Ansichten eines Informatikers

„bezahlbar“

Hadmut
14.10.2022 12:06

Über sozialistische Sprachverhunzung.

Auch ein Dauerthema: Das sozialistische Geschwätz.

Begriffe werden ständig verschoben und ihre Bedeutung ausgetauscht. So wie „Geschlecht“ – Sozio statt Bio. Oder „Demokratie“, was ja nur noch das Codewort für Sozialismus/Kommunismus und nicht mehr für demokratische Wahlen ist. Oder „Gerechtigkeit“, was längst das Tarnwort für „staatlich hergestellte Erfolgsgleichheit“ ist.

Dann natürlich die ständige Substantivierung, wenn man etwas nicht mehr durchführt, sondern seine Durchführung vornimmt. Und die Partizipiensprache, wenn es Fußgehende und nicht mehr Fußgänger heißt.

Es war auch mal üblich, dass einfache Satzaussagen dem Prinzip Subjekt-Prädikat-Objekt folgen, wer macht was gegenüber wem. Der Mann öffnet das Fenster. So in der Art. Was übrigens in praktisch allen Sprachen der Welt so vorkommt, weshalb man davon ausgeht, dass das eine Eigenschaft des Gehirns ist, Handlungen so zu sehen, und sich deshalb in der Sprache niederschlägt. Das aber hat man ebenfalls gebrochen, indem man eine Passiv-Sprache verwendet, in der in den Sätzen das Subjektiv nicht mehr vorkommt. Die Steuern werden erhöht. Es steht nicht mehr im Satz drin, wer die Steuern erhöht. Man könnte sagen, die Regierung erhöht die Steuern. Oder die SPD. Das will man aber nicht, deshalb kommt in verblüffend vielen Sätzen kein Handlungssubjekt mehr vor. Eigentlich habe ich in Latein und Altgriechisch auf dem humanistischen Gymnasium mal gelernt, dass im Großen und Ganzen und im Rahmen guten Sprachstils nur das passivfähig ist, was auch aktivfähig ist. So kann ein Mensch gewaschen werden, weil er damit die Waschung als Erlebnis, als Eindruck, als Wirkung erfährt, während sein Auto nicht gewaschen werden kann. Das muss einer waschen, weil sonst kein Handlungssubjekt im Satz ist. Nicht, weil man ein Grammatik-Fanatiker wäre, sondern damit das Gehirn des Empfängers des Satzes den Satz auch bekömmlich einordnen kann. Das ist nämlich etwas, was die heutigen Sprachverhunzer und selbsternannten Linguisten allesamt nicht verstehen: Dass Schrift und Sprache immer auch so gebaut sind oder es sein sollten, dass sie zu den Vorgängen im Gehirn des Empfängers bei der Sprachverarbeitung passt. Deshalb zum Beispiel auch die Pronomen, die einem als eine Art Ankündigung helfen zu verstehen, was jetzt kommt. Wir sind aber nicht mehr im Zeitalter des Verstehens, was einer sagt, sondern nur noch im Zeitalter des Kontrollierens, ob das Gesagte auch in die politischen Vorgaben passt. Insofern könnten wir uns das Sprechen und Schreiben auch gleich schenken und es ganz bleiben lassen.

Die kleine hässliche dumme Schwester (nicht, dass die großen schöner oder weniger dumm wäre) der Substantivierung und Passivierung ist die -barisierung. Alles ist jetzt irgendwie -bar. Man ist nicht mehr zu ersetzen oder im Gegenteil unersetzlich, man ist jetzt ersetzbar oder unersetzbar. Sachen, die nicht feststehen, sind jetzt verhandelbar, austauschbar, und müssen sich entscheiden zwischen hinnehmbar oder nicht.

Wir bewegen uns in Richtung einer verblödeten Deppensprache, in der auch – im Namen der Vielfältigkeit – die Vielfalt untergeht, nicht nur, weil ihr die fast ebenso grassierende Endung -keit fehlt, sondern weil es zu allem nur noch ein Standardwort im Wortschatz geben darf, oder dann, wenn man nach positiver und negativer Konnotierung unterscheidet, eben ein Begriffspaar. Früher galt es als Zeichen von Bildung und Intelligenz, über einen riesigen Wortschatz zu verfügen und in seiner Wortwahl aus einem reichhaltigen Fundus von Synonymen zu schöpfen, und zu demonstrieren, dass man seiten- oder minutenlang von ein und derselben Sache reden kann, ohne jemals dasselbe Wort dafür zweimal zu gebrauchen, weil man so viele Synonyme drauf hat. Das war auch deshalb guter Stil, weil das Gehirn versucht, Bögen zu der letzten Verwendung des Wortes zu finden. Beispiel: Gestern bin ich zum Arzt gegangen und dann bin ich ins Restaurant gegangen. Scheiß-Satz. Warum? Weil das doppelte „gegangen“ dem Hirn im Magen liegt. Besser wäre es, zum Arzt und danach ins Restaurant gegangen zu sein, also den doppelten Begriff auszuklammern und nach hinten zu ziehen. Ähnlich gehirnquetschend wirkt es, wenn man ständig immer und immer wieder dieselben Worte verwendet, weil der Wortschatz so erbärmlich klein ist wie der eines Journalisten unseres Jahrzehnts, weil man sich einer ideologisierten Sprache unterworfen oder Geisteswissenschaften studiert hat, und dann deshalb die Wahlfreiheit des Begriffes zugunsten des Gehorsams zum Gebrauch des politisch korrekten Wortungetüms aufgegeben hat. Denn Vielfalt in der Sprache geht mit Individualismus und Eigenwilligkeit einher, und die will man nicht. Man will den Menschen, der der Normsprache folgt und das tut, was man ihm vorgibt.

Was steht da?

Augenscheinlich steht da, der Grundbedarf müsse „bezahlbar“ bleiben.

Scheiß-Satz.

Vor allem aber verdunkelt er, wer denn den Grundbedarf bezahlen soll. Denn alle Folgerungen danach sagen eigentlich: Jemand anderes als man selbst solle den Grundbedarf bezahlen.

Sprachlich und gedanklich stimmig würde man ja fordern, dass die Lebenshaltungskosten die Netto-Löhne – oder einen Anteil daran – nicht übersteigen sollen oder dürfen. Darin würde aber die Aussage stecken, dass man seinen Lebensunterhalt selbst erwirtschaftet. Schaut man sich aber die Forderungen an, dann steht da, dass jemand anderes, der Staat, der Steuerzahler, die Reichen, den Lebensunterhalt übernehmen sollen. Jeder soll vom Staat Geld und Dienstleistungen bekommen, für die er eben nicht mehr in vollem Umfang selbst aufkommt, also nicht mehr „bezahlbar“, sondern fremdbezahlt. „Bezahlbar“ soll sein, wenn irgendwer anderes es bezahlt, es also eigentlich gerade nicht mehr bezahlbar ist, weil es ja darauf hinausläuft, es nicht mehr selbst zu zahlen.

Wer das alles dann bezahlen soll, bleibt – bis auf die Aussage, „Krisenprofiteure zu besteuern“, wer auch immer das sein mag – im Dunkeln.

Der Knackpunkt ist, dass durch verhunzte Sprache verschleiert und versteckt wird, dass da eigentlich die Forderung steht, schlicht und einfach auf Kosten anderer leben zu wollen.

Von eigener Beteiligung oder Mitwirkung steht da nichts. Und um das zu verschleiern, kommt im ganzen Tweet kein Handlungssubjekt vor.