Ansichten eines Informatikers

Mastektomie

Hadmut
23.5.2022 12:47

Ein Chirurg schreibt mir zum Foto mit der Entbrüstungskatastrophe.

Ich hatte doch gerade über die sozialistischen Menschenexperimente im Stil von John Money (im Gegensatz zu dem fand Mengele keine Nachahmer und wurde nicht zur Politikone gemacht) berichtet und das Foto von einer völlig misslungenen Brustamputation gezeigt.

Was ich nicht gleich gemerkt habe, mir inzwischen einige Leser geschrieben haben: Das sind nicht zwei Frauen, sondern zwei Fotos derselben Frau in unterschiedlichem zeitlichem Abstand zur Operation, die sieht nur anders aus, weil sie sich die Haare umgefärbt hat.

Dazu schreibt mir nun ein Chirurg:

Sehr geehrter Herr Danisch,

auf dem Twitterbild ist nur eine Person zu sehen, es ist nur etwas Zeit vergangen, deshalb scheinen die Narben unterschiedlich zu sein. Außerdem wurden die Haare zwischenzeitlich anders getönt oder gefärbt.

Der Schnitt ist nicht gut verheilt, scheint unter Spannung verschlossen worden zu sein. Es ist aber dieselbe Narbe. Aus meiner simplifizierenden Chirurgensicht wurde eine beidseitige subkutane Mastektomie ausgeführt, d.h. jeweils nur der Brustdrüsenkörper mit Haut inclusive der Brustwarzen wurde entfernt. Dies ist ein einfacher Eingriff, es lag je auch kein bösartiges Leiden vor, es mußten also auch keine Sicherheitsabstände gewahrt werden. Warum der Wundverschluß unter derartiger Spannung erfolgte, ist mir ein Rätsel. Warum der Schnitt über die Mittellinie gezogen wurde, ist auch nicht nachvollziehbar, ich hätte dies über zwei getrennte Schnitte realisiert. Das ist eine technische Betrachtung, ich operiere in meiner Kleinstadt dieses Patientengut nicht, da ich keine Indikation, das ist der Grund für einen Eingriff, erkennen kann. Der/die/das Mensch auf dem Bild scheint auch zur überschießenden Narbenbildung zu neigen, auf dem zweiten Bild ist ein beginnendes Keloid zu sehen. Das Ergebnis der kosmetischen Korrektur ist bescheiden schön, offensichtlich irreparabel. Aber da wir ja aus Gleichheitsgründen auf das Zeigen des Oberkörpers bald alle verzichten müssen, wird es wohl niemand in der Öffentlichkeit erblicken müssen…

Trotzdem muss es nicht so aussehen.

Ich habe von meiner Krebsbehandlung vor 30 Jahren auch eine deftige Narbe zurückbehalten. Ich neige auch zu starken, wulstigen, keloidförmigen Narben. Ich kann mich noch erinnern, dass ich damals in den ersten zwei, drei Wochen nach der Operation (geklammert, nicht genäht) eine ganz dünnen Strich hatte, fast als hätte man das mit dem Kugelschreiber gezeichnet. Dann hatten sie mich mal übers Wochenende aus dem Krankenhaus entlassen, weil ich mal etwas Bewegung bräuchte und mal was anderes als Krankenhaus sehen müsste, und obwohl ich damals – noch stark geschwächt und nur mit Mühe in der Lage, mich senkrecht zu halten – mit jemandem Einkaufen gegangen und den Einkaufswagen geschoben, weil ich mich auf den aufstützen konnte. Und nach diesem Wochenende hatte ich dann eine ganz wüste, daumenbreite Narbe, wulstig aufgegangen, flach nur da, wo Druck vom Gürtel drauf war. Hat Jahre gedauert, bis die Narbe wieder flach war, breit ist sie gelieben.

Aber: Trotzdem sah bei mir die Narbe glatt, gerade, gleichmäßig aus. So ein Ding wie auf diesem Foto, das aussieht, als hätte sie der Mörder mit der Kettensäge erwischt, sowas habe ich auch noch nie gesehen.

Aufgrund meiner eigenen (einmaligen) Erfahrungen, wie mir damals diese Narbe von dünn zu groß, breit, dick geworden ist, weil ich nur mal für zwei Tage nicht im Krankenhausbett gelegen, sondern mich ganz vorsichtig etwas bewegt hatte, kann ich mir das schon vorstellen, dass bei entsprechender Neigung selbst geringste Belastung die Narbe aufgehen lässt. Aber trotzdem sah das bei mir nie so ausgefressen aus, sondern immer glatt und gerade. Man hat nur in der ersten Zeit noch etwas gesehen, wo die Klammern waren, sah etwas nach Reißverschluss aus.

Die eigenen Erfahrungen mit der Narbe sind übrigens der Grund, warum ich nicht entfernt auf die Idee käme, mich ohne medizinische Indikation, nur aus ideologischen Gründen einer solchen Operation zu unterziehen. Auf ein paar Narben mehr oder weniger käme es mir zwar auch nicht mehr an, aber aus Jux und Dollerei würde ich das nicht machen.