Ansichten eines Informatikers

Boeing 737-8200 ?

Hadmut
13.1.2024 18:20

Ich saß gestern in einem Flugzeug.

Nachdem ich ja die Tage einiges über den Vorfall mit der Boeing 737-Max und der verlorenen Ersatztür (door plug) geschrieben habe, habe ich beim Einsteigen (Ryanair) natürlich genauer drauf geachtet. Eigentlich dachte ich (falsch gedacht), dass Ryanair (beachtlicherweise führt Ryanair seine Flüge gar nicht alle selbst durch, sondern es gibt da Flüge in Ryanair-Flugzeugen, die dann „operated by …“ sind) so günstig ist, weil sie ältere 737 einsetzen und die halt bis zum Ende auslutschen.

Wie ich aber so zum hinteren Eingang kam und anstehen musste, fiel mir auf, dass diese Maschine einen Notausgang mehr hatte als ich das von normalen 737 kenne. Normalerweise haben die ja … eigentlich weiß ich gar nicht so genau, was die normalerweise haben, ich habe mir da nie strukturelle Gedanken gemacht. Wenn ich im Flieger sitze, präge ich mir ein, wo der nächste Notausgang ist, weil es angeblich im Falle von Rauch und Feuer sehr wichtig sei, zu wissen, in welche Richtung man kriechen soll, und finde mich damit ab, dass ich ihn ohnehin wohl nie erreichen würde, wenn er mehr als 5 Reihen weg ist. Meine Vorstellung von der 737 war, dass die vorne und hinten richtige Eingänge haben, links die Passagiere, rechts die Versorgung, und in der Mitte über den Tragflächen früher eine und dann zwei Luken auf jeder Seite als Notausgang haben.

Wie ich gestern so auf dieser Treppe zum hinteren Eingang anstehe, fällt mir da noch ein Notausgang in voller Türhöhe zwischen Tragfläche und hinterem Eingang auf.

Hoppla. Das ist doch genau die Stelle, aus der bei dem Alaska Airlines Flug diese Abdecktür rausgeflogen ist.

Mmmh.

Ich schaue mir das Flugzeug genauer an. Auffällig: Sehr große Triebwerke mit großem Durchmesser und gezackter hinterer Kante am Mantelstromgehäuse, und die Triebwerke so montiert, dass sie nicht unter, sondern vor den Tragflächen aufgehängt sind. Also genau diese Konstruktionskrücke, derentwegen sie spezielle Spezialsoftware brauchen, die nicht fehlerfrei funktioniert hat und derentwegen zwei von den Dingern abgestürzt sind. Sollte Ryanair etwa halbwegs neue Flugzeuge haben? Ist das eine 737 Max?

