Ansichten eines Informatikers

Reisebüros in Afrika

Hadmut
4.10.2022 19:20

Leser fragen – Danisch weiß es auch nicht.

Ein Leser fragt an:

Sehr geehrter Herr Danisch.

Ich war bisher 3 mal in Afrika. 2 x Guinea 1x Gambia
Ich muss zugeben, ich habe nie darauf geachtet, gibt es in Afrika Reisebüros ?
Haben Sie bei Ihren reisen nach Afrika reisebüros gesehen ?
Oder Ticketschalter der Fluggesellschaften in den Flughäfen ?

Die Migranten reden davon viele tausend Dollar oder Euro an Schlepper bezahlt zu haben.
Viele sterben oder kommen dabei um.

Könnten die Migranten nicht einfach eine Urlaubsreise nach Europa/Deutschland unternehmen ?
Eventuell kann man Flugtickets von Afrika nach Europa/D ja auch online buchen ?

Benötigen Afrikaner Visa/Urlaubs- oder Touristenvisa ?
Gibts die Visa nicht für lau in jeder deutschen Botschaft/Konsulat ?
Und wenn nein wieso nicht ?

Die ganze Flüchtlingsindustrie im Mittelmeer würde doch sofort zusammenbrechen.

MfG

Ja, es gibt dort Reisebüros. Ich war in einem. Nicht so sehr, um eine Reise zu buchen, sondern weil die Reise, die ich durch Südafrika gemacht und in Deutschland gebucht habe, dort in Kapstadt in der Innenstadt an einem Reisebüro endete und uns der Reiseleiter und Fahrer sagte, dass er mit dem LKW dort wegen Halteverbot nicht stehen bleiben kann, wir also erst mal ruckzuck unseren Kram und unser Gepäck ausladen und erst mal in das Reisebüro (das die Touren dort durchführte) stellen sollen und uns dort in Ruhe verabschieden, Taxi rufen und sowas könnten. Ich weiß noch, dass ich zwar ein Hotel zwei Straßen weiter hatte, mir abre das Gepäck zuviel und zu schwer war, um das auf einmal dahin zu schlepppen und ich zweimal gegangen bin, einen Teil erst einmal im Reisebüro gelassen habe. Und dass das Unternehmen, das die Reise dort durchführte, Reisebüros in verschiedenen größeren Städten hatte. Es gibt zumindest in Südafrika eigentlich alles, was es hier auch gibt. Ich kann mich allerdings auch erinnern, dass sie aus Sicherheitsgründen die Tür zum Reisebüro dort nicht offen ließen, sondern man von außen klopfen mussten und sie erst guckten, wer draußen steht, bevor sie öffneten. Obwohl es direkt in der belebten Innenstadt war.

In anderen Ländern Afrikas ich das sicherlich sehr viel dünner bis gar nicht, aber zumindest in den Hauptstädten mit internationalen Flughäfen gibt es sicherlich Reisebüros und/oder inzwischen die Möglichkeit, Tickets online zu buchen.

Ich gebe allerdings auch zu bedenken, dass das typische „Weißen“-Industrie war. Ich war mal im Rahmen einer Stadtbesichtigung kurz in der Innenstadt von Johannesburg. Die ist eigentlich für Weiße nicht mehr begehbar, nur bei Tag, in Gruppen, mit (schwarzer) Begleitung und unter Prüfung der Wetterlage und Inkaufnahme des Risikos kann man sich da mal reinwagen, und das war auch nur in einer Seitenstraße, wo es nicht auffällt, uns kaum einer sah, und wir die meiste Zeit in einem Laden verbrachten, dessen Inhaber dem Fahrer persönlich bekannt war (und der ihn vermutlich Provision für Verkäufe zahlte). Wir kamen dabei auch an einem riesigen Luxushotel vorbei, das verrammelt und verlassen war, durch dessen Fenster man noch sehen konnte, dass das Foyer einst mal ein großes, klassisches Hotel gewesen war. Aussage: Ja, war mal ein großes, tolles Hotel. Aber man hat die Weißen aus der Innenstadt vertrieben, und als die Weißen weg waren, sind die Hotels pleite gegangen, weil nicht nur die Kundschaft weg war (Schwarze gingen halt nicht in Hotels, schon gar nicht solche, sagten sie), sondern auch das Personal, weil man nicht mehr für Weiße arbeiten wollte. Viele Schwarze hätten aber erst danach gemerkt, dass sie kein Gehalt mehr haben, wenn sie nicht mehr für Weiße arbeiten. Jedenfalls stünden deshalb in der Innenstadt von Johannesburg einige solcher Hotelruinen rum, was eigentlich schade, aber halt nicht mehr zu ändern sei. Im Prinzip seien die in Ordnung und ohne viel Aufwand wieder in Betrieb zu nehmen, aber es gäbe einfach keine Nachfrage mehr dafür. (Ich war damals für ein paar Tage in einer sicheren, sehr schönen, sehr angenehmen, aber einfachen kleinen Lodge mit Pool und exzellentem Restaurant in einer der Vorstädte untergebracht, was nun für Weiße praktisch der Standard war.)

Ich vermute, dass das vielen Reisebüros ähnlich geht wie diesen Hotels.

Klassisches Reisen kommt einfach im Weltbild, in der Lebensweise vieler Schwarzer überhaupt nicht vor.

Trotzdem ist die Frage gut, warum die dann, wenn sie nach Europa wollen, nicht einfach in den Flieger steigen, und hier am Flughafen mal „Asyl!“ rufen, statt Schleppern ein Vielfaches des Flugpreises zu zahlen und sich auf solche lebensgefährlichen Überfahrten einzulassen.

Weiß ich nicht.

Kann ich nur vermuten.

