Ansichten eines Informatikers

Die Keeling-Kurve und die Würde des Danisch

Hadmut
6.4.2024 18:41

Zwei Leser prallen aufeinander.

Ich hatte doch vergangene Nacht geschrieben, dass ich mir einen Podcast mit einem Kommentar eines Geologen angehört hatte, in dem es darum ging, dass der Klimawandel politisch durchgesetzter Unfug sei, und auch, dass man die CO2-Messungen auf Hawaii 150 Meter neben einer Vulkanspalte vornehme.

Dazu schreibt mir ein Leser gleich drei Mails, die ich mal zu einer untereinander pappe:

Das ist unter Ihrer Würde!

Sie sind doch genug Naturwissenschaftlicher, um selbst ohne langes Grübeln die Frage zu beantworten, ob die Keeling-Kurve https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Mauna_Loa_CO2_monthly_mean_concentration_DE.svg so aussähe, wie sie eben aussieht, wenn da Vulkanmeßfehler eingestreut wären …

… hab dann erst näher
https://de.wikipedia.org/wiki/Keeling-Kurve
angeschaut; da
https://de.wikipedia.org/wiki/Keeling-Kurve#St%C3%B6rungen_der_Messergebnisse
wird ordentlich drauf eingegangen.

Ich stehe dem Klimaalarmismus selbst durchaus kritisch gegenüber (schicke dann gleich noch was nach), aber auf so hirnrissige Einwände sollte man nicht hereinfallen, das untergräbt ernstzunehmende Kritik.

… das versprochene Nachsenden: Was ich meinte, hab ich eh schon gestern geschickt („ÖRR kann das Übertreiben nicht lassen“, 5.4.24, 15:51)

Nun konnte ich als Naturwissenschaftler mich über die Keeling-Kurve nicht wundern, weil ich sie ja bis gerade eben noch gar nicht kannte. Wie soll ich etwas berücksichtigen, betrachten, bewundern, was ich nicht kenne?

Ich finde das immer so gruselig, wenn Leute mit einem Argument nicht nur kommen, sondern einem gleich dabei auch noch vorwerfen, dass man es ignoriert, übergangen, missachtet habe, ohne zu sagen, woher man davon eigentlich hätte wissen sollen.

Da ich sie nun aber nun mal weiß, finde ich sie umso seltsamer. Denn die ist viel zu glatt. Die Industrialisierung der Welt läuft ja nicht so glatt. Wo tauchen etwa China und Indien oder die Länder Afrikas in dieser Kurve auf, die in den 60er Jahren noch weitgehend unentwickelte Agrarländer waren? Wo die Kriege?

Ein anderer Leser schreibt mir

Ja, das mit der Messstation auf Hawaii ist der Knaller, man hat sogar während Corona und dem eingeschränkten Flugverkehr überhaupt keine Änderungen der Messdaten, bzw. im Trendverlauf gesehen, das hatte mich schon so total verwundert.
Gut, für Laien und Nichtexperten ist das Ganze aber extrem schwer einzuschätzen.

Ich hatte mir gestern mal einen recht aktuellen Vortrag von H. Lesch, und zum Ende hin spricht noch eine andere Professoren, angeschaut. Naja, muss sich jeder selber mal anschauen und seine eigene Meinung zu bilden.
Er bringt glaube ich sogar in dem Vortrag eine Messreihe v. dieser Messstation auf Hawaii:

https://youtu.be/6LrXZfHX-Fc?si=s1xzc2TQA4s5YvdQ

Nicht nur Corona und der eingeschränkte Flugverkehr.

Vulkanausbrüche, Kriege, Waldbrände, Wetteranomalien, all das müsste sich darin doch auswirken. Warum tut es das nicht?

Bekanntlich ist eine Korrelation noch keine Kausalität. Aber eine fehlende Korrelation ist ein sehr deutlicher Beleg für eine fehlende Kausalität. Mal ganz abgesehen davon, dass ich Kurven nicht so mag, deren Y-Achse nicht bei 0 anfängt, und damit einen falschen Eindruck erweckt.