Eigentlich hatte ich Platz 31C. Auf Platz 31C saß aber einer, der bedauerlicherweise nicht nur stärker aussah als ich, sondern es zweifellos auch war. Es stellte sich heraus, dass er das Konzept, dass auf den Tickets Platznummern stehen und man sich dann da hinsetzt, nicht so ganz verinnerlicht hatte, und Sprachbarrieren verhinderten, dass herauszufinden war, ob er es gar nicht begriffen oder es zu einer unverbindlichen Anregung herabgestuft hatte. Ich musste spontan an meinen Rückflug von Kapstadt nach Berlin über Amsterdam mit Verspätung und Umbuchung denken, als eine zwar bildhübsche, aber schütteldumme und nie aus der Pubertät gekommene Niederländerin auf meinem Platz saß, Mitte Zwanzig war, sich aber aufführte wie Mitte Vierzehn, und dann noch einen Mordsstreit mit der Stewardess anfing, weil sie und ihre Freundinnen nicht kapieren konnte, dass sie zu viert gebucht hatten und eine doch nicht mitgeflogen war, und sie dann über ihre vier bezahlten Plätze nicht frei verfügen konnten, sondern die Airline die Plätze von Leuten, die nicht eingecheckt haben, anderweitig vergibt, und ich keinen freien Platz mehr fand, weil ihr dann freier Platz am anderen Ende des Flugzeugs war, und mich dann ein ganzer Flieger voller Niederländer als den bösen blöden Deutschen betrachtete, dessentwegen nicht nur der Flieger warten musste (den ersten Anschlussflug hatte ich wegen Verspätung des ersten Fluges nicht mehr erreicht, weshalb mich KLM zur Schadensbegrenzung auf einen durch besagte eine Niederländerin frei gewordenen Platz gebucht hatte, den sich aber die andere Niederländerin genommen hatte, weil sie dachten, sie hätten die Plätze bezahlt, also könnten sie sich auch frei aufteilen, um beisammen zu sitzen), sondern auch noch zu blöd sei, seinen Platz zu finden. Ich sprach nach der Landung noch mit der Purserin, weil ich noch nicht alles dieser teils auf niederländisch geführten Auseinandersetzung zwischen ihr und hübschen Dummen geführt worden war, und sie – obwohl selbst Niederländerin – hatte mir erklärt, dass die Niederländer fast alle zu blöd seien, das mit den Sitzplätzen zu kapieren, sich aber stets für schlauer als die Deutschen und ihnen überlegen vorkämen, und ich mir nichts draus machen sollte, sie als Cabin Crew hätten ständig damit zu kämpfen.

Soviel stand allerdings fest: Der Mann auf Platz 31C war kein Niederländer. Und keine Schönheit.

Es stellte sich seltsamerweise heraus, dass sein Kumpel auf 30B saß und er ein Ticket auf 30C hatte, er aber aus Gründen, die auch die Stewardess Saftschubse Flugbegleiterin nicht herauszufinden vermochte, es irgendwie wichtig fand, hinter und nicht neben seinem Kumpel zu setzen und durch den Spalt zwischen den Sitzen mit ihm zu quatschen. Jedenfalls fragte er mich, ob ich nicht statt seiner auf 30C sitzen könnte, was vielleicht auch daran gelegen haben könnte, dass er auf 31C neben zwei hübschen Mädels saß (wo ich eigentlich gesessen hätte), während ich nun neben seinem Kumpel saß, der ein höflicher, freundlicher, netter Mensch zu sein schien, aber einfach zu breit gebaut für den Mittelsitz, auch wenn ihm das bewusst war und er sich zusammennahm (im doppelten Wortsinn). Als die Durchsage „Boarding Completed“ kam, fiel mir auf, dass das Flugzeug zwar ansonsten rappelvoll war, auf den beiden Reihen 28 und 29 aber nur eine einzige Frau und in umgekehrter Richtung eben diese Stewardess saß, ansonsten waren sie leer. Nämlich die Reihen vor den Notausgängen. Ich fragte die Stewardess, ob diese Reihen leer seien, wenn doch „Boarding Completed“ ist und augenscheinlich alle sitzen, und ich einfach noch einen Sitz nach vorne könnte. Sie sagte „after takeoff“.

Sobald wir also in der Luft waren und die Anschnallzeichen aus gingen, bin ich noch einen weiter, auf 29C gerutscht, und hatte alle drei Sitze, 29A, B und C, für mich alleine. Wobei die beiden Reihen mit Warnschildern gepflastert waren, dass am Notausgang nur solche Leute sitzen dürfen, die körperlich nicht beeinträchtigt sind und im Notfall den Notausgang aufkriegen, und da keine Taschen unter den Sitzen verstaut werden dürfen, damit es da keine Stolperfallen geben kann. Was aber kein Problem war, denn weil auf der linken Seite 29 und 28 komplett unbesetzt waren, war das ganze Gepäckfach komplett leer.

