Ansichten eines Informatikers

„Technische Fehler beim Abruf von e-Rezepten – Erhebliche Gefährdung der Arzneimitteltherapiesicherheit möglich!“

Hadmut
10.2.2024 13:35

Ein Apotheker schickt mir eine Warnung.

Sehr geehrter Herr Danisch,

zu einem Ihrer Lieblingsthemen möchte ich Ihnen ein paar Informationen zukommen lassen.

Beim E-Rezept sind gravierende Fehler aufgetreten, die zu schwerwiegenden Gesundheitsgefährdungen führen können. Beim Auslesen der Verordnungen von der Gesundheitskarte in Apotheken wurden Medikamente vertauscht. Im Anhang (Information des Sächsischen Apothekerverbandes) sind einige Beispiele genannt.

“Beispielhaft sind nachfolgend einige der gemeldeten Fehler aufgeführt:

  • die Verordnung von Amlodipin Tabletten, im Kassenprogramm angezeigt wurde Bisoprolol,
  • die Verordnung von Novalgin®-Tabletten, angezeigt wurde Fosfomycin oder
  • die Verordnung von Forxiga®, angezeigt wurde Candesartan.

Offensichtlich ist derzeit nicht bekannt, wann diese Probleme auftreten und welche Ursachen sie haben. Auch die Zahl der so entstandenen Fehler liegt derzeit im Dunkel, deshalb kann das Ausmaß der Gefahr für die Arzneimitteltherapiesicherheit nicht konkret abgeschätzt werden.” SAV Info 2024_022

Amlodipin (Calcium-Kanalblocker bei Hypertonie verordnet)- Bisoprolol (Beta-Blocker bei Hypertonie)

Novalgin (Analgetikum)- Fosfomycin (Antibiotika)

Forxiga (orales Antidiabetikum)- Candesartan (AT-II-Rezeptorantagonist bei Hypertonie).

Das ist der GAU, da diese Fehler nur zufällig in der Apotheke erkannt werden können. Die Grundlage für ein sicheres System ist ein fehlerfreier Datentransfer, der wohl nicht funktioniert.

Kurz noch einige Anmerkungen zu Stand des E-Rezeptes. Die Bürokratisierung im Gesundheitswesen hat sich stark erhöht. Vor dem E-Rezept gab es verschiedene Rezeptformulare DIN A6 (Muster 16, Sprechstundenbedarf, BTM-, Thalidomidrezepte). Jetzt gibt es zusätzlich das E-Rezept in Papierform DIN A5 oder A4 und die digitale Variante. Der Arzt muss die E-Rezepte nutzen.

Optional hat er die Möglichkeiten in bestimmten Fällen die Papierrezepte zu nutzen:

  • apothekenpflichtige, aber nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel zulasten der GKV, z. B. für Kinder (rosa Rezept)
  • verschreibungspflichtige Arzneimittel für gesetzlich versicherte Selbstzahler (blaues Privatrezept)
  • apothekenpflichtige Arzneimittel für gesetzlich versicherte Selbstzahler (grünes Rezept)
  • apotheken- und verschreibungspflichtige Arzneimittel zulasten der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen (rosa Rezept)
  • Zytostatikazubereitungen

Des weiteren muss der Arzt in bestimmten Fällen die Papierrezepte nutzen:

  • BtM-Rezepte
  • T-Rezepte
  • Verordnung von sonstigen nach § 31 SGB V einbezogenen Produkten (etwa Verbandmittel und Teststreifen)
  • Verordnung von Hilfsmitteln
  • Verordnung von Sprechstundenbedarf
  • Verordnung von Blutprodukten, die von pharmazeutischen Unternehmen oder Großhändlern gemäß § 47 AMG direkt an Ärztinnen und Ärzte abgegeben werden.
  • Verordnungen von Digitalen Gesundheitsanwendungen wie Apps
  • Enterale Ernährung
  • Verordnungen zulasten von sonstigen Kostenträgern, z. B. Sozialhilfe, Bundespolizei, Bundeswehr etc.
  • Verordnungen für im Ausland Versicherte

So funktioniert Digitalisierung im Gesundheitswesen.

Zytostatika.

Ich hatte ja vor über 30 Jahren mal Krebs und weiß von damals, wie gefährlich und potentiell tödlich oder spätschädigend da manche Sachen sind, und mit welcher Sorgfalt das von der Apotheke für den jeweiligen Patienten angemischt werden muss. Selbst wenn man dasselbe Medikament mit der Zubereitung für einen anderen Patienten verwechselte, könnte das im Ergebnis tödlich enden.

