft von engagierten Bürgern zu schaffen.
So?
Wenn das so ist, warum
- bin ich dann nicht Teil dieser Zivilgesellschaft?
- ein SPD-naher Thinktank aber schon?
- wird darüber gewählt, obwohl es doch unabhängig von parteipolitischen Interessen sein soll?
Bildet Euch eine Meinung zu diesem Vorgang.
Macht Euch klar, auf welchem Stand die „Demokratie“ in Deutschland angekommen ist und wer am lautesten „Feinde der Demokratie“ schreit.
Und macht Euch klar, was ihr von der Zensur in Deutschland und der EU zu erwarten habt.
Und warum die das auf einmal so rasend eilig hatten, das durchzupeitschen. Es stehen Wahlen in drei Bundesländern an, Sachsen, Thüringen und Brandenburg.
Und stellt Euch die übliche Frage: Wer wählt sowas?
Nachtrag:
- Nach etwas Nachdenken komme ich zu dem ersten Ergebnis, dass der Rechtsweg dagegen wohl in einer Organklage der Fraktion gegen den Bundestag bestehen müsste, ganz sicher bin ich nicht.
- Mir gibt dieser Satz zu denken:
Die Mitglieder des Beirats werden vom Deutschen Bundestag vorgeschlagen und für die Dauer der Wahlperiode des Deutschen Bundestages vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr berufen.
Das widerspricht sich.
Einerseits soll der Beirat vom Parlament vorgeschlagen werden und dem Parlament berichten, also eine parlamentarische Aufgabe erfüllen.
Andererseits aber werden die Mitglieder des Beirats von zwei Ministerien „im Einvernehmen“ berufen, also von der Regierung. Das passt ja nicht zusammen und widerspricht der Kontrollfunktion. Die Regierung kann sich ja nicht selbst ihre Kontrolleure aussuchen.
Und was ist überhaupt „im Einvernehmen“? Sollen dann die Ministerien sagen „Nee, den will ich nicht!“ oder wie? Und wenn das so ist, wie könnte dann der Bundestag die Ministerien daran hindern?
Das passt doch gar nicht zusammen.
- Lohnt sich das überhaupt? Das Gremium wird für die Dauer der Wahlperiode eingesetzt. Aber wie lange hält diese Regierung noch? Wann kommt es zu Neuwahlen?