Ein Punkt ist sicherlich, dass sie ein Visum brauchen. Nun habe ich das in letzter Zeit selbst einige Male erlebt, dass wenn man in Länder fährt, für die man ein Visum braucht oder sich vorher angemeldet haben muss, das schon am Flughafen vor dem Einsteigen geprüft wird, und man ohne gar nicht erst in das Flugzeug oder eine Bordkarte bekommt. Das ließe sich allerdings umgehen, indem man einfach eine gewöhnliche Urlaubsreise nach Europa bucht. Sowas muss es geben, weil ich ja hier in Berlin, in München, ein Heidelberg und so weiter immer wieder Reisebusse mit Reisegruppen sehe. Ob die allerdings in Afrika angeboten werden, weiß ich nicht.

Ich vermute allerdings, dass viele das einfach nicht wissen.

Viele Leute dort sind Analphabeten oder können kein oder kaum Englisch, haben keinen Zugang zu Informationen. Das muss man erst einmal wissen, wie man sowas macht. Ich war in Namibia bei den Himba, Kommunikation nur mit Dolmetscher möglich. Nur der Häuptlingssohn, der außerdem westliche Kleidung trug und sehr gut und fließend Englisch sprach, war das direkt möglich, und ich habe mich eine Weile mit dem unterhalten. Der wollte wissen, wie es in Deutschland aussieht und wie lange man da mit dem Auto fährt, um zu ihnen zu kommen. Der wusste nicht, dass das mit dem Auto nicht geht, weil da ein Meer dazwischen ist (ja, man könnte über die Türkei außenrum fahren…) und konnte sich die Entfernung nicht vorstellen, hatte auch keine Vorstellung von den Zuständen in den afrikanischen Ländern dazwischen.

Eine Frau in einem Laden in Windhuk, die prima Englisch sprach, fragte mich, woher ich komme. Germany. Ja, davon hatte sie schon gehört. Da kämen viele her. Aber alles, was ihr dazu einfiel, war, mich zu fragen, ob wir denn da auch Kühe hätten. Ja, haben wir. Ganz viele sogar. Wir trinken viel Milch. Sie fand es deshalb komisch, dass so viele Leute aus Germany kämen, wenn es dort doch auch Kühe gäbe, es also genauso wäre.

Viele Leute dort wissen sicherlich nicht, auf was sie sich da einlassen. Die denken, das wäre vielleicht so, wie sich von Köln bis ins Ruhrgebiet durchzuschlagen, weil es da besser wäre. So ein Gedankengang wie der, dass wir hier von Deutschland aus nicht mit dem Auto nach Afrika fahren oder zu Fuß gehen, sondern einfach in den Flieger steigen, ist vielen Leuten nicht möglich, weil sie das einfach nicht kennen.

In ein Reisebüro zu gehen und eine Reise zu buchen, um in ein Land zu kommen, in dem man dann „Asyl!“ ruft, ist ein Wissen, das viele dort einfach nicht haben. Man muss es mal aus deren Perspektive sehen, denn die kennen das dort gar nicht anders, als dass man auf solchen schrägen Wegen und über Schlepper und irgendwelche komischen Gestalten von A nach B kommt. Viele dürften da wohl gar nicht auf die Idee kommen, sich in ein Flugzeug zu setzen. Denkt bitte mal dran, dass viele Leute dort noch nie eine Rolltreppe oder einen Fahrstuhl gesehen haben und nicht wüssten, wie man die benutzt. Einen Flughafen zu benutzen oder sich in ein Flugzeug zu setzen, allein schon das Flugzeugklo, wäre jenseits des Horizontes vieler Leute dort.

Man geht dort auch in vielen Gegenden nicht zum Arzt, sondern zum Medizinmann oder Hexer. Das kommt in der Lebenswelt vieler Leute dort nicht vor, dass man das einfach selbst macht, und nicht die Dienste irgendeines schrägen Vogels in Anspruch nimmt.

Ich könnte mir nicht nur vorstellen, dass das in vielen Gegenden Afrika nicht nur nicht möglich ist, einen Flug zu buchen, weil es dort eben keine Reisebüros und kein Internet gibt, und vielen Leuten das Prinzip fremd ist, jetzt etwas zu buchen und zu bezahlen, um dann in zwei Monaten zu fliegen, und viele Leute dort auch keinen Reisepass, kein Konto, keine Existenz haben, sondern dass die Regierungen, irgendwelche militanten Gruppen und so weiter einen auch nicht rauslassen würden.

Meine Überlegung wäre, dass wenn sie einfach in ein Reisebüro gehen, dort eine Reise nach Europa buchen und hinfliegen könnten, es ja gar nicht nötig wäre, überhaupt auf die Flucht zu gehen, weil dann ja schon ein ziemlich hoher Standard erreicht wäre. Insofern wirkt schon die Frage etwas naiv auf mich.

Ich finde es auch frappierend, wenn Leute dort 5.000 oder 10.000 Euro an Schlepper zahlen, um auf einer Luftmatratze über das Mittelmeer zu schippern, während ich mich für 300 Euro bequem in den Flieger setzen und drüber fliegen kann, mit 16:9 Bildschirm und Videothek im Sitz. Aber wenn sie das auch hätten, würden sie ja nicht fliehen wollen.

Aber letztlich: Ich weiß es nicht.

Viel interessanter finde ich aber die Frage, warum man überhaupt diese Schlepperschiffe unterstützt und eigene Schlepper über das Mittelmeer fahren lässt, den ganzen Blödsinn auch noch unterstützt. Es wäre sinnvoller, Flugzeuge zu chartern und von den dortigen Flughäfen starten zu lassen. Aber das wäre zu einfach und es fehlte die Drama-PR. Und man stünde dann hier auf einem normalen Flughafen an der Passkontrolle.