Warum ist ein Flugzeug ansonsten komplett voll, aber auf den Reihen 28 und 29 vor den Notausgängen nahezu leer? von den 10 Plätzen nur einer besetzt? (Können auch 9 gewesen sein, weil an den Notausgängen jeweils ein Platz nicht montiert war, und rechts auf der Leerstelle gegen die Flugrichtung der Landesitz der Stewardess war, ich jetzt aber nicht so genau drauf geachtet habe, ob rechts deshalb 5 oder 4 Sitze waren.)

Hat an diese Reihen bewusst leer gelassen, falls da auch die Tür rausfliegt?

Ich habe mir das natürlich genau angesehen, wobei bei Ryanair im Gegensatz zu Alaska wegen der dichteren Bestuhlung dort echte Notausgänge eingebaut sind. Ich muss allerdings sagen, dass mir die Begründung, dass diese door plugs Gewicht sparen und mehr Stühle als echte Notausgänge erlauben, nicht einleuchtet. Denn erstens macht das auch nur zwei oder drei Sitze und ein paar Zentimeter mehr Abstand zwischen den Reihen 28 und 27 aus, und an diesen Notausgängen ist auch kaum mehr dran, als man auf den Bildern des door plug gesehen hat. Der Unterschied ist eigentlich nur, dass die echten Notausgänge ein kleineres Fenster, einen Griff zum Aufziehen eines Hebels zum Herauslösen der Tür und eine Notrutsche haben. Diese Notrutsche ist aber so klein, dass sie auch nicht mehr Platz als ein Wanderrucksack benötigt, denn die 737 ist ja nicht hoch und die Tür fällt bei Notöffnungen nicht komplett raus, sondern klappt nach unten und daraus bläst sich dann die Minirutsche auf. Es sieht jedenfalls nicht so aus, als wäre es ein großes Ding, einen door plug gegen einen echten Notausgang zu tauschen. Der Hauptaufwand dürfte in der Innenverkleidung und der Bestuhlung liegen. Vermutlich nutzen beide Arten von Türen die gleiche Verriegelung, nur dass der echte Notausgang einen langen Hebel zum Verschieben und damit Lösen der Tür hat, während der door plug einfach nur über die Riegel gehängt und mit Bolzenschrauben gesichert wird, die bei der Alaska dann wohl fehlten.

Warum aber saß da niemand? Weil die Leute aus den beiden Reihen beim Türverlust rausgesogen werden? Sind die da gerade etwas übervorsichtig?

Mir ist insofern grundsätzlich unverständlich warum die Luftaufsichtsbehörden sagten, dass in der EU praktisch keine Flugzeuge von dem Problem betroffen wären. Denn die Unterschiede zwischen Door Plug und echtem Notausgang schienen mir da so gering, dass da wohl genau derselbe Fehler auftreten könnte. Denn auch dieser echte Notausgang wird sicherlich in derselben Weise geöffnet, um die Innenausbauten machen und die Stuhlreihen reintragen zu können. Nur mit dem Unterschied, dass man für den Notausgang wohl kein Werkzeug braucht, um ihn zu öffnen, sondern nur die Rutsche „disarmed“ und einfach den Hebel zieht, dann ist die Tür offen, und man sie dann vermutlich genau so auch wieder verschließen kann.

Ich habe irgendwie nicht dran gedacht, rechtzeitig ein Foto zu machen, und dann hatten sich auch Leute in die leere Reihe vor mir vor den Notausgang gesetzt. Aber es gibt auch nichts zu sehen. Das ist halt so eine banale Flugzeugtür, mit einem kleinen Guckloch statt normalem Fenster, dann gibt es einen Handgriff, an dem man ziehen muss, womit dann ein Hebel hochklappt, der hinter einer Abdeckung verborgen ist, die dann abfällt, und unten ist eine rucksackgroße Verdickung mit der ganz kleinen Notrutsche, die sich bei Auslösung zur Innenseite der Tür hin aufbläst, weil die Tür ja nach unten wegklappt und deren Innenseite dann nach außen zeigt. Das ist keine Luke, die man, wie bei manchen Notausgängen, dann greifen und rauswerfen muss, sondern wie bei den ganz kleinen Privatmaschinen eine Tür, die nach unten aufklappt und statt einer Treppe eine Rutsche hat. Man bekommt aber einen Vorstellung davon, dass die Tür an Bolzen im Türrahmen eingehängt ist, und man die Tür mit dem Hebel entweder anhebt oder gegen Federn nach unten drückt (so ganz klar wurde mir das aus den Beschreibungen zum door plug nicht, weil widersprüchlich), damit entriegelt, und nach außen drücken kann (und muss). push door.

