Ansichten eines Informatikers

Von wegen Schnellkochtopf

Hadmut
18.11.2022 21:49

Nee. Einfach nee.

Ich hatte in meinem Leben noch nie einen Schnellkochtopf.

Nun dachte ich mir, ich kaufe mir mal einen, zum Probieren, und zwar so einen mit eigener Heizung und Steuerungselektronik, so eine eierkochende Wollmilchsau, die auch gleich Reis kochen, Suppen aufwärmen, Joghurt bereiten, Fleisch garen und – keine Ahnung, wie das gehen soll – im Wasserdampf Kuchen backen können soll. Kann ohne, mit wenig und mit viel Druck kochen.

Die Bedienungsanleitung bejubelt das Gerät, würde man doch beim Kochen unter hohem Druck gleich die Hälfte der Kochzeit einsparen, was nicht nur von Vorteil und Gefallen für den Benutzer, sondern auch sinnstiftend für die Bezeichnung als Schnellkochtopf sei, es soll das „Schnell“ ermöglichen und damit konstituierend für das Gerät als solchem sein. Bescheidenheit ist ihre Sache nicht.

Ich dachte mir, fängst’e erst mal simpel an, bis Du weißt, wie man das Ding bedient, und ob es überhaupt funktioinert, probieren wir erst mal Pellkartoffeln. Ordinäre Pellkartoffeln.

Eine Kochzeit von 15 Minuten verheißt die Bedienungsanleitung.

Das Ding braucht aber eine Weile, bis das Wasser überhaupt heiß ist und die Anzeige damit anfängt, von 0:15 runterzuzählen.

Lobend zu erwähnen wäre, dass die 15 Minuten, die das Gerät zum Kochen zu benötigen behauptete, tatsächlich 15 Minuten dauerten. Genau 15 Minuten. Dann piepte es. Und fing an, nunmehr vorwärts zu zählen.

Hä!?

Ich kam mir gerade vor, wie ein Bombenentschärfer im Film, der nicht den einen von zwei Drähten durchgeschnitten, sondern noch einen dritten Draht mit neuer Farbe dazugebaut hat und triumphierend in die Kamera sagt „Damit habt Ihr nicht gerechnet, was!?“

Die Anleitung und eine Leuchtdiode klären darüber auf, dass das Gerät vollautomatisch in den Warmhaltebetrieb übergegangen sei. Es lässt sich aber abschalten.

Und gerade an der Stelle, an der es jetzt eigentlich vorbei wäre, geht das Übel los.

Die Anleitung nämlich, die, die ich schon erwähnte, warnte dringend davor, das Ding zu öffnen, solange der rote Stift noch anzeige, dass sich das Gerät noch unter Druck befinde. Nichts geringeres als Tod und Verderben, entsetzliche Entstellung und ein Vegetieren in immerwährendem Siechtum riskiere man, setze man sich über den Ratschlag der Anleitung hinweg und öffne das Gerät, solange sich der rote Stift noch zeigt.

Besagtem Schicksal sei für den, der es wagte, den Höllenpott in Betrieb zu setzen, nur auf zwei Wege zu entgehen:

  • Der Mutige könne Taste 2 betätigen, welche das Druckventil 1 dazu veranlasse, den angestauten Überdruck in vergleichsweise kontrollierter Form abzulassen.
  • Der Feigling möge warten, bis das Ding von selbst so weit runtergekühlt ist, dass der Druck von selbst auf Normalniveau zurückgekehrt ist, öffentlich verkündet vom Verschwinden des bereits angesprochenen roten Stiftes.

Ich habe Hunger, bin ein Mann und entscheide mich für die Version für Mutige.

Für gefühlte 0,4 Sekunden.

Eine Dampffontäne schießt aus dem Gerät, und in diesem Punkt hat die linkische Anleitung nicht übertrieben. Erfreulicherweise und zum Wohl meiner Finger ist die Taste 2 vom Druckwentil 1 weit genug entfernt, dass meine Finger keinen Schaden zu nehmen. Anders sieht das der Küchenschrank, der nämlich würde Schaden nehmen und alsbald sein Furnier abpellen wie die Kartoffel die Schale. Dafür fühle ich mich wie eine Dampflok. Eine Pfeife würde noch drauf gehören.

Ich wähle nun doch den Weg des Feiglings.

Der Weg ist lang.

Sehr lang.

Es dauert und dauert und dauert, und der Druck lässt nicht nach.

Irgendwann wurde es mir zu blöd und ich habe nochmal kurz die Taste betätigt um festzustellen, dass der Druck viel weniger ist undd der abgelassende Dampf nicht mehr so heiß und kaum noch sichtbar ist. Nachdem die Gefahr also weitestgehend weg ist, wechsle ich wieder zum Weg des Mutigen und lasse den Druck ab, bis sich der rote Stift, eben noch keck erigiert, beleidigt zurückzieht.

Insgesamt hat das alles jetzt viel länger gedauert als ich normalerweise brauche. Die schnellste Methode ist, etwas mehr als einen Liter Wasser im Wasserkocher heiß zu machen, und mit den Kartoffeln und Salz in einen Kochtopf und den dann auf der Induktionsplatte für 20 bis 25 Minute je nach Größe und Kartoffelsorte köcheln zu lassen. Damit wäre ich nicht nur längst fertig, sondern hätte auch weniger zu reinigen. Nämlich nur den Kochtopf und sonst gar nichts. Und die Bedienung wäre auch einfacher. Deckel runter, Kelle rein.

Die Kartoffeln sind aufgeplatzt. Ist mir beim normalen Kochen noch nie passiert. Könnte daran liegen, dass ich vielleicht die falschen Kartoffeln genommen habe, die gehen so leicht ins Mehlige, kommen so ein bisschen kartoffelpüreeig rüber. Ich muss allerdings zugeben, dass ich noch nie Pellkartoffeln hatte, bei denen die Schale so leicht abging, bei denen man nur an einem Zipfel ziehen muss, und schon ist mehr als die halbe Kartoffel nackt, fällt fast wie aus einem Beutel. Mein sündhaft teures Markenpellkartoffelschälbesteck brauche ich nicht. Man holt wieder etwas Zeit rein, die man sonst für das Schälen braucht, weil es nicht immer so leicht geht.

Die Mutter aller Fragen ist nun:

Warum heißt das Ding eigentlich „Schnellkochtopf“, wenn es damit doch deutlich länger dauert? Man mehr Zeit damit vergeudet, nach dem Kochen auf das Abklingen des Innendrucks zu warten, als man beim Kochen spart?