Ansichten eines Informatikers

Erdbeermarmelade: Vom heraufziehenden bitteren Ende der Akt- und Werbefotografie

Hadmut
7.11.2023 21:41

Nur mal so.

Nachdem ich angesprochen hatte, dass ich KI-Bildgeneratoren mal ausprobieren wollte und der erste, den ich ausprobierte, sich – ob nun, weil er nicht konnte oder nicht durfte – verweigerte, mir eine Frau mit drei Brüsten (wie in Total Recall) zu machen, bekam ich von mehreren Seiten den Hinweis, es mit sexy.ai zu probieren, die seien nicht so prüde.

Mal ausprobiert.

Ein paar Betriebsunfälle gab es schon, Gesichter können mitunter schon böse verunstaltet herauskommen. Trotzdem war ich sehr positiv überrascht, was mir das Ding so geliefert hat:

„Mach mir eine nackte Frau in Erdbeermarmelade!“



„Eine Frau, die Schokolade anbietet!“


„Eine sexy Frau, die Eis anbietet!“

(gut, die Finger sollte man nicht zählen …)


Elsa kann einpacken.

„Pizza!“

„Ich möchte, dass mir im Restaurant eine Nackte einen Hamburger bringt!“

(Beachtlich, dass bei den Futter-Pics die Haarfarbe immer zum Lebensmittel passt.)

„Eine sexy Frau mit Pelz“

„Eine Frau im Zug!“

„Female Dark Knight“

Alles innerhalb von Sekunden. Ich bin sehr beeindruckt. Und das, obwohl man deutlich merkt, dass das nur eine kleine Amateurmaschine ist, die nur sehr wenig Trainingsmaterial hatte.

Es klappt natürlich nicht immer. Besonders wenn man mehrere Personen auf einem Bild bestellt und dadurch die Gesichter sehr klein werden, können die ziemlich kaputt gehen, und mit Extremitäten wie den Füßen stimmt auch nicht alles:

Und manchmal geht das auch völlig schief. Wobei ich das jetzt schon wieder so kurios vergeigt finde, dass es schon wieder gut ist. Ich glaube, das hänge ich mir an die Wand. Es ist zwar völlig vermurkst, gefällt mir aber neben einem der Erdbeerbilder am besten – und es fehlt ja nichts, alles da, was man haben will:

Leute, für Fotografen brechen schwere Zeiten an.

Wir hatten etwa seit den 90er Jahren eine Flut von hochqualitativen Bildern. Man merkte das auch an den Titelseiten etwa von Playboy, Metropolitan und so weiter. Da gab es von den 80ern zu den 90ern einen richtigen Qualitätssprung, weil man die digitale Bildverarbeitung bekommen hatte. Dann hing das in den 2000ern etwas, weil es noch etwas dauerte, bis auch die digitale Fotografie in Gang kam und gute Kameras da waren, und dann wurde fotografiert, dass die Wände wackeln.

Ich habe oft geschrieben, dass mich Aktfotografie manchmal langweilt, weil ich bei so vielen Fotos überlege, ob ich die Pose erst 3000 oder die normalen 5000 oder doch schon 8000 Mal gesehen habe. Der Knackpunkt ist, dass es damit einen riesigen Fundus an Akt- und anderer Fotografie gibt, ob nun Architektur, Landschaft, Beauty, Tiere, Sport oder weiß der Kuckuck. Es gibt Sportfotografen, die pro Tag 5000 Bilder machen. Die sündhaft teuren Nikon Profi-Kameras sind normalerweise für zwischen 200.000 und 400.000 Bilder ausgelegt, dann ist der Verschluss hin und einige Teile müssen ausgetauscht werden. Ich habe schon mit Profis im Bereich der Bildberichterstattung gesprochen, die solche Kameras in einem halben Jahr durchheizen und sie dann auch nicht reparieren lassen, weil total verschlissen, und die alle halbe Jahr eine komplette neue Profi-Ausstattung kaufen, weil die einfach so viel fotografieren und in den Redaktionen abliefern. Was glaubt Ihr, wieviele Bilder es von Fußball, Marathon, Angela Merkel, oder was auch immer in den Bildredaktionen gibt?

Jede Zeitung, jedes Bildarchiv sitzt auf Millionen von Fotos, in der Regel von guter Qualität. Damit meine ich nicht Nachrichtengehalt, sondern ordentlich fotografiert, belichtet, scharf, kein Müll. Jedes dieser Archive, dieser Redaktionen hat einen wahnsinnig großen Bildschatz. Bisher hat man die mühsam indiziert. Künftig wird sich jeder, der auf einem Haufen Bilder sitzt, eine KI kaufen und diese mit seinem Bildarchiv trainieren, um dann Bilder nicht mehr zu suchen, sondern zu machen, indem die KI das zusammensetzt, was sie darin findet. Albert Einstein im Flatterrock über dem Lüftungsgitter.

In gewisser Weise ist die Fotografie tot. Warum soll man noch Fotografen beauftragen, wenn man doch billig oder kostenlos solche lecker Bilder in Sekunden auf Zuruf bekommt?

Wir haben gerade etwa 30 Jahre lang im Übermaß fotografiert und einen riesigen Haufen Bilder produziert, von dem wir nicht wussten, wozu der gut sein soll. Und plötzlich ist etwas da, womit wir den Haufen Bilder nutzen können.

Es ist noch gar nicht so lange her, da schrien die Journalisten noch „Fakten!“ und „Faktencheck!“, weil – man erinnere sich, wie das los ging – ein Donald Trump die Frage aufwarf, wer mehr Gäste bei seiner Inauguration hatte, Obama oder er. Und man schrie „Fakten!“, weil doch irgendwelche Bilder, von denen nicht mal die Uhrzeit geklärt war, angeblich irgendwas zeigten.

Künftig wird man zu jeder beliebigen Behauptung Beweisfotos haben.