Und warum soll die CO2-Konzentration im Mai am höchsten und im September am niedrigsten sein, wenn doch im Sommer mehr Leute in Urlaub fliegen und die Industrie das ganze Jahr hindurch brummt, und im Mai keiner in den bevölkerungsreichen modernen Staaten heizt?

Und auch das, was da in diesem Abschnitt über die Messfehler steht, überzeugt mich gar nicht:

Störungen der Messergebnisse

Im Gegensatz zu dem kurz zuvor gescheiterten Projekt in Skandinavien wurden die Messstationen von Keeling fernab von störenden Kohlenstoffdioxid-Quellen platziert. So war die Messstation auf dem Mauna Loa in großer Höhe auf der windzugewandten Seite aufgestellt worden. Auch die Messstation in der Antarktis befand sich weit weg von CO2-Quellen und -Senken. Trotzdem wurden an allen Messorten von Beginn an die festgestellten Kohlenstoffdioxid-Konzentrationen bisweilen durch Verunreinigungen verfälscht. Am Südpol war beispielsweise einmal ein Verbrennungsmotor ursächlich, der in der Nähe zur Messstation lief. Am Mauna Loa waren dies Ausgasungen des Vulkans, die in seltenen Fällen bis zur Messstation gelangen konnten. Die Störungen waren in den Aufzeichnungen jedoch stets deutlich erkennbar, denn sie waren nur von kurzer Dauer und hoher Amplitude, so dass diese Messwerte auf einfache Weise erkannt und verworfen werden konnten.[14]

Mal ganz abgesehen davon, dass ich einen Allergie gegen Messwerte habe, die irgendwer verworfen hat, weil sie ihm nicht in den Kram passten, und das mit dem Verbrennungsmotor alleine schon ein Knaller ist, überzeugt mich diese Aussage hier gar nicht. Denn „150 Meter von einer Vulkanspalte“ ist nicht „fernab von störenden Kohlenstoffdioxid-Quellen platziert“.

Und: Nur weil man manchmal Störungen in der Kurve sieht, die „von kurzer Dauer und hoher Amplitude“ seien, die man erkennen und verwerfen könne, heißt das ja nicht, dass der Vulkan nicht auch permanent ausgast. Viele Vulkane tun das nämlich, das haben die so an sich. In Neuseeland riecht man das auch, da stinkt’s immer nach Schwefel(wasserstoff).

Mit derselben Denkweise könnte ich behaupten, dass ich nicht atme und deshalb kein CO2 ausstoße, nämlich weil ich ab und zu einen fahren lasse – und das eben von kurzer Dauer und mit hoher Amplitude. Und dann die Ausschläge meiner Flatulenzen in der Messkurve „auf einfache Weise erkannt und verworfen“ habe, um dann zu behaupten, dass ich nicht atme, weil ich die Fürze rausgerechnet habe?

Nein, sorry, da muss ich enttäuschen. Meine (wissenschaftliche) Würde funktioniert da ganz anders und fällt auf sowas schon gleich gar nicht herein.

Ich halte so eine glatte (geglättete) Kurve nicht für einen Beweis, sondern eher für ein Gegenargument. Nämlich gerade weil Industrialisierungsschübe darin nicht auftauchen.

Außerdem: Die Weltbevölkerung war 1960 bei drei Milliarden, heute ist sie bei acht Milliarden, als dem rund Zweieinhalbfachen. Plus Industrialisierung von China und Indien, vielen asiatischen und afrikanischen Ländern, auch Südamerika. Die CO2-Konzentration soll aber nur von einem Wert von 320 auf 420 angestiegen sein, also gerade mal so etwa um ein Drittel? Eine Korrelation ist keine Kausalität, aber die Kausalität setzt eine Korrelation voraus.

Das Ding weckt bei mir eher Zweifel, als dass es mich überzeugen könnte.

Wie haben sich denn in dieser Zeit die Waldflächen und der Algen- und Planktongehalt im Meer verändert?