Ansichten eines Informatikers

Stell Dir vor, es klebt, und keiner geht hin …

Hadmut
23.11.2023 14:32

Die Idee ist nicht schlecht, aber sie funktioniert eben nicht mit Ankündigung.

Aus einer Presseerklärung:

Der Innenexperte der AfD-Hauptstadtfraktion, Karsten Woldeit, sagt zu der von der sogenannten „letzten Generation“ angekündigten Blockade der Straße des 17. Juni am kommenden Sonnabend:

„Das Geschäftsmodell der Klebekriminellen funktioniert nur, weil sie sich darauf verlassen können, dass die Polizei sie regelmäßig von der Straße löst. Die für Sonnabend angekündigte Blockade bietet eine ideale Möglichkeit, ihnen einen Strich durch diese Rechnung zu machen: Die Straße des 17. Juni ist so oft wegen Veranstaltungen gesperrt, dass eine weitere Sperre, zumal am Wochenende, kaum ins Gewicht fällt.

Wer einmal ein Novemberwochenende angeklebt im Tiergarten verbracht hat, wird sich sicher zweimal überlegen, ob er seine kriminellen Aktivitäten tatsächlich fortführen will. Deshalb: Einfach mal kleben lassen!“

Die Idee wäre an sich nicht schlecht. Aber sie funktioniert nur, wenn sie überraschend kommt. Wenn man sie vorher ankündigt, ist der Gag weg. Dann haben die sich vorbereitet und (gasbetriebene?) Heizlüfter und was zum Ablösen mitgebracht.

Das bringt’s ja erst dann, wenn die das erst mitkriegen, wenn sie schon kleben. Der Brüller wäre, wenn da nur einer im orangefarbenen Kleinlaster vom Straßenamt käme, so ein paar rot-weiße Plastikkegel um sie herum aufstellt, und einfach wieder geht.

Was letztlich aber die durchaus interessante Frage aufwirft, ob man auch gegenüber jemandem, der sich bewusst, gewollt und vorsätzlich in eine Notsituation bringt, unterlassene Hilfeleistung begehen kann.

§ 323c
Unterlassene Hilfeleistung; Behinderung von hilfeleistenden Personen

(1) Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer in diesen Situationen eine Person behindert, die einem Dritten Hilfe leistet oder leisten will.

Da könnte man sich jetzt mal durch die Rechtsprechung und Kommentare graben auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage, ob jemand in Not ist, der sich aus freien Stücken, vorsätzlich, geplant und ohne jeden Zwang oder Druck in die Situation begibt. Eigentlich ist das nämlich keine Notsituation, weil er die Situation ja selbst hätte abwenden können, indem er den Blödsinn einfach bleiben lässt.

Nun würden die Juristen, die ja grundsätzlich alles per Rabulistik und Dialektik ins Gegenteil verdrehen, kommen und sagen, er wusste zwar dass er da kleben wird, wenn er sich da hinklebt, aber er konnte ja nicht damit rechnen, dass die Polizei nicht kommt, um ihn abzulösen, und das sei dann eine nicht vorhersehbare Situation, also eine Notsituation. (Manche halten es ja auch für Seenot, wenn einer sehenden Auges und wider besseres Wissen in eine labbrigen Schlauchboot ohne Motor, ohne Proviant und ohne Sonnenschutz über das Mittelmeer schippern will.) Quasi eine Sekundärnotsituation, in die der Klebeidiot ungewollt gerät, weil die Polizei nicht zur Ablöse kommt.

Was umgekehrt die Frage aufwirft, warum die Polizei dann Passanten immer davon abhält, an Klimakleber, sagen wir mal, vorsichtig ausgedrückt, „Hand anzulegen“, denn es könnte ja auch sein, dass der Passant dem Geklebten und mutmasslich Verwirrten nur Nothilfe leisten und aus der Gefahr des Straßenverkehrs helfen will.

Das Thema ist wohl juristisch noch nicht ausgeleuchtet, da lauern noch zwei, drei Promotionen.