Ansichten eines Informatikers

Ich hätte den Beruf verfehlt …

Hadmut
2.2.2024 23:00

meint einer. SPD-Fotograf hätte ich werden sollen, meint er:

Mmmmh … nein.

Zunächst mal muss ich sagen, dass viele das Honorar falsch einschätzen. Denn das ist ja nicht pro Tag. Das liest sich für mich, als sei nur der Termin vor Ort auf einen Tag, 8 bis 12 Stunden, beschränkt, aber die Bildbearbeitung dann noch separat. Damit ist man leicht auch noch mal ein paar Stunden beschäftigt. Man sollte das Honorar also schon mal durch zwei oder mehr teilen, um auf den Tagessatz zu kommen.

Dann ist der anscheinend Freiberufler, was heißt, dass der seinen Fotokrempel selbst bezahlen muss, und solche Einsätze belasten das Zeug, da geht einiges an Geld für Ausrüstung, Fahrzeug raus, und ordentlich angezogen will man ja auch sein, man braucht ein Arbeitszimmer, Rechner und so weiter und so fort. Und mit der Amateurknipse kann man da nicht ankommen. Und die Fotos, die ich da sehe, sind auch nicht mit Billigobjektiven gemacht, das sind die Profi-Serien mit großen Anfangsblenden und nettem Bokeh. Die Kosten muss man also abziehen.

Er schreibt außerdem zuzüglich Fahrtkosten, aber nicht zuzüglich Mehrwertsteuer, außerdem muss man in Deutschland den Preis mit Steuer angeben, wenn man an die Öffentlichkeit anbietet, also geht die Mehrwertsteuer vermutlich auch noch ab.

Dann ist das schon gar nicht mehr so prickelnd, vor allem, wenn man bedenkt, dass der dann auch nicht jeden Tag gebucht wird. Und werden kann. Es sei denn, er hat Mitarbeiter, die die Nachbearbeitung machen, aber die muss er dann ja auch noch bezahlen.

Und dann muss man bedenken, dass der dafür oft den ganzen Tag rumhetzen und seinen Krempel durch die Gegend schleppen und sich auf irgendwelchen Veranstaltungen herumtreiben muss, und sich vor allem von einem Menschenschlag Politiker herumkommandieren lassen muss, von denen nicht wenige die Qualifikation zum Vollkotzbrocken erfüllen, oder sonst sehr unangehm sind. Ich würde ungern mit einem Kettenraucher im Auto mitfahren müssen.

Es ist sicherlich kein schlechter Job, weil man als Parteifotograf nicht wie andere um Aufträge suchen muss, sondern die von selbst reinkommen, und man da auch nicht um den Preis handeln muss, weil die SPD die ihren ja bekanntlich mit Steuergeld trefflich abfüllt. Und das wird auch seine interessanten Seiten haben.

Aber ganz ehrlich: Ich würde den Job nicht haben wollen.

Schon allein deshalb, weil mir zu viele Leute, die sich in den Parteien herumtreiben, viel zu sehr zuwider sind. Ich kann das nicht so, Leuten gegenüber Freundlichkeit zu heucheln, die mir so gewaltig auf den Sack gehen, die ich kaum ertragen kann. 20 Minuten vielleicht, aber nicht 12 Stunden. Mein Berufswunsch als Kind war, Chirurg zu werden. Als ich aber gesehen habe, mit wem sich Ärzte alles abgeben müssen, war ich froh, das nicht geworden zu sein. Manche Leute halten Informatiker für einen Scheiß-Job, weil man zuviel mit Computern statt mit Menschen zu tun habe. Glaubt mir, das hat auch Vorteile. Mir ist bis heute kein Computer untergekommen, der unerträglich stinkt, weil er sich nicht wäscht und tagelang dieselben Klamotten anzieht. Alkoholiker gibt es unter Computern auch nicht, obwohl Windows doch schon so etwas in der Art ist.

Und dann kommt eben dazu, dass man da immer total pünktlich sein muss. Man kann nicht mal 10 Minuten später kommen. Wenn der Politiker seine Rede hält oder im Auto losfährt, muss man da sein, und dann muss das Foto auch sitzen. Kaum Möglichkeiten zur Korrektur oder Wiederholung. Rumturnen und -rennen bei 35 und bei -15°C, drinnen und draußen.

Und gerade die besten Fotos, die man da machen kann, auf denen Parteien und Politiker dubios oder bescheuert aussehen, gerade die darf man nicht verwenden. Immer nur solche Schöne-Leute-Fotos. Das kann man mal einen Monat lang machen, vielleicht zwei, aber dann wird es sehr langweilig. Ich würde da viel lieber den fetten Arsch irgendeiner Politikerin fotografieren, wenn die Raucher mit vergilbten Zähnen beisammen stehen, wenn sie Alkohol saufen oder sich irgendwelche Torten reinstopfen oder mit Geldgebern zusammenstehen. Wenn sie fix und fertig sind, ausgebuht werden oder mit irgendwas beworfen werden. Wenn sie ein dummes Gesicht machen, eingeschlafen sind oder in wichtigen Besprechungen auf dem Handy lesen oder Pornos gucken. Die Treppe runterfallen. Die Krawatte nicht binden können. Das Koks aus der Nase schaut oder das Klopapier hinten aus der Hose hängt. Die misslungenen Versuche von TikTok-Videos. Die teuren Privathäuser. Die geschmacklosen Protz-Accessoires, die Rolexen, die Pinkelflecken auf der Hose. Das wäre Fotografie. Ein Motiv wären die schon. Ich bin nicht der Meinung, dass man hässliche Menschen so fotografieren sollte, dass sie halbwegs gut aussehen, für mich ist eine Kamera kein Lügenwerkzeug. Ich neige tendenziell dazu, so banal es sein mag, schöne Menschen schön und hässliche Menschen hässlich zu zeigen. Ich will keine Falten wegbeleuchten. Ich will die Hüftenfettlappen zeigen, die aus der Hose hängen. Und wenn jemand einen geilen Arsch oder tolle Möpse hat, will ich auch das zeigen. Aber gerade das dürfte man ja nicht verwenden. (Oder man sammelt es heimlich und baut daraus entweder einen Kompromatkoffer, oder sagt irgendwann „Leckt mich“ und haut das alles raus.) Mich spricht diese Art der Fotografie nicht so an, als dass ich das öfter als nur sehr gelegentlich würde machen wollen. Sowas ist einfach unter meinem fotografischen Anspruch, unter meiner fotografischen Würde. (Obwohl ich lange nicht mehr zum Fotografieren gekommen bin.) Leute am Rednerpult, Leute am Besprechungstisch, Leute im Auto, das ist so uninteressant.

Ich finde das nicht so einen tollen Job.

Und dann auch noch SPD. Das reicht nicht als Schmerzensgeld.