Ansichten eines Informatikers

Wegfahrsperren

Hadmut
7.5.2022 21:46

Ein Leser schreibt:

Hallo Hadmut,

stimmt alles, ich fahre ein Sportcoupé aus den 70ern, hatte auch schon Schwielen nach freudiger Fahrt auf kurvigen Strecken und das Auto hat die heutzutage beste Wegfahrsprerre der Welt: Einen Choke. Die jungen Leute würden das gar nicht anbekommen. Gut, meine Tochter weiß von mir, wie es geht… 😉

Oh, ja, der Choke. Meine ersten beiden Autos hatten sowas noch. (Für die Jüngeren: Choke. Nicht Joke. Wäre heute gar nicht mehr möglich, sowas einzubauen und so zu nennen, denn Choke heißt würgen, und hieß so, weil es eine zusätzliche Drosselklappe im Vergaser war. Aber Würgen ist verbale Gewalt, und Vergaser geht schon gar nicht mehr, in sowas würden sich Leute von heute ja nicht mehr reinsetzen. Wehe, wenn die vor der e-Auto-Homogentität herausfinden, dass die derzeitigen Verbrenner alle „Einspritzer“ sind. Blanker Sexismus. Zu meiner Zeit damals war es an der Uni noch der running Gag und der jährliche Gelächterhöhepunkt der Maschinenbauer, wenn in der Vorlesung über Motoren darum ging, dass es bei den Dieselmotoren die Vorkammereinspritzer und die Hauptkammereinspritzer gibt und um die Frage, welche von beiden denn stärker nageln, und Fragen der Schmierung und des Kolbenhubs diskutiert wurden. Schon deshalb braucht die heutige Generation das e-Auto.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass das alles auch davon abhing, dass man vor dem Anlassen das Gaspedal mehrmals, in der richtigen Anzahl, trat, weil bei einem mechanischen Auto das Treten des Gaspedals auch beim abgestellten Motor Benzin einspritzte. Zu wenig: Springt nicht an. Zu viel: abgesoffen. Und das noch temperaturabhängig. Das musste man im Gefühl haben. Wie beim Auto von Biff in Zurück in die Zukunft, als der alte Biff dem jungen Biff beweist, wer er ist, indem er das Auto anlässt, das nur Biff anlassen kann.

Heute lässt der Bordcomputer an. Seit ich Autos mit Einspritzpumpe und Bordcomputer mit Kennlinie und sowas habe, springen die Autos einfach so an. Früher war das im Winter noch eine Kunst, das Auto anzukriegen. Früher musste ich auch alle zwei Jahre eine neue Batterie kaufen. Ich weiß von einer, die in einem modernen elektronischen Benziner 14 Jahre gehalten hat und selbst dann wohl auch nur am Corona-Home-Office gestorben ist.

Ich kann mich aber noch erinnern, dass ich beim Choke mal ganz fürchterlich geflucht habe. Dunkelheit, eiskalter Winter so bei mindest 15 Grad (gab es damals noch), und die Gewissheit, dass wenn ich meinen Vergaser-Motor überhaupt ankriegen wollte, es nur einen einzigen Versuch geben konnte, bevor die Batterie vor Kälte aufgab. So ähnlich wie in Der Flug des Phoenix. Und nur kein Licht anmachen. Erstens so funzlig, dass es sowieso nichts brachte, und zweitens Belastung der Batterie. Nicht gut. Nun war der Choke eben so ein langer Draht, der vom der Drosselklappe unter das Amaturenbrett ging, und oben drauf geschraubt ein Griff mit dem Symbol der Drosselklappe. Ich also in der Dunkelheit, bibbernd, mit klammen Fingern in dicken Handschuhen nach dem Choke unter dem Armaturenbrett gegriffen, fest dran gezogen, weil der schwergängig war (Toyota Starlet Baujahr 1980) und habe den Griff in der Hand.

Da habe ich geflucht. Aber richtig. Wie die Karre ankriegen, wenn der Choke-Griff abgerissen ist?

Dann habe ich genauer hingesehen, was ich eigentlich in der Hand hatte, weil ich wissen wollte, ob abgebrochen oder nur abgeschraubt, und habe noch lauter geflucht. Hatte nämlich danebengegriffen und in der Dunkelheit am Zigarettenanzünder gezogen, dessen Griff irgendein Design-Genie genauso geformt hatte. Und hatte den Anzünder in der Hand. Und den dann so aus dem Fenster gefeuert (später dann aber wieder aufgehoben und ordnungsgemäß entsorgt) wie in Blues Brothers.

Und vom Vorglühknopf der alten Daimler Diesel wollen wir gar nicht erst reden.

Dafür bin ich mal beim Reinsetzen an einem neuen Mercedes gescheitert, den ich nur kurz umparken wollte. Der Sitz war auf die Besitzerin (1,60 m klein) eingestellt und ich habe nicht hinters Lenkrad gepaßt. Aber wie man den Sitz zurückstellt, habe ich auch nicht herausgefunden. Das war dann eine Wegfahrsperre für mich.

Ich hatte mich mal für diesen kleinen Roadster von Smart erwärmt. Ist aber daran gescheitert, dass ich keinen passenden Schuhlöffel in der Größe meines Hinterns gefunden habe, um in das Ding reinzukommen. Außerdem gucken eine darin die Dackel immer so blöde ins Gesicht. Oder pinkeln rein, wenn man offen fährt.