Ansichten eines Informatikers

Monumentalschinken I: Exodus, Geschichte der Gründung Israels

Hadmut
10.11.2023 14:11

Passt ideal zur Diskussion um Israel/Palästina.

Ich hatte den schon einige Male im Blog erwähnt, mir auch auf DVD gekauft, war aber bisher nie dazu gekommen, mir den dreieinhalb-Stunden-Monumentalschinken „Exodus“ von 1960 anzuschauen. Ich habe es nun getan, weil nicht nur politisch gerade hochaktuell, sondern auch – Zufall oder politische Absicht – der Film gerade auf Amazon Prime „kostenlos“ (also im Prime-Abo enthalten) zu sehen ist.

Der Film beschreibt die Gründung Israels, spielt im oder ab dem Jahr 1947 und fängt thematisch nach dem zweiten Weltkrieg und dem Holocaust an und geht bis kurz nach den UN-Teilungsplan für Palästina am 29. November 1947. Es geht darum, dass überlebende Juden, die von Hamburg aus mit einem Schiff nach Palästina wollten, auf Zypern festsitzen, wo der erste der beiden Teile des Films spielt, weil sie dort von den Briten festgesetzt und an der Reise nach Palästina gehindert werden, weil Palästina britisches Gebiet ist. Sie schaffen es dann aber doch, nach Palästina zu kommen, wo der zweite Teil spielt, und dort den Kampf gegen Briten und Araber aufzunehmen und sich dort anzusiedeln.

Filmisch ganz klar ein typischer Historienschinken im Stil der 1960er Jahre, filmisch wie dramaturgisch, selbst die Farben und die Art zu filmen, zu verzweifeln, mit Todesschrei vom Dach zu fallen, sind so derbe im Stil der 1960er Jahre. Ich muss mir nochmal den Abspann anschauen, auf welchem Filmmaterial das gedreht ist, aber es ist alles eben so – 1960 eben.

Das ganze Ding mit dreineinhalb Stunden und dem dramatischen Plot, selbst der Filmmusik, ein klassischer Monumentalschinken, der, würde er nicht 1947 mit Jeeps, LKW, Gewehren und Sprengstoff spielen, ein klassischer Sandalenfilm sein. Im Prinzip der dritte Teil zu „Die Zehn Gebote“ und „Ben Hur“. (Zumal die Benennung des Schiffes Exodus sich wohl auf die Vertreibung aus Ägypten bezieht, die ebenfalls als Exodus bezeichnet wird.) Statt Ägyptern und Römern sind jetzt eben Briten und Araber die Bösen, die schändlich töten und gegen die es zu bestehen gilt. Samt Monumentalschinkenmusik. Ist aber wohl in den Schränken verschwunden, weil politisch heikel.

Angeblich und laut den Beschreibungen beruht der Film auf einem historisch realistischen Roman und soll eine hollywoodige Mischung aus stark vereinfachten tatsächlichen Geschehnissen und Zusammenhänge und frei erfundenen dramaturgischen Elementen und Figuren sein.

Man sollte ihn also nicht für bare Münze nehmen, aber auch nicht als reine Fiktion ansehen, sondern also so eine Art „Kurzzusammenfassung“ der Grundidee, wie es zum Staate Israel kam.

Sehr beachtlich ist dabei, wie schlecht die Briten dabei wegkommen, obwohl es ein amerikanischer Film ist und Amerikaner und Briten doch Alliierte im Weltkrieg waren. Und das ist ein Thema, das ich schon oft im Blog angeschnitten hatte, nämlich dass Deutschland/Hitler die Juden zunächst deportieren wollte, es gab zwei Ziele, Palästina und Madagaskar. Wobei viele sagen, die Tage habe ich gerade irgendwo etwas dazu gesehen – ich weiß nicht mehr wo, ich glaube, auf Youtube, irgendwo habe ich da noch einen Hinweis, kommt dann noch im Blog – dass die Deportation nach Madagaskar nicht nur logistisch nicht möglich gewesen wäre, sondern faktisch ebenfalls einem Todesurteil gleichgekommen wäre, und außerdem ebenfalls von den Briten verhindert worden sei. Deshalb hätten die Nazis entschieden, dass man sie gleich hier umbringen könnte, das Ergebnis wäre dasselbe, aber billiger.