Ich habe bisher einmal ein e-Rezept bekommen und abgeholt, gleich Anfang Januar, und mich dabei noch gewundert, warum die meine Krankenkassenkarte in das Lesegerät steckten und ausdrücklich und so auffällig übersorgfältig rückfragten, ob das auch das richtige Medikament sei. Ich hatte das schon früher, und bei Papierrezepten bin ich noch nie gefragt worden, ob das auch das richtige wäre (seit die mit dem Drucker und nicht handschriftlich beschriftet wurden). Da bekam ich ohne Diskussion einfach das, was drauf steht, und fertig. Da ist mir schon aufgefallen, dass das nicht am – zwar verschreibungspflichtigen, aber doch eher harmlosen, in Zypern frei verkäuflichen – Medikament liegen kann, sondern am e-Rezept gelegen haben muss.

Jetzt habe ich ein Problem.

Der Apotheker schickt mir als Beleg ein Informationsblatt des Sächsischen Apothekenverbands e.V. mit, auf dem steht

Bitte beachten Sie, dass infotheke+ nur intern verwendet werden darf. Die Weitergabe an Dritte oder Veröffentlichung von Inhalten bedarf im Vorfeld der ausdrücklichen Genehmigung durch den Sächsischen Apothekerverband e. V.

Es ist deshalb ausdrücklich nicht zur Veröffentlichung freigegeben, und damit auch im Rechtssinne nicht veröffentlicht. Ich darf es daher weder weitergeben, noch daraus zitieren, weil es sicherlich urheberrechtlich geschützt ist und ohne Veröffentlichung nicht dem Zitatrecht unterliegt. Auch wenn die das an ihre Mitglieder verteilen, ist das nur ein bestimmter, abgegrenzter Empfängerkreis und deshalb keine Veröffentlichung im Rechtssinne. Deshalb zitiere ich auch nicht daraus.

Es gab demnach aber Fälle, in denen in der Apothekensoftware eine völlig andere als die vom Arzt (oder der Ärztin, sie gendern) verordneten Arzneimittel angezeigt werden. Und da geht es nicht um gleichartige Medikamente oder Generika, wie man das ja kennt, weil die Krankenkasse Verträge mit einem anderen Hersteller hat, sondern gänzlich andere Mittel für völlig andere Erkrankungen. Wie der Apotheker mir ja auch schreibt.

Sie sagen aber auch, dass ihnen Ursache und quantitatives Ausmaß bisher nicht bekannt sind, und deshalb die Gefahr nicht abgeschätzt werden kann.

Deshalb die dringende Warnung: Prüft genau, ob Ihr in der Apotheke auch das bekommt, was der Arzt Euch verschrieben hat!

Was nicht immer einfach ist, denn ich habe schon reichlich Medikamente gesehen, bei denen für einen Laien wie mich aus der Außen- und Innenverpackung und dem Beipackzettel nicht oder nicht einfach ersichtlich ist, was und wogegen das überhaupt ist. Name, Einnahme, Nebenwirkungen, Fragen Sie ihren Arzt oder Apotheker, aber es steht manchmal nicht drin, wogegen man es eigentlich nimmt.

Und dazu kommt, dass ich es früher schon erlebt habe, dass der Arzt etwas verschreibt, und man dann in der Apotheke gesagt bekommt, das sei das falsche, weil die Krankenkasse Verträge mit einem anderen Hersteller – oder die geändert – hat, und man deshalb das gleiche Medikament vom anderen Hersteller mit anderem Namen bekommt. Das ist gar nicht immer so einfach und leicht, das als Laie zu beurteilen, ob das „richtig“ oder „falsch“ ist – vor allem dann, wenn es nur um Details wie die Wirkstoffmenge geht, es gibt ja von manchen Medikamenten Varianten, die sich nur in der Dosierung unterscheiden.

IT-Sicherheit

Wenn ich es recht bedenke, finde ich das auch in anderer Hinsicht fragwürdig.

Denn mir war so, gelesen zu haben, dass auch die e-Rezepte alle vom Arzt selbst unterschrieben werden müssen. (Früher war das ja oft Praxis, dass die vorne am Tresen einen Stapel vorunterschriebener Blankoformulare zum Bedrucken hatten.)

Was aber taugt die Unterschrift, in der IT-Sicherheit hätte man eine Signatur erwartet, wenn das Medikament vertauscht werden kann, Integrität und Authentizität also nicht gesichert sind?

Für mich riecht das so, als stünde da im Rezept nicht der Name des Medikaments drin, sondern nur irgendeine Code-Nummer, die entweder beim Arzt oder beim Apotheker falsch zugeordnet wird.

