Ansichten eines Informatikers

Die Schlüsselmaschine 41, auch „Hitlermühle“ genannt

Hadmut
15.11.2022 13:20

Ein Puzzlestück aus der Kryptographie und der Welt der Geheimdienste.

Ich hatte doch beschrieben, wie mir das an der Uni mit dem Promotionsverfahren erging, und ich mir damals noch nicht hätte vorstellen können, dass wir kleine Nummern, die wir waren (oder uns zumindest so klein vorkamen), nie hätten vorstellen können, dass sowas wie wir zentral in den Blickpunkt der Geheimdienste hätte rutschen können.

Ein Leser macht mich auf einen hochinteressanten BILD-Artikel zu diesem Thema aufmerksam: Er erfand den Nachfolger der Enigma – Das geheime Leben des Chiffrier-Experten Fritz Menzer

Der Code der legendären Chiffriermaschine Enigma der Nazis wurde im 2. Weltkrieg geknackt. Da erfand Fritz Menzer (†97) eine Nachfolgerin – die Schlüsselmaschine 41, auch „Hitlermühle“ genannt.

Der Werkzeugmacher aus dem Erzgebirge wurde im Zweiten Weltkrieg zu einer zentralen Figur in der Chiffrierabteilung der Wehrmacht. Erfand sogar 1943 den Enigma-Nachfolger „Hitlermühle“, die aufgrund von Material- und Arbeitskräfte-Mangels nur noch in geringer Stückzahl (1000-1500 Exemplare) produziert wurde. Menzers Familie wusste davon nichts. Sie kannten ihn nur als liebevollen Vater und Ehemann – bis Hobbyschatzsucher 2017 eine Maschine in einem Wald bei Aying fanden. Sie war 1945 vergraben worden.

Erstaunlich, denn kryptologisch hätte man an der Enigma gar nicht soviel ändern müssen, um sie gegen die Angriffe der Briten und Polen resistent zu machen. Einen zweireihigen Reflektor und zwei ineinander geschachtelte Trommeln statt einer, und schon hätte das Angriffsschema nicht mehr funktioniert und ein ganz schwerer kryptographischer Fehler wäre damit behoben gewesen.

„Ich würde ihn so gerne fragen: Papi, warum hast du nichts erzählt?“, sagt Menzers Tochter Gudrun Jackson (82) heute. Vor drei Jahren ruft Filmemacher Robert Jahn an, konfrontiert sie 2019 mit seiner Recherche zu ihrem Vater. Gemeinsam mit Carola Dahlke, Kuratorin für Kryptografie am Deutschen Museum München, hat er die Spuren der Hitlermühle verfolgt und stieß auf Menzers Aufstieg vom Werkzeugmacher zum Referatsleiter der Chiffrier-Abteilung der Reichswehr.

„Ich habe immer gedacht, dass er Funker im Weltkrieg war. Wir haben als Kinder nicht viele Fragen gestellt“, sagt Jackson.

Und auch nach der Kapitulation gehen die Verstrickungen weiter: 1947 gerät Menzer in sowjetische Gefangenschaft. Er verbringt etwa ein halbes Jahr in einem Geheimgefängnis in Dresden. Er willigt ein, für die Sowjets zu spionieren, flieht dann aber 1949 mit seiner Familie nach Frankfurt. Auch später taucht sein Name immer wieder beim Bundesnachrichtendienst und der NSA auf. Bis heute sind noch Dokumente über ihn geschwärzt oder gar ganz geheim.

Menzer-Enkel Andreas Langer: „Der NSA-Bericht über meinen Opa endet mit seinem Tod am 25. Oktober 2005 und der Beisetzung auf dem Friedhof. Er wurde ein Leben lang beschattet. Wer weiß, was da noch kommt? Da kriegt man Gänsehaut!“

Was erstaunlich ist, denn mag der im zweiten Weltkrieg auch noch so wichtig gewesen sein (diese Maschine spielte praktisch keine oder kaum eine Rolle mehr), war das Wissen über mechanische Kryptomaschinen in den 1960er und 1970er Jahren hinfällig und erledigt, weil man mit dem Computer, den Blockchiffren und der asymmetrischen Verschlüsselung die ganze Kryptographie völlig neu erfunden und in die Mathematik verschoben hat. Ein Werkzeugmacher hätte da keine Chance mehr gehabt. Spätestens da wäre er ein Relikt gewesen, das man ins Museum hätte stellen können, es sei denn freilich, der hätte da weitergemacht und sich fortgebildet.

Wenn die NSA aber einen Werkzeugmacher, der faktisch keine Bedeutung mehr hatte, schon bis ins Grab überwacht hat, was wird dann damals mit uns gewesen sein? Wir waren damals vorne dran an der Forschung und haben praktisch und real einsetzbare Kryptographie gemacht und gelehrt.