Eine Deportation nach Palästina wäre wohl logistisch gerade noch möglich gewesen, wurde aber von den Briten verhindert, was auch im Film gut rauskommt. Den Briten hat das überhaupt nicht gepasst, dass die Juden nach Palästina wollten, und innerhalb der jüdischen Gruppe im Film kommt es auch zu zwei Strömungen, nämlich den edlen Kämpfern, die für Frieden sind, edel aussehen (Paul Newman) und ohne weiteres auch bei Winnetou mitspielen könnten, weil es in Hollywood immer Gute und Schöne braucht, und den Verbitterten, die Araber und Briten mit Gewalt vertreiben wollen und Sprengstoff einsetzen – angeblich entstand aus denen dann ja der Mossad. Die eine der beiden Schönen spielt Eva Marie Saint, die geheimnisvolle Schöne aus Hitchcocks Der unsichtbare Dritte. Die lebt sogar noch (99 Jahre alt). Die andere Schöne wird getötet, um die Gewalt zu veranschaulichen und Teil des Gründungsmythos zu werden.

Der Schmalz nimmt kein Ende, und dreieinhalb Stunden ist schon wüst.

Letztlich aber spiegelt das wieder, wie zäh und mühsam das damals war, und wie man das gegen alle – eben auch britische – Widerstände durchgesetzt hat.

Und damit liefert der Film auch einen Ansatzpunkt dafür, dass 1933 bis 1945 auch nicht ganz so war, wie die Alliierten es nach dem Krieg darstellten, die bösen Nazis und die guten Westmächte. Denn bekannt ist, dass Hitler mit den Palästinensern (den Begriff gab es damals wohl noch nicht) verbandelt war, und deren Großmufti Mohammed Amin al-Husseini die Vernichtung der Juden bei Hitler regelrecht bestellt hatte, selbst die Israelis das so sehen und die Nazis gar nicht mal als die einzigen und alleinkausalen Bösen ansehen. Das beruhte ja damals schon auf Konkurrenz um das Land.

Und das deutet dann schon auf einen bösen Dreier hin: Wenn nämlich die Palästinenser mit den Nazis zusammen die Juden vernichten wollten, wirft das durchaus die Frage auf, welche Rolle die Briten dabei spielten. Und die Frage kam ja schon an anderer Stelle, nämlich bei den Hitler-Attentaten, bei dem sich die Briten weigerten, die Hitler-Attentäter zu unterstützen, und sie – angeblich – sogar an die Nazis verrieten. Außerdem deutet ja vieles darauf hin, dass die Briten die Nazis mit aufgebaut und gestützt haben, um sie als Schutzriegel gegen die Kommunisten zu haben.

Man könnte auf den Gedanken kommen, dass sich die Briten über die Juden, die den Holocaust überlebt haben, mehr ärgerten, als über die Toten.

Und damit kommen wir dann irgendwo über die DDR/Stasi/RAF auch bei den heutigen Linken und Grünen an. Man betreibt zwar seit Jahrzehnten ein großes Heulen und Gedenk-Wehklagen über den Holocaust, Museen und Ausstellungen überall, aber entsteht unter der Oberfläche doch der Eindruck, dass es Briten, Palästinensern, Linken, Grünen, Kommunisten viel lieber gewesen wäre, wenn die Nazis damals alle Juden umgebracht und dabei den alleinverantwortlich singulär Bösen dargestellt hätten, und es damit Israel nie gegeben hätte. Das hat man jetzt einige Jahrzehnte mehr oder weniger unter der Decke gehalten, und einen auf „Kampf gegen Rechts und böse Nazis“ gemacht, aber jetzt hält man es nicht mehr durch und es kommt gerade wieder so hoch, den Holocaust doch noch fertigzustellen. Man bekommt den Eindruck, dass das größte Problem der Linken, der Roten, der Grünen mit den Nazis sei, dass sie nicht fertig geworden seien und deshalb Israel entstehen konnte.

Gelegentlich heißt es, der Film sei ein Propagandafilm und wesentlich dafür verantwortlich, dass sich in den USA eine große, projüdische Schicht gebildet habe.

Schon deshalb sollte man den Film aus historischen Gründen gesehen haben. Nicht unbedingt deshalb, weil er die Vorgänge 1947 historisch korrekt beschreibe, was zu diskutieren wäre. Sondern weil er selbst Teil der historischen Ereignisse ab 1960 war, nämlich der politischen Darstellung Israels in den USA.

Man bekommt aber so ein Gefühl dafür, warum es um das Thema keine Ruhe geben wird.