Ansichten eines Informatikers

Der Tod des „zu“

Hadmut
16.5.2022 9:39

Auch so ein Untergang.

Eigentlich wollte ich gerade einen lästerlichen Artikel über das Schwängern schreiben. FOCUS: Schnell schwanger werden: Acht Tipps helfen auch Frauen über 35

Zu meiner Zeit gab es da so eine bewährte, kanonische Standardmethode, wie man schwanger wurde. Morgens, mittags, abends, nachts, bis der Erfolg eintritt. Das beruhte aber noch auf überkommenen Geschlechtervorstellungen von Mann, Frau und so. Nein, Korrektur. Nicht „und so“. Mann, Frau, Ende. Der Weg zur Schwangerschaft algorithmisch eindeutig. Früher hat man einfach gepimpert, geschnackselt, geknattert, anstatt darüber zu diskutieren und Selbsthilfeartikel zu schreiben.

Und was die Frauen über 35 angeht: Ich bin mir sicher, dass die Methode da dieselbe ist. Das Problem dürfte eher darin liegen, noch einen Typen zu finden, der die noch will. Insofern wären Schminktipps und Hinweise zur Entgenderung und Entfeminisierung eventuell zielführender. Man könnte sogar sagen, dass jemand, der schreibt, dass schwanger zu werden der Traum vieler Paare sei, das Problem überhaupt nicht verstanden hat. Und die heute gängige Begriffsdefinition von „Paar“ müsste auch entüberarbeitet werden.

Zumal die 8 Tipps, die sie geben, auch nicht alle unter „schnell schwanger werden“ zählen, sondern unter Gesundheit des Fötus, wenn er mal da ist.

Mir fiel aber – schon wieder – etwas anderes auf.

Schwanger werden ist für viele Paare ein Traum.

Das hieß mal „Schwanger zu werden“. Infinitiv. (Für die Jüngeren unter den Lesern: Hat nichts mit Präservativ zu tun.)

Wir hatten dazu noch solche Merksätze wie „Wer brauchen nicht mit zu gebraucht, braucht brauchen gar nicht zu gebrauchen.“ Ausnahmen gibt es nur bei Hilfsverben wie müssen und dürfen. Es heißt „Ich darf gehen“ und nicht „Ich darf zu gehen“. Aber das sind Hilfsverben.

Irgendwie hört sich das auch wieder nach geistigem Abstieg an, weil der Satzbau nicht mehr darauf beruht, seine eigene Aussage durchgängig verstanden zu haben. Das ist mehr so ein Hintereinanderpappen von Phrasen.

Und am stärksten aufgefallen ist mir das bei der Presse. Ausgerechnet von denen, die eigentlich von Berufs wegen sprachlich die höchste Qualität liefern sollten, kommt inzwischen dauerhaft solcher Senf. Gleichzeitig wollen sie uns über den richtigen, den „gerechten“ Gebrauch der Sprache belehren und glauben, Sprache besser zu kennen.