Ansichten eines Informatikers

Die Suggestivwirkung der großen Tüte

Hadmut
14.10.2022 15:39

Ich war einkaufen. Ratet mal, was ich noch gekauft habe.

Ich war gerade kurz im Supermarkt. Discounter. Kleinkram, Lebensmittel.

Dabei habe ich noch ein paar Brötchen aus dem Backregal mitgenommen. Das, an dem man sich selbst bedient, sich – optional – so einen Plastikhandschuh überstreift und dann die Sachen entnimmt und in bereitgelegte Beutel steckt. Unten gibt es Fächer, in denen es große und kleine Beutel gibt, aber die kleinen sind meistens gar nicht da, oder, wie heute, so weit hinten, dass man zuerst an den großen vorbeikommt. Man nimmt dann eben große Beutel, auch wenn der kleine gereicht hätte.

Nun ist das bekannt, dass das ein Verkaufstrick ist. Man soll von vornherein den großen Beutel nehmen (müssen), damit mehr reinpasst, und das, was schon drin ist, mickrig aussieht, damit man mehr kauft. Das ist Absicht, dass da viel mehr große als kleine Beutel liegen.

Mir ging aber noch etwas durch den Kopf. Zweierlei, um genau zu sein.

Ein Punkt ist, dass die großen Beutel weiß-dunkelblau sind, die kleinen aber weiß-hellblau. Versucht man da, unterschiedliche Zielgruppen zu erreichen wie bei irgendeinem Joghurt, den es für normale Leute in der normalen Packung gibt und für die junge zeitgeistige Frau in der „Light“-Variante? Ich habe ja schon Zuschriften bekommen, dass der ganze Vegan- und Light-Krampf bei manchen schon dazu führt, dass die einen regelrechten Horror vor normalen Produkten haben, und immer irgendwas außer der Reihe, irgendwas spezial haben müssen. Vermutlich funktioniert so auch die teure Bio-Sparte, dass man damit den Leuten das Gefühl, etwas zu kaufen, was eben nicht normal, sondern irgendwie Sonderanfertigung ist. So wie ein AMG-Mercedes halt kein gewöhnlicher Mercedes ist.

Auffälliger fand ich aber, dass auf den großen Tüten groß „GROSS“ steht. So, dass man es nicht übersehen kann, auch wenn die nur ein Stückchen zu sehen ist. Mir ging die Frage durch den Kopf, ob das wirklich nur der Unterscheidung dient, oder ob das Wort selbst Suggestivkraft hat. Groß! Groß! Du kaufst jetzt eine große Tüte voller Brötchen! Groß! Groß!

Von Läden wie IKEA weiß man ja, dass die am Eingang gerne große Drehtüren laufen haben, auch wenn man sie vom Wetter her gar nicht bräuchte, weil damit die Besucher runtergebremst und auf eine geringere Gehgeschwindigkeit gebracht werden, damit die nicht durch den Laden rennen, sondern langsam gehen und sich alles anschauen, sich Zeit lassen. Die Drehtür als Zwangspause zur Verlangsamung und Einstimmung auf „Ich habe Zeit“.

Könnte es also sein, dass da nicht nur „GROSS“ steht, um sie von der kleinen Tüte zu unterscheiden, sondern um mir bei der Auswahl der Backwaren für eine halbe Minute das Wort „GROSS“ in den Kopf zu setzen?

Ratet mal, was ich noch gekauft habe.

Klosteine.

Die Dinger, die man in die Kloschüssel hängt und dann am liebsten gar nicht mehr anfasst.

Nicht, weil ich gerade spontan Appetit bekommen hätte oder man die lecker zu den Brötchen lutschen könnte, sondern eher, weil in Berlin das Wasser zwar gut, aber sehr kalkhaltig ist, und das etwas hilft, ab und zu die Dinger reinzuhängen, und es auch etwas besser riecht. Der eigentliche Grund – von Bloggens wegen – aber war, dass mir schon die Sache mit den Brötchentüten durch den Kopf ging und die es fertig brachten, ihre Klosteine gerade in einer „Limited Edition“ anzubieten.

Mehrere Editionen sogar.

Eine Sonderedition Klosteine.

Das fand ich so dreist, dass ich es für bebloggenswert hielt, und da sie mir nicht teurer vorkamen als sonst, habe ich eine Packung Klosteine in der #AUSZEIT-EDITION erstanden, tatsächlich mit einem Hash # davor. Generation Twitter. Wenn man genau guckt, ist auf der Packung ein Löwe mit Mähne abgebildet, der voller Freude auf dem Klo sitzt und ein Handy in der Pranke hält. Kacken für die Generation von heute.

Ich bin jetzt also glücklicher Besitzer – Eigentümer, bei Klosteinen hat der Begriff „Besitzer“ eine ganz neue Bedeutung, und noch habe ich sie ja nicht reingehängt, noch sind sie nicht Besitztum – dreier Gehänge Klosteine in der wunderbaren #AUSZEIT-EDITION, und zweifellos werde ich es besonders genießen und als außergewöhnlich erholsam erleben, auf dem Klo zu sitzen, wenn die Dinger drin hängen. Ob ich dazu das Handy brauche, wird sich dann herausstellen.

Das Prinzip ist aber das gleiche, so wie auch die Klosteine die gleichen sind wie immer: Man suggeriert den Leuten eine Sonderanfertigung. Etwas besonderes, um ihre Ansprüche zu erfüllen.