Ansichten eines Informatikers

Vom subtilen Zusammenhang zwischen Röntgenbrillen, dem Ku-Klux-Klan und den Urzeitkrebsen im Yps-Heft

Hadmut
13.11.2023 12:40

Nutzloses historisches Wissen aus der Zeit unserer Jugend.

Oder: Kennt Ihr eigentlich Harold Nathan von Braunhut?

Ich hatte doch gerade im Zusammenhang mit der Werbung für schreckliche bestrapste Damenmieder die Röntgenbrillen erwähnt, die in meiner Jugend in den Billig-Werbespalten verschiedener Blätter angepriesen wurden.

Dazu gab es zwei Leserzuschriften.

Eine Leserin schreibt:

Hallo,

an die “Röntgenbrillen” erinnere ich mich auch noch. Es muß so Mitte der 70er Jahre gewesen sein, als mal unter den Mädchen Aufregung herrschte, weil ein Junge aus der nächsthöheren Klasse wohl mit so einem Teil herumlief. SIW stellte sich dann heraus, daß da Zeichnungen von Nackten ohne Köpfe eingearbeitet waren, so daß man sich quasi die Zeichnung und den Kopf zusammenstellen konnte. Das Zeug wurde auf alle Fälle in der gemischten großen Kleinanzeige für allerlei Unfug und Krimskrams (zeitenweise gab es dort auch den Dekoartikel “Pfau”, später dann Treppenlifte, in den 70ern auch immer wieder “Scherzartikel”, u.a. eine Klorolle mit 500-Mark-Scheinen, oder besagte Röntgenbrille), die immer auf der Rückseite des der Zeitung beigelegten TV-Heftchens erschien, beworben.
Der Anfang über ein Gerücht und dann die Realisierung als anzüglicher Scherzartikel war mir aber neu, das mit den wackligen Haaren auch. Anscheinend gab es mehrere Ausführungen.

Gruß

Ja, ja. Damals gab es in den Käseblättern verschiedener Art, auch die ADAC-Zeitschrift und so was, Seiten mit vielen Spalten ganz kleiner, billiger Werbe- und Privatanzeigen, auf denen jedweder Tinnef feilgeboten wurde. Wunderschuhe und weiß der Kuckuck was für ein Zeugs. Wo man genau wusste, kann nichts taugen, sonst könnten sie sich ordentliche Werbung leisten. Scientology hat da auch oft geworben.

Da wurden auch diese Brillen beworben.

Ein Leser schreibt:

Hallo Hadmut,

Ich erinnere mich noch sehr gut an die X-Ray Spex aus meiner Zeit in den 70ern in den U.S.

Der “Erfinder” dieser und anderer bekannter Betrugsartikel (“Sea-Monkey” und anderer Schwachsinn) war der obskure Amerikaner Harold Nathan von Braunhut

https://en.wikipedia.org/wiki/Harold_von_Braunhut

Bemerkenswert an diesem Mann war seine politische Haltung …

Das ist ein sehr guter Hinweis. Von da nämlich kommt man auf eine Wiki-Seite über eben diese Röntgenbrillen, die X-ray Specs, mit Erklärung und Bildern:

Yup.

Was hatte es damit auf sich?

The “lenses” consist of two layers of thin cardboard with a small hole about a quarter-inch (6 millimeters) in diameter punched through both layers. The user views objects through the holes. In the original version, a feather is embedded between the layers of each lens. The vanes of the feathers are so close together that light is diffracted, causing the user to receive two slightly offset images. For instance, if viewing a pencil, one would see two offset images of the pencil. Where the images overlap, a darker image is obtained, giving the illusion that one is seeing the graphite embedded within the body of the pencil.[2] Newer versions utilize manufactured diffraction lenses instead of feathers.

X-Ray Specs were long advertised with the slogan “See the bones in your hand, see through clothes!” Some versions of the advertisement featured an illustration of a young man using the X-Ray Specs to examine the bones in his hand while a voluptuous woman stood in the background, as though awaiting her turn to be “X-rayed”. These claims, however, were untrue. In smaller print below the X-ray claims, advertisements and packaging state that X-Ray Specs operate by “illusion”.