Denkbar wäre allerdings auch, dass am e-Rezept selbst gar nichts falsch ist, und nur die Software beim Arzt oder in der Apotheke einen Fehler hat, dass also vielleicht der Arzt auf dem Bildschirm den Hustensaft sieht, im ausgestellten Rezept dann aber was gegen Herzkasper steht, von da ab aber alles richtig läuft.

Oder dass einfach nur in der Apotheke etwas falsch angezeigt wird, etwa noch das Medikament des letzten Kunden da steht, weil irgendeine Graphikroutine den Bildschirm nicht aktualisiert oder man das Rezept eines anderen Verkaufstresens sieht. Das kann im Prinzip auch Ursachen haben, die mit dem e-Rezept selbst gar nichts zu tun haben. Das kann noch so sicher sein, es ist ja nicht unmittelbar mit den Sinnesorganen wahrnehmbar, und ein Fehler lediglich der Software zum Ausfüllen oder Anzeigen sein. Das kann ganz viele Ursachen haben, die nicht unbedingt im e-Rezept selbst liegen müssen.

Ich weiß aber zu wenig über das e-Rezept und die Fälle, um zu beurteilen, was da lief. Es wäre ja eine zentrale Frage, ob die Rezepte selbst schon falsch waren, oder nur in der Apotheke falsch angezeigt wurden. So rein theoretisch-hypothetisch könnte es ja auch sein, das da gar nichts falsch ist, und Ärzte zur Sabotage absichtlich falsche Rezepte ausgestellt haben. Oder Patienten einfach willkürlich behaupten, das Medikament sei falsch. In solchen Fällen muss man bei der Fehlersuche sein Hirn und seine Aufmerksamkeit sehr, sehr weit aufmachen und die gesamte Kommunikationskette von Arzthirn bis Apothekerhirn vollständig prüfen und den Fehler einkreisen.

Das wird vor allem dann kritisch, wenn man bei der Online-Apotheke bestellt oder Apotheken im Notdienst automatisiert werden.

Es ist ja heute schon so und auch bei der Apotheke um die Ecke der Fall, dass die unten im Laden nur noch den üblichen Werbe- und Dauerverkaufskram haben, Traubenzuckerpastillen, Fernsehwerbungskram und so, und die sonstigen Medikamente im Lager in der Etage darüber liegen und auf Spiralrutschen runterkommen. Ich dachte früher, da sitzen oben welche, die das Zeug aus dem Regal holen und runterschicken, weil das früher auch so war. Ich kannte als Kind mal eine Apotheke, die solche Bibliotheksgondeln (wie in Lemmi und die Schmöker) hatten, und manche Medikamente dann von irgendwo angefahren kamen. Inzwischen habe ich aber gehört, dass das Lagerroboter sind und Menschen das nur noch befüllen. Und man macht das aus Sicherheits- und Personalgründen so, dass Apotheken mit Notdienst die „Apothekerschaltung“ an der Sprechanlage haben, und Apotheker sowas (würde ich zumindest so bauen, keine Ahnung, ob es das schon gibt) den Apothekennotdienst aus dem Homeoffice machen können. Es ist eine Frage der Zeit, bis das vollautomatisch geht, und falsche Rezepte nicht mehr bemerkt werden.

Das gilt vor allem dann, wenn der Patient Migrant ist, nicht Deutsch kann, vielleicht Analphabet ist, und mit Namen, Beipackzetteln und so weiter nichts anfangen kann.

Die andere Frage wäre, ob man das dann auch fälschen kann und so an Zeugs kommt, das in der Apotheke sonst – aus gutem Grund – im Betäubungsmitteltresor liegt. Dazu schreibt mir der Apotheker oben, dass für BtM- und T-Rezepte nach wie vor Papier-Rezepte erforderlich sei. Die Frage ist aber, wie lange noch, und ob die Sperre überhaupt wirkt, wenn die Software Fehler macht. Hat man denn mal ausprobiert, was passiert, wenn einer mit einem solchen Rezept als e-Rezept in die Apotheke kommt, das auf die große Höllenmischung lautet? Oder hat man sich damit begnügt, es in irgendein Gesetz zu schreiben, und jeder verlässt sich mal wieder auf die anderen?

Was ich mich als Informatiker zu der Frage bringt: Welche Fälle hat man denn da überhaupt getestet?

Gibt es dazu Testmedikamente, also nichtexistente zu Null Euro, die man testweise verschreiben kann, das verbotene Testdummy Forte 50mg, das man einfach mal verschreiben kann, um zu sehen, ob die Software dazu „Njet“ sagt und nicht anfängt, etwas auszugeben? So etwas wie einen Placebo für Software?