Ansichten eines Informatikers

Juggernaut

Hadmut
12.11.2022 23:12

18 Stunden bis zur Ewigkeit.

Ich hab’s getan.

Nachdem ich den Film schon zwei- oder dreimal im Blog angesprochen habe, dachte ich mir, ich muss ihn mir einfach nochmal ansehen. Der Film „Juggernaut“, im Deutschen „18 Stunden bis zur Ewigkeit“, von 1974. Ich habe ihn als Kind zweimal gesehen, hat mich damals sehr beeindruckt, und so dachte ich mir, ich könnte ihn ja nach fast 50 Jahren nochmal anschauen.

Ein Kreuzfahrtschiff fährt ab. 1200 Passagiere.

Aber, ach.

Nicht nur haben sie schlechtes Wetter, einen lausigen Alleinunterhalter und Frau und Kinder eines Politikers, darunter einen neugierigen Jungen und einen anderen überflüssigen Politiker an Bord, und Omar Sharif als Kapitän, sondern auch noch ein paar Bomben, eingebaut in Ölfässer. Der Erpresser will Geld, man will aber nicht zahlen, also fliegt man den Supermann der Bombenentschärfer mit seinem Team ein. Und dann geht es darum, wie man die Bombe entschärft.

Der Film ist so alt, dass sie noch „Froschmänner“ statt „Taucher“ sagen. So hießen die damals. Ich könnte mich übrigens nicht erinnern, jemals den Begriff der „Froschfrau“ gehört zu haben. Taucherinnen waren damals so selten, dass sie noch eine besondere Erotik ausstrahlten, wenn sie in James Bond vorkamen.

Ich kann mich noch erinnern, dass ich den Film halb länglich, halb spannend fand, weil der Blick in, oder besser aus der Bombe auf den Bombenentschärfer so eindrucksvoll war.

Es trat aber wieder derselbe Effekt ein, der fast immer eintritt, wenn ich alte Filme sehe: *Gähn*

Man merkt, wie die alten Filme künstlich aufgepumpt wurden, die üblichen Katastrophenstandardcharaktere auftreten, holzschnittartig.

Und so manches ist technisch schlicht Unfug. Warum da etwa ein gemustertes Band in der Bombe läuft. Dramaturgisch ist mir das schon klar, weil eine Bombe, die einfach nur dasteht, keine Action ausstrahlt. Wenn da drin aber was läuft und sich bewegt – boah.

Letztlich läuft aber nicht viel mehr, als eine 2-Stunden-Version von „Schneide ich den roten oder den blauen Draht durch?“. Denn alles andere ist nur Geplänkel. Und weil man dafür, um den gefassten Bombenleger zu fragen, welchen Draht man durchschneidet, ja nun wirklich keinen Superexperten braucht, darf der doch noch was tun und den roten durchschneiden, obwohl der Bombenleger sagt, der Blaue sei durchzuschneiden. Man kennt sich, und der Experte setzt auf „Lüge“.

Letztlich bleibt von der Handlung nur übrig:

  1. Schiff fährt mit Bomben los, Erpresser will Geld und ist ein verbitterter Veteran. Schlechtwetter.
  2. Experte, Schüler des Bombenlegers, kommt an Bord, schafft es aber nicht, die Bombe zu entschärfen
  3. Bombenleger wird gefasst und sagt, man müsse den blauen Draht durchschneiden. Experte glaubt es nicht, schneidet den roten durch, das unvermeidliche Happy End tritt ein und das Wetter wird schlagartig gut, als ob es erleichtert wäre.

Dazu jede Menge irrelevanter Handlungsabläufe, die man braucht, um auf Kinolänge und 70er-Jahre-Stil zu kommen. Und zur Dramatiksteigerung steht ein Ozsilloskop auf der Bombe, das so eine Art Herzschlag der Bombe zeigt.

Aber damals fand ich ihn toll.

Immerhin: Er zeigt den Stand der Technik (Schiff, Bombe, usw.) oder, genauer gesagt, der Technikphantasie im Kino der 70er Jahre. Noch mit mechanischen Kontakten und Auslösern, altmodischer Kommunikationstechnik, Leuten ohne Handys.

Ach, und auch das: Frauen spielen nur irrelevante Nebenrollen, sind nur zur Verzierung da. Eine ist besorgte Mutter. Eine im komischen Kleid zum Tanzen da. Eine liegt besorgt in der Kaitänskajüte und macht sich Sorgen. Und eine fragt im Angesicht des Todes ihren Gatten, ob er sie je betrogen hat. Ging heute nicht mehr, heute müsste der Held, wenn überhaupt männlich, feststecken, und auf die Hilfe der Frau angewiesen sein, und der Kapitän müsste auch eine Frau sein.

Was mich zu der Frage bringt: Warum sieht man eigentlich auf den Bildern von den Polizeientschärfungskommandos, die die Weltkriegsbomben in Berlin entschärfen und abtransportieren, eigentlich immer nur Männer?

Gab es in der Ukraine, wo sie gerade viele Bomben und Minen entschärfen, schon mal Bombenentschärferinnen?

Oder machen das generell immer nur Männer?

Was ist realistischer? Hollywood 1974 oder Hollywood 2022?