Was mich während des Fluges zu der Frage zurückbrachte, ob es sich um eine 737-Max handelte, weil mir doch diese Triebswerkskonstruktion aufgefallen war, für die sie berüchtigt ist. Die mussten ja als Konkurrenz zum A320neo ebenfalls diese neuen sparsamen Triebwerke einsetzen, hatten aber das Problem, dass die 737 zu niedrig gebaut ist und der Platz unter den Tragflächen nicht reicht, weshalb sie sie vor die Tragflächen gebaut haben, was das ganze Flugzeug, seinen Schwerpunkt, sein Flugverhalten verändert.

Wo sieht man, in was für einem Flugzeug man sitzt? Auf den Notfallanleitungen. Da steht das immer drauf. Manchmal sehr klein und unauffällig im Kleingedruckten, wenn ihnen der Flugzeugtyp peinlich ist.

Da stand: Boeing 737-8200.

Was zum fliegenden Geier ist denn das nun wieder? Ist das eine Max oder nicht? Die von Alaska soll eine Max 9 gewesen sein. Könnte 737-8200 auf eine Max 8 hindeuten oder was soll das heißen?

Inzwischen mal gegoogelt.

Das Fachblatt für Flugzeugkunde, der Stern, klärt auf: Ryanair fliegt jetzt mit der Boeing 737 Max und benennt den Krisenjet einfach um.

Das erste Exemplar von 210 bestellten Boeing 737 Max ist bei Ryanair eingetroffen. Damit die Kunden nicht merken, ob sie in der klassischen 737-800 oder in der umstrittenen 737 Max-Version sitzen, wendet der Billigflieger einen Trick an.

Die Bezeichnung für die Boeing 737 Max als “Problemflieger” gilt noch als harmlose Umschreibung. Das neueste Kurz- und Mittelstreckenflugzeug von Boeing bezeichnen die Medien nach zwei Abstürzen, bei denen insgesamt 346 Menschen ums Leben kamen, auch als “Todesmaschine”.

[…]

Der Großkunde Ryanair gehört zu den wenigen Fluggesellschaften, die in der Zwischenzeit ihre Bestellungen für die 737 Max nicht storniert oder reduziert haben, sondern nach dem Flugverbot sogar noch aufgestockt haben. Doch Ryanair nennt das Flugzeug nicht beim Namen, vermeidet den Begriff Boeing 737 Max, sondern bezeichnet es laut einer Pressemitteilung “Gamechanger” oder technisch kurz “Boeing 737-8200”.

Ach, so ist das.

Anscheinend hat Ryanair da die 737 Max im Sonderangebot bekommen, weil Boeing da ja auch ein paar überschüssige auf Lager hatte, die sich nicht mehr verkaufen ließen. Es wurde ja berichtet, dass die Lagerkapazitäten bei Boeing erschöpft seien und die gar nicht mehr wussten, wo sie ihre neu produzierten 737 Max noch hätten einstapeln können (siehe auch Foto beim Stern). Da gab es mit Sicherheit fette Rabatte, wenn denen noch jemand die bestellten Flieger abgenommen hat, und gern noch ein paar nicht bestellte dazu. Und dann eben mit echtem Notausgang für die dichte Bestuhlung. Und damit die Kunden nicht wegbleiben, hat Ryanair das Ding dann in 737-8200 umbenannt.

So werden Billigflüge gemacht.