Die haben sich einen einfachen optischen Trick zunutze gemacht, der aus Physik und Photograpie (dort aber als störend) bekannt ist. Beugung am Spalt und an der Kante. Wenn das Loch klein genug ist, durch das man schaut, kommt es zu Beugungseffekten, die Unschärfe hervorrufen (was übrigens einer der Gründe ist, warum man Objektive durch Zudrehen der Blende nicht immer schärfer bekommt, weil irgendwann die Beugungseffekte mehr schaden, als die kleine Blende nutzt). Das führt zu Überlagungserffekten und sieht dann ungefähr so aus:

Im Prinzip nur eine Überlagerung unscharfer Bilder, was zu einem harten Kern und einer weichen Außenkante führt, und von manchen für ein Röntgenbild gehalten wird. Weil zu viele Leute einfach das sehen, was sie sehen wollen. Schließlich hat man ja auch Geld dafür bezahlt.

Das ganze war Betrug, inszeniert von eben jenem Harold von Braunhut,
der wohl generell ein eher strategisches Verhältnis zur Realität hatte, mail-order marketer war, also so ein Vertriebsheini, der den Leuten in der Vor-Internet-Zeit per Katalogen und Werbung wirklich alles andrehte, und es fertig brachte, gleichzeitig Jude und white supremacist und dazu dem Ku-Klux-Klan zumindest nahe zu stehen.

According to a report in The Washington Post, he was raised “as Harold Nathan Braunhut, a Jew”,[3] and had a religious upringing — notable in light of his later association with white supremacist groups. He added “von” to his name some time in the 1950s for a more Germanic sound and so he could distance himself from his Jewish family.

Das ist auch eher selten, dass jemand einen auf Deutscher macht, um sich von Juden zu distanzieren. Haben wir jetzt aber gerade wieder im großen Stil, weil ja gerade in großer Menge Judenhasser eingebürgert werden. Dann kommen garantiert auch wieder die Röntgenbrillen auf den Markt.

Das andere große Marketing-Ding von dem waren die „Amazing Sea-Monkeys“, angebliche Wundertiere, die man als Pulver in Wasser schüttet und dann darin den Dschungel machen, und die man samt Futter und Salz in drei Beuteln auf Zeitschriften und anderen Verkauftsträgern verhökerte. Tatsächlich waren das nur Salinenkrebse, Gattung Artemia.

Leuten meiner Altersgruppe müsste da eine Erinnerung aufleuchten. Das waren nämlich die „Urzeit-Krebse“, die immer wieder auf den Yps-Heften als Gimmick dabei waren, das Futter jeweils in der Folgewoche. Ich hatte die auch schon, sind auch geschlüpft, haben bei mir aber nie lange gelebt. Keine Ahnung, was ich falsch gemacht habe.

Jedenfalls war ich durchaus verblüfft, als ich mal wieder, wie so oft, mit meinem Vater in einer Tierhandlung war, Lebendfutter für die Vögel kaufen, gucken und so weiter, und dabei auf meine Frage beim Verkäufer, ob man bei ihnen das Yps-Futter kaufen kann, dass es laut Yps in der Zoohandlung gibt, erfahren habe, dass die Yps-Viecher nichts besonders sind, sondern in jeder Zoohandlung als Lebendfutter (weiß nicht mehr, wofür, irgendwelche Fische) angeboten werden, und man die Eier und das Futter da in Röhrchen und großen Beuteln kaufen kann und das dann viel, viel billiger als bei Yps ist, und man dann auch noch beliebig viel und nicht nur so ein winziges Beutelchen hat.

Ich wäre aber nie drauf gekommen, dass die YPS-Urzeitkrebse und die Röntenbrillen vom selben Heini und noch dazu aus der Umgebung des Ku-Klux-Klan kamen.